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Tarifvertrag Gesundheitsschutz

Für gute Arbeit und gegen den Fachkräftemangel

Die GEW Berlin fordert kleinere Klassen, um Lehrkräfte zu entlasten. Um dies verbindlich festzuschreiben, will sie einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz aushandeln. Dies trifft auf breite Unterstützung – allerdings nicht beim Senat.

Streik der Berliner Lehrkräfte am 29. Juni 2022 für mehr Gesundheitsschutz und kleinere Klassen (Foto: Christian von Polentz).

Die GEW Berlin streikt seit Monaten für kleinere Klassen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen. Dazu gingen bereits Tausende Lehrkräfte wiederholt auf die Straße. Mit der Forderung nach kleineren Klassengrößen sollen die Arbeitsbedingungen für Lehrerinnen und Lehrer und konkret deren Gesundheitsschutz verbessert werden. Eine Befragung der GEW Berlin unter angestellten Lehrkräften hatte gezeigt, dass die Klassengröße das wirksamste Mittel bei der Senkung der Arbeitsbelastung ist.

Verbindliche Regeln wichtig

Der Gesundheitsschutz der Pädagoginnen und Pädagogen ist also das Hauptargument der Berliner Gewerkschaft, um kleinere Klassen zu erreichen. Um diese wirksam und verbindlich durchzusetzen, braucht es indes verbindliche Regeln. Die GEW Berlin verlangt daher einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz. Im Juni 2021 forderte sie den Senat des Stadtstaates erstmals zu Verhandlungen über einen solchen Vertrag auf.

„Wenn weniger Kinder in einer Klasse unterrichtet werden, müssen mehr Lehrkräfte eingestellt werden, um die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten.“ (Oliver Brüchert)

Ein TV Gesundheitsschutz würde zudem nicht nur die Arbeitsbedingungen von Lehrkräften verbessern, weil diese entlastet würden. Durch den Effekt eines Tarifvertrages ginge der Senat auch gegen den massiven Fachkräftemangel vor. „Wenn weniger Kinder in einer Klasse unterrichtet werden, müssen mehr Lehrkräfte eingestellt werden, um die Unterrichtsversorgung zu gewährleisten“, erklärt Oliver Brüchert, Tarifkoordinator beim GEW-Hauptvorstand.

Streit über Lehrkräftemangel

Der Lehrkräftemangel ist derweil auch Zankapfel zwischen Senat und GEW Berlin. Die rot-grün-rote Koalition argumentiert, die Forderung nach weniger Schülerinnen und Schülern in den Klassen sei „unrealistisch“, weil es nicht genug Lehrkräfte für mehr Klassen gebe.

„Hätte die Koalition ihr Versprechen gehalten und wie vereinbart ab 2018 jedes Jahr mindestens 2.000 Lehrkräfte ausgebildet, hätten wir zum neuen Schuljahr grob gerechnet rund 6.600 Lehrkräfte mehr.“ (Anne Albers)

Die Gewerkschaft hält dagegen und sieht genau hier das Versäumnis: „Hätte die Koalition ihr Versprechen gehalten und wie vereinbart ab 2018 jedes Jahr mindestens 2.000 Lehrkräfte ausgebildet, hätten wir zum neuen Schuljahr grob gerechnet rund 6.600 Lehrkräfte mehr“, betont die Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik der GEW Berlin, Anne Albers. „Unsere Forderung nach kleineren Klassen könnte problemlos erfüllt werden.“ Ohne bessere Arbeitsbedingungen wird sich der Fachkräftemangel ihrer Einschätzung dagegen noch weiter verschärfen.

Gestritten wird darüber hinaus über eine Art Formfrage: Berlins Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) begründet seine ablehnende Haltung, über einen TV Gesundheitsschutz zu verhandeln, mit einem Verbot des Arbeitgeberverbandes TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder). Die GEW wiederum ist der Meinung, der Senator verstecke sich hinter der TdL.

„Die Arbeitsbedingungen in den Schulen werden immer schlimmer, wie auch der extrem hohe Krankenstand beweist.“ (Tom Erdmann)

Dabei schienen sich beide Seiten lange Zeit einig. Vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Jahr 2021 hatten fast alle Parteien in ihren Programmen für kleinere Klassen plädiert. Umgesetzt wurde dieses Ziel dann aber nicht. „Im Gegenteil: Die Arbeitsbedingungen in den Schulen werden immer schlimmer, wie auch der extrem hohe Krankenstand beweist“, sagt der Vorsitzende der GEW Berlin, Tom Erdmann.

Breite Solidarität mit GEW-Forderungen

Unterdessen zieht das Engagement der GEW Berlin immer weitere Kreise. Auch Eltern sowie Schülerinnen und Schüler, aber auch Sozialarbeiterinnen und -arbeiter sowie Erzieherinnen und Erziehe solidarisieren sich mit der Forderung nach einem zahlenmäßig besseren Verhältnis von Lernenden und Lehrenden. Das breite Bündnis „Schule muss anders“ demonstriert inzwischen Seite an Seite mit der Bildungsgewerkschaft. Das zeige, „wie sehr sich unsere Stadtgesellschaft bessere Bedingungen in den Schulen wünscht“, sagt Albers.

„Für den Bildungsbereich hätte ein solcher Tarifvertrag Vorbildcharakter.“ (Oliver Brüchert)

Brüchert verweist derweil auch auf die Erfolge anderer Gewerkschaften und Branchen. „So hat auch ver.di bereits an einigen Kliniken Entlastungstarifverträge abgeschlossen, die eine bessere Personalausstattung vorsehen. Für den Bildungsbereich hätte ein solcher Tarifvertrag Vorbildcharakter“, betont er.