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#Mehr Pädagog*innen für die Frühe Bildung

Fachkräfte, dringend gesucht

Die Fachkräfte in der Frühen Bildung brauchen dringend Entlastung. In dem 15-Punkte-Papier #Mehr Pädagog*innen für die Frühe Bildung formuliert die GEW Maßnahmen, mit denen die Arbeitsbedingungen verbessert werden können.

Die Frühe Bildung braucht eine ausreichende Finanzierung und gute Personalausstattung. Dafür muss die Politik jetzt die Weichen stellen. (Foto: IMAGO/Jochen Tack)

Mit Einführung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr eines Kindes 2013 wurde der Ausbau der Kindertageseinrichtungen vorangetrieben. Gut zehn Jahre später sind 4,09 Millionen Kinder in einer Kindertagesbetreuung gemeldet. Die Bedarfe sind jedoch immer noch bei weitem nicht gedeckt. Für die westlichen Bundesländer ist der Ausbau weiterhin eine große Herausforderung. Gleichzeitig sehen sich Teile der östlichen Bundesländer mit Schließungen von Einrichtungen aufgrund eines Mangels an Kindern konfrontiert.

Die Auswirkungen des Fachkräftemangels wiederum sind schmerzlich spürbar – insbesondere in den Familien und bei den pädagogischen Fachkräften. Prognosen der Bertelsmann Stiftung zufolge wird der Mangel bis 2030 immer größer. Allein im Jahr 2025 werden bundesweit etwa 113.700 Fachkräfte fehlen. Der gesetzliche Anspruch auf einen Ganztagsplatz im Grundschulalter ab 2026 wird diese prekäre Situation zusätzlich verschärfen.

Erwartung an die pädagogische Arbeit enorm gestiegen

Neben der gesellschaftlichen Anerkennung als Bildungsort ist auch die Erwartung an die pädagogische Arbeit enorm gestiegen. Ein Besuch der Kita soll neben dem positiven Einfluss auf die Biografie eines Kindes ebenso einen kompensatorischen Effekt mit Blick auf den Abbau sozialer Ungleichheiten haben. Doch um diesen Anspruch und insbesondere den gesetzlichen Auftrag nach Sozialgesetzbuch (SGB) VIII, Paragraf 1 – das Recht jeden Kindes auf Förderung seiner Entwicklung und seiner Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit – gerecht zu werden, braucht es passende Rahmenbedingungen.

Neben dem quantitativen Ausbau werden dringend  Investitionen des Bundes in die strukturelle Qualität benötigt. Dabei darf der Betreuungsanspruch nicht gegen das Recht auf Bildung ausgespielt werden. Beides ist notwendig. Denn: Allein bei den Zugängen zu einem Betreuungsplatz werden armutsgefährdete und Familien mit Zweitsprache Deutsch strukturell benachteiligt. Dies bedeutet, dass gerade die Kinder, die besonders profitieren könnten, oft keinen Zugang zu früher Förderung haben – trotz des gesetzlichen Anspruchs.

Häufig schließen Frauen die Betreuungslücken

Der Fachkräftemangel führte teilweise dazu, dass zuletzt Familien aufgefordert wurden, die Inanspruchnahme der Kita einzuschränken, um die Not im System zu lindern. Der daraus resultierende gesamtgesellschaftliche Effekt ließ nicht lange auf sich warten: Häufig sind es die Frauen, die die Betreuungslücken schließen und sich insbesondere mit der Herausforderung und der Belastung durch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konfrontiert sehen. Das ist eine nicht hinnehmbare Verlagerung der Verantwortlichkeiten und Verteilung der Last auf die bereits am stärksten belasteten Teile der Gesellschaft – Kinder, ihre Familien und auch Menschen, die in sozialen und Care-Berufen tätig sind. Das wurde während der Covid-19-Pandemie nur zu deutlich.

Trotzdem bleibt festzuhalten: Das Arbeitsfeld der Frühen Bildung hat in den vergangenen Jahrzehnten einen beeindruckenden Wandel vollzogen. Es kann nicht oft genug betont werden, wie resilient das System der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung sich bisher gezeigt hat – dank vieler engagierter Fachkräfte in den Einrichtungen.

Jetzt müssen andere liefern. Die Weichen für eine nachhaltige Bildungspolitik müssen neu gestellt werden – im gesamtgesellschaftlichen Interesse und insbesondere für die Heranwachsenden, die zu selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten unserer demokratischen Gesellschaft gebildet werden sollen. 

15-Punkte-Papier #Mehr Pädagog*innen für die Frühe Bildung

Bildung, Betreuung und Erziehung können nur mit moti­vierten, kompetenten und gesunden Fachkräften gestemmt werden. Arbeitgeber tragen dafür in besonderer Weise Verantwortung. Ein systemisches, betriebliches Gesundheits-und Qualitätsmanagement muss in der Organisationsstruktur nachhaltig verankert werden. Hierzu zählt auch die räumliche und sächliche Ausstattung der Arbeitsorte.

