Fotos: Jürgen Fischer
Rund hundert Delegierte und Gäste, darunter Vertreter von Bildungsgewerkschaften aus Albanien, Montenegro, Mazedonien, Slowenien, den Niederlanden und Deutschland, haben am 22. Februar 2014 in Prishtina, der Hauptstadt des Kosovo, am sechsten Kongress der Bildungsgewerkschaft SBASHK teilgenommen. Nur wenige Tage zuvor, am 17. Februar, hatte die Republik Kosovo ihren sechsten Jahrestag der Unabhängigkeit begangen. Die wirtschaftliche Situation im Kosovo ist weiterhin sehr schwierig. Die Arbeitslosigkeit liegt bei ca. 45 Prozent, davon besonders betroffen sind junge Leute unter 25 Jahren. Volle Cafés in Pristina künden davon, dass die Jugend keine Arbeit hat. Im EU-Fortschrittsbericht vom Oktober 2013 werden Defizite benannt bei Korruption (auch im Bildungswesen), Verwaltungsaufbau, Minderheitenschutz, Rechtsstaatlichkeit, Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Aufbau einer funktionsfähigen Marktwirtschaft.
Bildungsgewerkschaft stark gefordert
Enormes leisten musste SBASHK seit ihrer Gründung, da in dem Zeitraum von 1989 bis 1999 das albanische Schulwesen durch das serbische ersetzt wurde und albanischer Unterricht praktisch nicht mehr möglich war (zehnjähriges diskriminierendes Regime unter Milosevic). Im Verborgenen hielten albanische Lehrkräfte Schattenschulen aufrecht. Mit der Gründung des Staates Kosovo erhielten die dort lebenden Albaner ihr Recht auf eigenständige Kultur und Schulen zurück. Das machte es erforderlich, in kürzester Zeit das albanische Bildungswesen nach modernen Gesichtspunkten neu aufzubauen. In den fünf Jahren seit ihrem letzten Kongress musste die Bildungsgewerkschaft SBASHK sehr viele Probleme überwinden, konnte sich aber dennoch durch ihre Arbeit Anerkennung und Achtung verschaffen, was sich in positiven Ergebnissen niederschlägt.
Kosovarisches Bildungswesen unterfinanziert
So war 2009 ein Jahr zahlreicher langer Gespräche und Beratungen mit dem Unterrichtsministerium. Unzählige Aufgaben standen an, galt und gilt es zu lösen, ein neues, besseres Bild der Lehrer zu entwickeln (man spricht auch von der Würde der Lehrer). Auch heute, 2014, gibt es sehr viel in dem jungen Staat für die Gewerkschaft zu tun. Das Bildungswesen ist stark unterfinanziert, die Schulen schlecht ausgestattet, die Klassen bis vierzig Schüler stark. Schulpflicht besteht bis zur 9. Klasse (Grundschule), dem schließt sich die 10. -12./13. Klasse an, entweder gymnasiale Ausbildung oder berufliche Bildung, wobei es eine berufliche Ausbildung in der Praxis mangels Industrie nicht gibt.
Welche Fragen standen im Mittelpunkt des Kongresses?
- Was war die Stellung der Lehrkräfte vor fünf Jahren und wo stehen wir heute?
- Wie waren die Arbeitsbedingungen damals und wie sind sie jetzt?
- Welchen Status haben Lehrerinnen und Lehrer in der Gesellschaft?
- Wie ist das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern?
- Wie steht es um die Kranken- und Rentenversicherung der Lehrkräfte?
- Wie erreichen wir eine Angleichung der Gehälter in den Kommunen im Land?
- Wie kann man die Wirkungsweise der Gewerkschaft erhöhen?
- Wie können wir zur Fort- und Weiterbildung der Lehrer mehr beitragen?
- Wie kann man die Beziehungen zur Bildungsinternationale und den ausländischen Gewerkschaften voranbringen?
Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften
Die Vertreterin des kosovarischen Unterrichtsministeriums mahnte in ihrem Grußwort viele Aufgaben an – so u.a. die dringend notwendigen weiteren Qualifizierungen der Lehrer. (Lehrer über 50 brauchen das nicht, benötigen aber dringend Fortbildungen zum neuen Lehrplan). SBASHK hat bisher mehr als 2.000 Lehrerinnen und Lehrer in Trainingszentren geschult und wird diesen Prozess fortsetzen. Die Gewerkschaft bemüht sich dabei um Programme, die internationalen Standards entsprechen. So gibt es u.a. ein Projekt „Stärkung der Rolle der SBASHK in der Bildungspolitik - SBASHK und Kosovo-Bildungs-Zentrum“, welches 2015 endet. Der Nutzen für die Lehrer aus diesem Weiterbildungsprogramm ist doppelt: Stabilisierung und Sicherung des Arbeitsplatzes sowie ein Gehalt, dass sich nach der Qualifizierung orientieren soll.
Lehrergewerkschaft für qualitative Bildung
Wie dringend notwendig Fort- und Weiterbildungen sind, zeigen auch die kürzlich stattgefundenen massiven Studentenproteste an der Universität von Pristina, die die akademische Qualifikation des Rektors und vieler Professoren anzweifeln. Die Weiterbildungen sollen auch Voraussetzungen für einfachere Übergänge zu anderen Bildungssystemen europäischer Länder schaffen. Kosovo bemüht sich dabei insbesondere um die Angleichung von Programmen mit seinen Nachbarn Albanien und Montenegro. SBASHK ist ein wichtiger Teil in diesem Prozess. Die Gewerkschaft will zur Schaffung eines positiven Bildes von Lehrern beitragen, sie bemüht sich um die Schaffung von Räumlichkeiten für qualitative Bildung und um eine effektive Schule, damit die Absolventen der Schulen auf dem lokalen und internationalen Arbeitsmarkt bestehen können.
Lehrkräfte im Kosovo schlecht bezahlt
Ein wichtiges Thema des Kongresses war die schlechte Bezahlung der Lehrkräfte. Erneut wurde versichert, dass ab 1. April 2014 die Lehrergehälter angehoben werden sollen. Dies war in Verhandlungen mit dem Bildungsminister bereits 2013 vereinbart worden, auch die Frage eines entsprechenden Tarifvertrages für Lehrer steht zur Diskussion. Doch wie groß die Erhöhung ausfallen wird, ist ungewiss – bei einem durchschnittlichen Lehrergehalt von bisher ca. 300 Euro wird es in jedem Fall zu wenig sein, um eine Familie ernähren zu können. Bei allen Problemen, die im Kosovo zu meistern sind, ist es wichtig, dass gerade im Bildungsbereich eine gut funktionierende Gewerkschaft existiert und arbeitet. In Anwesenheit internationaler gewerkschaftlicher Gäste aus sechs europäischen Staaten wurde die Arbeit von SBASHK gewürdigt, so auch in der Grußadresse der GEW durch Jürgen Fischer.
Kein Generationenwechsel im neuen SBASHK-Vorstand
Der bisherige langjährige Präsident, Ali Shabanaj, der einen nicht unerheblichen Anteil an der positiven Entwicklung der SBASHK in den vergangenen Jahren hatte, stellte sich nicht erneut zur Wahl, da er in Pension geht. Aus drei Kandidaten wurde von den Delegierten Rrahman Jasharaj zum neuen Präsidenten gewählt. Damit besteht die neue Leitung von SBASHK erneut aus drei Männern über sechzig Jahren. Jüngere und Frauen hatten keine Chance, was Berufsanfänger und weibliche Lehrkräfte wenig motivieren dürfte, in die Gewerkschaft einzutreten und mitzuarbeiten. Doch darüber wurde leider nicht diskutiert.