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Tarifrunde TV-L 2023

Höhere Löhne stabilisieren Kaufkraft und Konjunktur

Die weiter hohe Inflation macht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu schaffen. Höhere Löhne im öffentlichen Dienst sind daher unabdingbar. Angesichts der guten Lage der öffentlichen Haushalte dürfen sich die Länder diesen nicht verweigern.

Die Teuerungsrate der vergangenen zwei Jahre hat die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stark belastet. (Grafik: IMAGO/fStop Images)

Die Inflation ist hartnäckiger als gedacht. Der Höhepunkt ist zwar überschritten, aber die Inflationsraten gehen langsamer zurück als erwartet. Im August lag der Verbraucherpreisindex hierzulande 6,1 Prozent über dem Wert des Vorjahresmonats. Die Preise sind damit genauso schnell gestiegen wie noch im Mai, wenn auch etwas weniger stark als in den Monaten Juni und Juli. Zwar fällt der Vergleich mit dem Vorjahr in Deutschland auch deshalb hoch aus, weil im Vergleichszeitraum 2022 das befristete 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr die Preissteigerung besonders gedämpft hatte. Aber jenseits solcher deutscher Sondereffekte ist auch die Teuerungsrate in der Eurozone im August nicht zurückgegangen und bleibt hoch. Wirtschaftsforscher sagen für das Gesamtjahr 2023 in Deutschland eine Inflationsrate zwischen 5,3 und 6,6 Prozent sowie für das Jahr 2024 erneut Werte von bis zu 3 Prozent voraus.

Rezession droht

Seit mittlerweile zwei Jahren sind die Preissteigerungen außergewöhnlich hoch. Unterbrochene Lieferketten, die wirtschaftliche Erholung nach Corona und der Krieg in der Ukraine ließen Energie- und Verbraucherpreise steigen. Im vergangenen Jahr wuchsen die Verbraucherpreise insgesamt um 6,9 Prozent. Studien zeigen, dass viele Unternehmen die höheren Kosten nicht nur auf die Preise ihrer Produkte überwälzen konnten, sondern die Preise noch stärker anhoben, um Extra-Gewinne zu erzielen. Entsprechend tragen vor allem die abhängig Beschäftigten die Last der Inflation. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind die Löhne im vergangenen Jahr zwar nominal um 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Abzüglich der Inflationsrate sanken die Löhne aber um 4 Prozent. Das ist der stärkste Reallohnverlust seit 2008.

In der Folge des Kaufkraftverlustes ist der private Konsum geschwächt. Weniger Güter und Dienstleistungen werden nachgefragt, das drückt die Konjunktur. Schon im ersten Vierteljahr des laufenden Jahres war der private Konsum preisbereinigt um 1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gesunken. Im zweiten Quartal 2023 ging er dann erneut um 1,2 Prozent zurück. Laut Prognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) wird der private Konsumrückgang das Wirtschaftswachstum im Jahr 2023 insgesamt um 0,9 Prozentpunkte reduzieren. Angesichts der ebenfalls kriselnden Weltwirtschaft muss mittlerweile damit gerechnet werden, dass der Nachfrageeinbruch im laufenden Jahr zu einer Rezession führen wird.

Öffentlicher Dienst muss attraktiver werden

Es ist also auch für die gesamtwirtschaftliche Stabilisierung gut, dass die Gewerkschaften gegensteuern und in den zurückliegenden Tarifrunden hohe Abschlüsse erreicht haben. So ist jüngst wieder eine Stabilisierung der Reallöhne erreicht worden. Im zweiten Quartal 2023 stiegen die Löhne preisbereinigt leicht um 0,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Ein Grund, im Druck nachzulassen, ist das allerdings nicht. Zum einen ist nicht garantiert, dass sich die positive Entwicklung der Reallöhne auch auf das Gesamtjahr überträgt. Zum anderen lassen sich mit einem Reallohn-Plus von 0,1 Prozent noch keine großen Sprünge machen.

Angesichts der enormen Kaufkraftverluste in den vergangenen Jahren, der nach wie vor hohen Inflation und der notwendigen Stabilisierung von Nachfrage und Konjunktur, braucht es weiter deutlich steigende Löhne. Das gilt auch und gerade für den öffentlichen Dienst. Dieser muss schließlich dringend attraktiver werden, um im Wettbewerb um fehlende Fachkräfte mitzuhalten. Bereits heute fehlt im öffentlichen Dienst fast überall Personal. Allein im Bereich der Schulen fehlen Studien zufolge Tausende Lehrkräfte.

Finanzielle Lage lässt Lohnsteigerungen zu

Die Bundesländer können sich angemessene Lohnsteigerungen für ihre Beschäftigten ohne Probleme leisten. Denn sie befinden sich in einer vergleichsweise guten finanziellen Lage: Während der Bund krisenbedingt neue Schulden gemacht hat, haben die Länder in den vergangenen beiden Jahren Finanzierungsüberschüsse in Milliardenhöhe erwirtschaftet. 2022 überstiegen die Einnahmen der Länder die Ausgaben um 10,5 Milliarden Euro. Ihre Verschuldung haben die Länder im vergangenen Jahr abgebaut. Ihre Schuldenquote ist heute insgesamt niedriger als vor der Corona-Krise. Der Brutto-Schuldenstand der Bundesländer (ohne Abzug des Finanzvermögens) war im Jahr 2022 mit etwas mehr als 16 Prozent der Wirtschaftsleistung auf dem niedrigsten Niveau seit Mitte der 1990er-Jahre. Entsprechend treffen auch die mittlerweile gestiegenen Zinsen die Länder nicht so stark.

Diese stehen unter anderem deshalb gut da, weil die Kosten der verschiedenen Krisen in den vergangenen Jahren im Wesentlichen vom Bund geschultert wurden. Aber auch das Steueraufkommen hat sich gut entwickelt. Im Haushaltsjahr 2022 lagen die Steuereinnahmen auf Ebene der Länder mit 385 Milliarden Euro um mehr als 8 Prozent über dem Wert des Vorjahres. Der Anteil der Länder am Gesamtsteueraufkommen ist gestiegen und liegt mittlerweile seit 2020 über dem des Bundes. Das liegt insbesondere daran, dass den Bundesländern durch Gesetzesänderungen ein höherer Anteil am Umsatzsteueraufkommen zugeschrieben wurde.

Schuldenbremse abschaffen

Diese finanzielle Ausgangslage muss genutzt werden, um die Weichen für die Zukunft in den Bundesländern zu stellen: Es braucht einen modernen, gut ausgestatteten öffentlichen Dienst mit ordentlich bezahlten und motivierten Beschäftigten. Und es braucht Investitionen in eine gute Infrastruktur. Hier haben die Länder in der Vergangenheit zu Unrecht gekürzt. Das heißt aber auch: Der Bund darf nicht auf die Idee kommen, den Ländern neue Belastungen aufzudrücken, nur um seine eigene finanzielle Situation zu verbessern und die Schuldenbremse einzuhalten. Die Schuldenbremse ist und bleibt eine Zukunftsbremse, die ohne Not den Handlungsspielraum des Staates beschränkt. Sie ist abzuschaffen oder zumindest so zu reformieren, dass kreditfinanzierte Investitionen wieder uneingeschränkt möglich werden.

Höhere Löhne im öffentlichen Dienst sind ein Gebot der Gerechtigkeit und stabilisieren Nachfrage und Konjunktur. Angesichts der guten Haushaltslage dürfen sich die Bundesländer mehr Geld für die Beschäftigten nicht verweigern!