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Kritik am Referentenentwurf

Kindergrundsicherung muss nachgebessert werden

Die GEW warnt davor, dass die Kindergrundsicherung nicht für alle Kinder gelten soll. Warum eine inklusive Kindergrundsicherung dringend notwendig ist und was am aktuellen Referentenentwurf noch nachgebessert werden muss.

Die GEW sagt: "Stopp, bei der Kindergrundsicherung muss noch nachgebessert werden." (Foto: Shutterstock/GEW).

Die GEW hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, den Referentenentwurf zur Kindergrundsicherung dringend zu verbessern. Die GEW betonte, dass das Ziel, die Kindergrundsicherung armutsfest zu machen, mit dem aktuellen Entwurf klar verfehlt werde. Doreen Siebernik, Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit, die die GEW bei der Verbändeanhörung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vertrat, betonte die dringende Notwendigkeit, gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland herzustellen.

Siebernik kritisierte vor allem, dass die Kindergrundsicherung nicht für alle Kinder in Deutschland gelten solle. Sie unterstrich, dass eine Kindergrundsicherung allen Kindern und Jugendlichen bessere Teilhabechancen und Zugang zu Bildung sichern müsse, ohne jemanden auszuschließen. „Allein existierende Leistungen zusammenzuführen, ohne dies mit substanziellen Leistungsverbesserungen zu koppeln, hilft einkommensschwachen Familien wenig“, kritisierte Siebernik. Die GEW-Expertin warnte davor, dass die Kindergrundsicherung nicht zu einer Verschlechterung der Situation führen dürfe und dass der Anspruch auf den Kindersofortzuschlag für Kinder im Asylbewerberleistungsgesetz nicht gestrichen werden dürfe.

Was ist die Kindergrundsicherung?

Bisher gibt es verschiedene Leistungen für Familien mit Kindern. Beispielsweise das monatliche Kindergeld oder den Kinderzuschlag für Menschen mit geringen Einkommen. Die Leistungen müssen aber teilweise bei verschiedenen Behörden auf unterschiedlichen Wegen beantragt werden - oft ist Familien gar nicht bewusst, dass sie einen Anspruch haben.

Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums erreicht der Kinderzuschlag nur etwa jedes dritte anspruchsberechtigte Kind. Rechnerisch gehen demnach etwa 1,5 Millionen Kinder leer aus. Die neue Kindergrundsicherung soll dieses Chaos bündeln - und die staatlichen Leistungen für Kinder und Familien einfacher und übersichtlicher machen.

Und warum ist sich die Regierung bei dem Projekt nicht einig? 

Wenn alle berechtigten Familien ihnen zustehende Leistungen auch erhalten, wird das mehr Geld kosten. Das ist weitgehend unstrittig.

Darüber hinaus wollen aber vor allem die Grünen in der Ampel durchsetzen, dass Leistungen auch erhöht werden, um mehr gegen Kinderarmut im Land zu tun. Finanzminister Christian Lindner (FDP) pocht dagegen darauf, nach den teuren Corona- und Inflations-Entlastungspaketen die Staatsausgaben wieder stärker zu begrenzen und verweist auf bereits erfolgte Erhöhungen bei Bürgergeld, Kindergeld und Kinderzuschlag.

Unabhängig vom Finanzstreit wie soll die Kindergrundsicherung aussehen?

Die Kindergrundsicherung soll zwei Bestandteile haben. Einen Garantiebetrag, der für alle Kinder gleich ist, unabhängig davon, wie viel die Eltern verdienen. Er soll mindestens die Höhe des jetzigen Kindergelds, also 250 Euro, betragen. Angedacht ist, dass Kinder, die erwachsen sind, aber noch studieren oder in der Ausbildung sind, diesen Garantiebetrag direkt bekommen. Der zweite Teil richtet sich dann nach dem Elterneinkommen und ist ein Zusatzbeitrag. Je weniger die Eltern verdienen, desto höher soll er ausfallen.

Wie setzt sich der Zusatzbeitrag zusammen?

Der soll das bisherige Kinder-Bürgergeld ersetzen, also das, was Familien im Bürgergeldbezug monatlich für ihre Kinder bekommen. Auch der heutige Kinderzuschlag von maximal 250 Euro, der an Familien geht, die zwar kein Bürgergeld bekommen aber nur sehr wenig Einkommen haben, soll in diesem Zusatzbeitrag aufgehen.

Das gilt auch für Teile des sogenannten Bildungs- und Teilhabepakets. Damit werden Kinder aus ärmeren Familien finanziell bei Musikunterricht, Sportverein oder Klassenfahrten unterstützt. Mit der Kindergrundsicherug soll möglichst eine Anlaufstelle künftig dafür zuständig sein, dass Familien ihnen zustehende Leistungen unbürokratisch erhalten.

Was heißt das praktisch? 

Nach den bisherigen Plänen von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) soll dafür ein digitales Kindergrundsicherungsportal entstehen - also eine Seite, auf der alle Leistungen beantragt werden können. Über einen „Kindergrundsicherungs-Check“ sollen Familien außerdem aktiv darauf hingewiesen werden, dass sie möglicherweise Ansprüche auf weitere Zahlungen haben. Aus der bisherigen Holschuld der Bürger solle eine Bringschuld des Staates werden, so das Familienministerium. Die genaue Höhe der Zahlungen steht - siehe Finanzstreit - noch nicht fest.

Und wann kommt die Kindergrundsicherung?

Die Einführung ist für 2025 geplant. Im Bundeskabinett soll das entsprechende Gesetz nach den Sommerferien auf den Weg gebracht werden. Dann wird klarer, wie das Projekt konkret ausgestaltet wird.

Aber auch das ist nicht das letzte Wort. Wie bei jedem Gesetz wird auch darüber anschließend im Bundestag noch über weitere Details verhandelt, bevor es beschlossen wird.

Quelle: dpa

Die aktuell für die Kindergrundsicherung veranschlagten 2,38 Milliarden Euro ab 2025 könnten laut Siebernik nur eine Anschubfinanzierung sein. Eine armutsfeste Kindergrundsicherung mit Leistungsverbesserungen erfordere mindestens zehn Milliarden Euro Bundesmittel pro Jahr. Diese Summe müsse zudem regelmäßig an die wirtschaftlichen Entwicklungen angepasst werden.

Besonders Alleinerziehende und ihre Kinder benötigten bessere Leistungen. Die Voraussetzung eines Mindesteinkommens von über 600 Euro beim Schulbeginn der Kinder, um von der geringeren Anrechnung der Kindergrundsicherung beim Unterhaltsvorschuss zu profitieren, könne zu Ungerechtigkeiten führen. Die GEW fordert, dass Alleinerziehende, die um die Existenzsicherung ihrer Familien kämpfen, nicht allein gelassen werden dürfen, insbesondere solange die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit nicht gewährleistet sind. Im Jahr 2022 waren laut Statistischem Bundesamt rund 2,27 Millionen Mütter und etwa 487.000 Väter alleinerziehend.

Die GEW fordert außerdem, dass eine höhere Teilhabeleistung für alle Kinder und Jugendlichen mit der pauschalen Auszahlung des Bildungs- und Teilhabepakets einhergehen müsse. Die Begrenzung auf bestimmte Aktivitätsarten solle aufgehoben werden. „Jedem Kind muss es möglich sein, an Aktivitäten in Sport, Spiel, Kultur und Gesellschaft, Unterricht in künstlerischen Fächern und kultureller Bildung sowie Freizeitangeboten teilzunehmen“, forderte die GEW-Kitaexpertin.