Zum Inhalt springen

8. Weltkongress der Bildungsinternationale

„Haltung zeigen und auf Gerechtigkeit bestehen“

Gemeinsam mit 1.400 Delegierten und Gästen von Lehrer- und Bildungsgewerkschaften aus anderen Ländern haben 19 GEW-ler Ende Juli am 8. Weltkongress der Bildungsinternationale (BI) in Thailands Hauptstadt Bangkok teilgenommen.

Foto: Daniel Merbitz

Der Kongress stand unter der Überschrift „Educators and their unions taking the lead“. Er war ein Signal der Geschlossenheit und Ermutigung angesichts weltweit zunehmender Angriffe auf demokratische Rechte und öffentliche Bildung. Die Australierin Susan Hopgood, die in Bangkok für vier weitere Jahre als BI-Präsidentin bestätigt wurde, forderte die Delegierten auf, Verantwortung zu übernehmen: „In einer Zeit, in der die Demokratie durch Despoten bedroht wird und ums Überleben kämpft, haben wir keine Wahl. Wir müssen mit gutem Beispiel vorangehen, indem wir Haltung zeigen und auf Gerechtigkeit bestehen.“ Pädagoginnen und Pädagogen hätten die Pflicht, Unwahrheiten aufzudecken und den Lernenden Fakten zu vermitteln: „Wir müssen gegen Lügen und Dunkelheit kämpfen.“

Generationenwechsel in der BI

BI-Generalsekretär David Edwards betonte in seinem Rechenschaftsbericht, dass sich die Probleme in den Ländern trotz aller Unterschiede der nationalen Bildungssysteme oft glichen. Zu den wichtigsten Herausforderungen zählte Edwards die zunehmende Privatisierung und Kommerzialisierung von Bildung, eine gesicherte Bildungsfinanzierung, Inklusion und Chancengleichheit sowie Digitalisierung, Migration und Klimawandel. Als großen politischen Erfolg der BI wertete er, dass es gelungen sei, Bildung als eigenständiges Entwicklungsziel in den UN-Nachhaltigkeitszielen zu verankern.

Der 44-jährige US-Amerikaner ist erst der zweite Generalsekretär seit Gründung der BI im Jahr 1993 und steht für den Generationenwechsel in der Weltorganisation. Edwards hatte das Amt 2018 von seinem langjährigen Vorgänger, dem Niederländer Fred van Leeuwen übernommen. Den Delegierten in Bangkok gegenüber, die ihn als Generalsekretär im Amt bestätigten, gab er sich zuversichtlich und kämpferisch: „Wir bringen berufliche Professionalität, die Stärke unserer Gewerkschaftsbewegung und den Glauben an soziale Gerechtigkeit zusammen.“

Kampf gegen Armut

Ein Höhepunkt des Kongresses war die Rede des Inders Kailash Satyarthi, der 2014 für seinen unermüdlichen Einsatz gegen Kinderarbeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Es sei nicht hinnehmbar, dass noch immer 1,3 Milliarden Menschen in Armut leben, davon mehr als die Hälfte jünger als 18 Jahre. „Kinder tragen überall die Hauptlast der Ungleichheit“, so Satyarthi. Er forderte mehr Anstrengungen, die UN-Nachhaltigkeitsziele zu verwirklichen, insbesondere Ziel 4, das gute kostenlose Bildung für alle Menschen verspricht. Dafür würden weltweit zusätzlich 69 Millionen qualifizierte Lehrkräfte benötigt. Satyarthi warb um Unterstützung der von ihm ins Leben gerufenen Kampagne 100 Million. Ihr Ziel: die Ausbeutung von Millionen Kindern und Jugendlichen zu beenden und dafür zu sorgen, dass diese in Freiheit und Sicherheit aufwachsen und eine Schule besuchen können.

