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Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)

Im EU-Ausland geleistete Lehrertätigkeit ist anrechenbar

Der EuGH hat entschieden, dass in einem anderen EU-Staat geleistete Lehrertätigkeit bei einem Wechsel in den deutschen Schuldienst uneingeschränkt anzurechnen ist. Gute Nachrichten für Lehrkräfte, die nach Deutschland gewechselt sind.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Rechte der Beschäftigten gestärkt, die zwischen EU-Ländern wechseln. In seinem Urteil vom 23. April hat der EuGH entschieden, dass in einem anderen EU-Staat geleistete gleichwertige Lehrertätigkeit bei einem Wechsel in den deutschen Schuldienst uneingeschränkt anzurechnen ist. Der Arbeitgeber hatte eine Regelung des Tarifvertrages der Länder (§ 16 Abs. 2 TV-L) angewendet, wonach einschlägige Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber nur bis maximal drei Jahren bei der Stufenzuordnung berücksichtigt wird. Dies stellt im Fall von Wechseln aus anderen EU-Ländern nach dem jetzt gefällten Urteil eine unzulässige Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar.

Im konkreten Fall hatte die Klägerin 17 Jahre lang in Frankreich an Collèges-Lycées als Lehrerin unterrichtet und war dann in den niedersächsischen Schuldienst gewechselt. Ihre Tätigkeit in Frankreich wurde als einschlägig anerkannt. Entsprechend der Vorgabe des Tarifvertrags wurde sie aber nur in Stufe 3 eingestuft. Ihr Gehalt war um 870 Euro geringer, als dasjenige ihrer Kolleginnen mit gleicher Berufserfahrung. Auf gleicher Stufe wie diese hätte sie erst nach zwölf Jahren gestanden.

Ihrer mit dem Rechtsschutz der GEW geführten Klage wurde in erster Instanz stattgegeben, in zweiter Instanz verlor sie. Das Bundesarbeitsgericht als dritte Instanz legte den Fall dem EuGH vor. Dieser hat jetzt entschieden, dass die tarifvertragliche Regelung gegen den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit verstößt, da dadurch der Wechsel eines Beschäftigten von einem EU-Land in ein anderes in unzulässiger Weise erschwert wird. Der Klägerin kann damit rückwirkend Gehalt nach Stufe 5, bzw. 6, beanspruchen.

“Die Gewerkschaften sollten die Entscheidung des EuGH zum Anlass nehmen, bei den nächsten Tarifverhandlungen darauf hinzuwirken, dass die systemwidrige und gegen den Gleichheitssatz verstoßende unterschiedliche Anrechnung von Beschäftigungszeiten beseitigt wird”, sagte Rechtsanwalt Karl Otte, der das Verfahren begleitet hat.

„Seit vielen Jahren fordern die Gewerkschaften in jeder Tarifrunde, § 16 TV-L und den nahezu identischen § 16 TVöD zu überarbeiten.“ (Daniel Merbitz)

Das Urteil zeige erneut, wie berechtigt die Forderung der GEW ist, Berufserfahrung bei Arbeitgeberwechseln voll anzuerkennen, kommentierte GEW-Vorstandsmitglied und Tarifexperte Daniel Merbitz. „Seit vielen Jahren fordern die Gewerkschaften in jeder Tarifrunde, § 16 TV-L und den nahezu identischen § 16 TVöD zu überarbeiten. Jetzt haben wir die absurde Situation, dass Berufserfahrung im EU-Ausland voll anerkannt werden muss, Berufserfahrung in einem anderen Bundesland oder an einer Privatschule dagegen nicht.“ Das Urteil ist nicht bei Arbeitgeberwechseln innerhalb Deutschlands anwendbar. Das Bundesarbeitsgericht hat die sogenannte „Inländerdiskriminierung“ bislang ausdrücklich gebilligt, da sich die Tarifparteien hierauf geeinigt hätten.
 

(EuGH Urteil vom 23.04.2020, Az.: C-710/18)