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Harte Strafen in Belarus

Gewerkschafter müssen lange ins Gefängnis

Die ILO hat ein Verfahren gegen Belarus eingeleitet, weil das Regime Gewerkschafter*innen verfolgt. Dazu Fragen an Lizaveta Merliak von der belarusischen Exil-Organisation Salidarnast Association.

Lizaveta Merliak (Foto: Salidarnast Association)

Die Internationale Arbeitsorganisation ILO hat ein Verfahren gegen Belarus eingeleitet, weil das Regime von Alexander Lukaschenko weiterhin Gewerkschafter*innen verfolgt und inhaftiert. Dazu Fragen an die Gewerkschafterin Lizaveta Merliak von der belarusischen Exil-Organisation Salidarnast Association.

  • E&W: Die ILO verabschiedete eine Resolution nach Artikel 33 ihrer Verfassung gegen Belarus. Was bedeutet das für euren Kampf für freie Gewerkschaften in Belarus?

Lizaveta Merliak: Die Entscheidung zeigt, dass die Welt der Arbeit auf unsere Situation in Belarus schaut und sie als extrem einstuft. Artikel 33 wurde in der Geschichte der ILO erst einmal angewendet. Das war im Jahr 2000 gegen Myanmar, als die dortige Militärdiktatur Land Zwangsarbeit praktizierte. In unserem Land herrscht Lukaschenko seit 28 Jahren. Und er war immer gegen freie Gewerkschaften. Diese Historie ist es, die zu der Entscheidung der ILO geführt hat – nicht allein die Verhaftung von führenden Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern im Jahr 2022.

  • Im April 2022 hat das Regime in Belarus die freien Gewerkschaften zerschlagen. Wie viele Gewerkschaftsangehörige sitzen aktuell im Gefängnis?

Wir haben eine Liste mit über 45 Gewerkschaftsmitgliedern, die im Moment in Haft sind. Unglücklicherweise wird die Liste immer länger. Manche Fälle sind herzzerreißend. Da gibt es eine Mutter von zwei Kindern, ein Kind ist zehn Monate alt, das andere sechs Jahre. Sie wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.

  • Was wisst ihr über die Lage in den Gefängnissen?  

Es ist kein Geheimnis, dass in Belarus die Inhaftierten gezwungen sind zu arbeiten, sechs Tage pro Woche, etwa in der holzverarbeitenden Industrie. Die medizinische Versorgung ist sehr eingeschränkt. Wir wissen von vielen politischen Gefangenen, die älter als 70 Jahren sind. Drei von ihnen haben die höchsten Haftstrafen erhalten: Vatslau Areshka muss für acht Jahre ins Gefängnis. Vasil Berasneu wurde zu neun Jahren verurteilt, Hennadz Fiadynich ebenfalls zu neun Jahren. Ihr Gesundheitszustand ist schlecht. Zwei von ihnen haben nur noch eine Niere, weil sie an Krebs erkrankt sind. Und es gibt keine medizinischen Check-ups. Deren Familien dürfen ihnen Medikamente schicken – aber nur, was der Gefängnisarzt verschrieben hat.

  • Wie unterstützt Salidarnast verhaftete Gewerkschaftsmitglieder?  

Wir besuchen die Familien der Verfolgten und die Familien der politischen Gefangenen. Wir sammeln Informationen über die Gefangenen, damit die Welt von ihnen erfährt. Wir sammeln Infos über das, was in Belarus passiert. Und wir organisieren Kampagnen. Außerdem haben wir einen Solidaritätsfond. Wir bekommen Spenden und teilen sie mit den Familien, deren Angehörige in Haft sind.

  • Was können Gewerkschaften in Deutschland tun, um Salidarnast im Kampf für Belarus zu helfen?

Deutsche Gewerkschaften haben schon viel für uns getan. Dafür sind wir dankbar. Wir verdanken es dem DGB, dass wir in Deutschland sind und von hier aus unseren Kampf fortsetzen können. Jetzt nach der ILO-Entscheidung sollten deutsche Gewerkschaften ihre Verbindungen zu den Arbeitgeberverbänden und zum Arbeitsministerium nutzen. Um Einfluss auf die Bundesregierung auszuüben. Damit diese wiederum alle Möglichkeiten nutzt, Einfluss auf die Regierung von Belarus auszuüben – mit dem Ziel, die Gefangenen frei zu bekommen, für den politischen Wechsel, für Demokratie.

Auch könnte man untersuchen, ob es weiterhin deutsche Firmen gibt, die - trotz der Sanktionen - in Belarus Geschäfte machen. Außerdem ist es wichtig, all denen zu helfen, die das Land verlassen müssen. Und dann gibt es eine Solidaritäts-Kampagne der Online-Plattform LabourStart. Sie hat die Überschrift „Gewerkschaftsarbeit ist kein Extremismus!“, und wir freuen uns über jeden, der unterschreibt.