Die Leitung einer pädagogischen Einrichtung hat für die Qualität der pädagogischen Arbeit, Personalfürsorge, Team­arbeit und Vernetzung in den Sozialraum die Schlüsselfunk­tion. Leiter*innen brauchen umfassende Zeitkontingente für die Leitungstätigkeit sowie Entlastung von den Verwal­tungsaufgaben. Es muss ein eigenes Berufsbild etabliert werden, verbunden mit qualifizierenden Angeboten, einer systematischen Einarbeitung und der Möglichkeit, sich kon­tinuierlich fort- und weiterzubilden. Zugangsvoraussetzung für die (Weiter-)Qualifizierung als Leiter*in muss sein, dass jemand bereits als pädagogische Fachkraft in der Praxis tätig war.

Pädagog*innen sind in hohem Maße bereit, sich weiterzu­bilden. Die zusätzlichen Qualifikationen haben bisher jedoch kaum Einfluss auf eine bessere Bezahlung und/oder den beruflichen Aufstieg. Dabei erhöhen Weiterentwicklungs­möglichkeiten und klare Karrierewege die Attraktivität des Arbeitsfeldes nachhaltig. Horizontale und vertikale Ausdifferenzierungen bieten pädagogischen Fachkräften viele Möglichkeiten, ihre Fach­kompetenzen zu erweitern und sich in bestimmten Bereichen zu spezialisieren. Deshalb müssen diese strukturell verankert und tariflich bezahlt werden.

Bereits in den ersten Berufsjahren verlassen zu viele Fach­kräfte das Arbeitsfeld der Frühen Bildung. Vielfach erleben Kolleg*innen eine massive Diskrepanz zwischen den unzurei­chenden zeitlichen Ressourcen für ihre pädagogische Arbeit und ihrem professionellen Selbstverständnis. Kolleg*innen, die lange im Beruf sind, reduzieren aufgrund der hohen Anforderungen im Alltag ihre Arbeitszeit. Die Lösung ist ein Kita-Qualitätsgesetz, das bundeseinheitliche Strukturen schafft und die Rahmenbedingungen für alle Beschäftigten und die Kinder nachhaltig verbessert.

Die Bezahlung bei freien Trägern ist höchst unterschiedlich. Sie liegt teils weit unter den tariflichen Standards bei den Kommunen. Die unterschiedliche Bezahlung für die gleiche Tätigkeit ist nicht hinnehmbar. Um umzusteuern, ist eine auskömmliche Ausfinanzierung der freien und öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe notwendig. Politische Entscheidungsträger*innen müssen bei der Übertragung der Aufgaben an die Träger sicherstellen, dass die Beschäftigten nach Tarif bezahlt werden. Die Tariftreue ist in Rahmenverein­barungen zu regeln. Die GEW fordert den Tariflohn für alle.

Wir brauchen gut ausgebildete und motivierte Fachkräfte. Der Abschluss als staatlich anerkannte*r Erzieher*in muss eine generalistische Qualifizierung bleiben – auf dem Niveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR). Die Ausbildung muss endlich für alle kostenfrei werden.

Die staatliche Anerkennung qualifiziert für den Einsatz in den Arbeitsfeldern der Kindertageseinrichtungen, der Kinder- und Jugendarbeit, den Hilfen zur Erziehung sowie sozialpädago­gischen Tätigkeiten in der Schule. In den Debatten um einen bundeseinheitlichen Rahmen für die Qualifikation zum/zur staatlich anerkannten Erzieher*in schlägt die GEW vor, die Qua­lifikationsformen der Fachschulen zu stärken und verbindliche Mindeststandards einzuführen. Dazu gehört auch die enge Ver­zahnung zwischen den Lernorten Fachschule und Fachpraxis. Die praxisintegrierte Ausbildung (PiA) hat sich bewährt und ist weiter auszubauen. Es braucht eine dauerhafte Ausbildungs­offensive mit einer verlässlichen Finanzierung des Lebens­unterhalts der Lernenden. Es gilt, Quereinstiege zu fördern, Umschulungen zu unterstützen und damit die berufsbeglei­tende Ausbildung zu ermöglichen.

Vernetzte, verlässliche Systeme zwischen den Fachschulen und den Praxislernorten sind notwendig. Studierende müs­sen gut und zuverlässig begleitet werden. Häufig fehlt es den Einrichtungen aber an Ressourcen für die Anleitung. Deshalb muss die Praxisanleitung ausreichend Zeit erhalten sowie qualifiziert und für ihre besondere Tätigkeit entlohnt werden. Tarifliche Anreize verknüpft mit Funktionsstellen sind wichtig. Fachkräfte in Ausbildung dürfen nicht auf den Personalschlüs­sel einer Einrichtung angerechnet werden.

Der Bedarf an Lehrkräften an sozialpädagogischen Fachschu­len wächst stetig. Jedoch bieten nur wenige Bundesländer das grundständige Lehramtsstudium in der beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik an. Die GEW fordert Bund und Länder auf, die Kapazitäten der Studiengänge bundesweit deutlich zu erhöhen.