Zum ersten Mal sind im 27-köpfigen BI-Vorstand mehr Frauen als Männer vertreten, darunter auch Marlis Tepe. Die GEW-Vorsitzende wurde in Bangkok erneut zur BI-Vizepräsidentin für Europa gewählt. BI-Präsidentin Hopgood freute sich über das Wahlergebnis: „Wir treten in den Gewerkschaften, in Unternehmen und Institutionen immer für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Der Kongress hat eine sehr starke Botschaft gesendet, indem er 15 Frauen und 12 Männer in die Führung der Organisation wählte. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit und die Weiterentwicklung der BI in den nächsten vier Jahren.“

Eindrücke der GEW-Delegation

  • Nathalie Schäfer, Bundesausschuss der Studentinnen und Studenten in der GEW (BASS)

„Multinationale Konzerne, die das Grundrecht auf Bildung privatisieren, oder Staatenverbünde, die die Grundfinanzierung für Bildung zurückschrauben, agieren über Grenzen hinweg, deshalb müssen wir Gewerkschaften das auch tun. Hochschulbildung und Forschung können nur dann dazu beitragen, eine bessere Zukunft für die Menschheit aufzubauen, wenn die akademische Freiheit innerhalb eines öffentlichen Hochschulsystems gewährleistet ist.“

  • Ralf Becker, Berufsschullehrer, Vorsitzender der GEW-Bundesfachgruppe gewerbliche Schulen

„Diese acht Tage in Bangkok haben durch die Gespräche, Eindrücke und Diskussionen des Kongresses für mich „globales Denken“ erfahrbar gemacht. Durch die Arbeit in der Bildungsinternationale können wir auf die Erfahrungen anderer Gewerkschaften zurückgreifen und diese gleichzeitig auf unsere Erfahrungen.“

  • Tina Breidenich, Bundesfrauenausschuss und GEW-Arbeitsgruppe LSBTI*

„Die Beschlüsse der Bildungsinternationale haben die Bedeutung und Stärke der internationalen Solidarität abermals sehr deutlich gemacht. Was für mich und meine inhaltlichen Schwerpunkte weiterhin klar wurde, ist die Notwendigkeit, LSBTI*- und Frauenrechte wachsam in den Blick zu nehmen und weiter voranzutreiben, insbesondere da deren Relevanz aus deutscher Sicht gerne unterschätzt wird.“

  • Anne Albers, Lehrerin, GEW Berlin

„Für mich war es wichtig zu sehen, dass die lokalen Probleme in einem globalen Zusammenhang stehen. Die Krise der Demokratien durch den Rechtsruck, die Bedrohung der freien Bildung durch Privatisierung, Arbeitsverdichtung, die mangelnde Repräsentation von Frauen, der Jugend und anderer marginalisierter Gruppen in unseren Organisationen, das sind Themen, die fast alle Gewerkschaften weltweit bewegen. Da über den eigenen Tellerrand zu schauen, war sehr inspirierend. Wichtig finde ich, dass wir eine Resolution zur Dekolonisierung von Bildung beschlossen haben und dass die Young Unionists zukünftig stärker eingebunden werden sollen.“

  • Hannah Heisterkamp, Leitungsteam der jungen GEW in Nordrhein-Westfalen

„Mir ist vor allem der Generationendialog in der Gewerkschaft ein besonderes Anliegen. Und so fand ich es sehr gut, dass beim Kongress der Bildungsinternationale ein Schritt in diese Richtung gemacht worden ist. So gab es zum ersten Mal ein „Young-Members-Round-table“ für alle Kolleginnen und Kollegen, die jünger als 35 Jahre sind.“

  • Frauke Gützkow, GEW-Vorstandsmitglied Frauenpolitik

„Bewegend und berührend waren für mich vor allen Dingen Gespräche in kleineren Tischrunden während der Breakout-Sessions und der Vorparlamente. Zum Beispiel eine Vertiefung zum Thema Privatisierung und Kommerzialisierung und deren Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, die überwiegend Frauen sind. Auch die Diskussion über sexuelle Übergriffe innerhalb der Bildungsgewerkschaften war sehr bewegend.“