Der Lehrkräftemangel führt dazu, dass nicht grundständig ausgebildete Lehrkräfte die Ausbildung der Erzieher*innen übernehmen. Die GEW fordert deshalb, dass die nicht grund­ständig ausgebildeten Lehrkräfte gezielt nachqualifiziert werden. Eine gute Qualifikation zukünftiger Fachkräfte hängt maßgeblich von den Lehrenden ab.

Familienzentren sind die Kita der Zukunft. Sie sind im So­zialraum vernetzt und begreifen Multiprofessionalität als Ressource zur Qualitätsentwicklung.

Multiprofessionelle Teams ermöglichen unterschiedliche Perspektiven auf die Lebensrealität der Kinder. Dafür braucht es fundierte pädagogische Konzepte, die partizipativ entwi­ckelt und gelebt werden. Gemeinsame Teamtage, Fortbildun­gen und angemessene Räumlichkeiten sind für ein Gelingen unerlässlich. Starke Teams, die gemeinsam an einem Strang ziehen, verhindern eine fachliche Überforderung. Sie erhö­hen die Motivation und das Selbstvertrauen aller Fachkräfte nachhaltig.

Frühe Bildung profitiert von akademisch ausgebildeten Pädagog*innen. Deshalb setzt sich die GEW seit Jahren für mehr Studiengänge der Kindheitspädagogik ein. Sie fordert die öffentlichen Arbeitgeber auf, ausgewiesene Stellen zu fördern, die auch für akademisch ausgebildete Fachkräfte Anreize schaffen, in der Frühen Bildung zu arbeiten. Die Trä­ger der Kinder- und Jugendhilfe müssen eine Refinanzierung erhalten, die es ihnen ermöglicht, entsprechende Funktions­stellen zu schaffen.

Die Anerkennung der Abschlüsse, die Fachkräfte im Ausland erworben haben, muss erleichtert und beschleunigt werden. Spracherwerb und erforderliche Weiterqualifizierungen die­ser Fachkräfte müssen berufsbegleitend angeboten werden. Dafür sind ausreichende Zeitkontingente bereitzustellen. Ein bundesweites Curriculum für die Nachqualifizierung ist wichtig, um deren Qualität zu sichern.

Zunehmend werden Hilfskräfte ohne pädagogische Ausbil­dung ins System geholt. Sie können die Arbeit pädagogi­scher Fachkräfte begleiten und unterstützen, diese jedoch nicht ersetzen. Die persönliche Eignung verbunden mit individuellen Kompetenzen können eine Bereicherung für die Kinder sein. Eine Gruppenleitung darf den Hilfskräften nicht übertragen werden. Neben einer Basisqualifikation muss sichergestellt sein, dass die Nichtfachkräfte eine kon­sistente Anleitung und berufsbegleitende, qualifizierende Weiterbildungen erhalten. Nonformal und informell erwor­bene Kompetenzen sind zu berücksichtigen und in Anerken­nungsverfahren zu legitimieren. Egal ob multiprofessionell oder multifunktional: Es braucht Zeit für Reflexion und gut geleitete Teamprozesse.

Digitale Medien sind fester Bestandteil der kindlich Lebenswelt. Um Kindern einen kompetenten Umga Medien von Anfang an zu vermitteln, bedarf es gute Konzepte, medienpädagogisch geschultes Personal und entsprechende Ausstattung mit Geräten. Fachkarrieren der Medienpädagogik zu eröffnen, ermöglicht neue Perspektiven für Erzieher*innen und stärkt die frühkindliche pädagogische Angebotsvielfalt.

Politik muss dringend in die strukturelle Qualität der früh­kindlichen Bildung investieren, denn diese ist maßgeblich für eine gute Kita.

Die GEW fordert deshalb eine bessere Fachkraft-Kind-Rela­tion. Konkret für Kinder, die jünger als ein Jahr sind, von 1:2, für Ein- bis Dreijährige von 1:3 und für Dreijährige bis zum Schulbeginn von 1:8. Außerdem muss ausreichend Zeit für die mittelbare pädagogische Arbeit berücksichtigt werden: Mindestens 25 Prozent sind in die Fachkraft-Kind-Relation einzuberechnen. Zusätzlich sind jährlich zehn Fort- und Wei­terbildungstage für den Besuch von Seminaren und internen Teamentwicklungsprozessen notwendig. Die hierfür benö­tigten Personalkapazitäten müssen zusätzlich bereitgestellt werden.

Die GEW fordert, dass Leitungskräfte für ihre Aufgaben stärker von der pädagogischen Arbeit mit den Kindern freige­stellt werden, insbesondere für die pädagogische Leitung des Teams. Um fachliche Qualitätsprozesse adäquat zu unter­stützen, ist es erforderlich, einen gesetzlichen Anspruch auf Fachberatung zu verankern.

Den Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung der Kinder im Grundschulalter hat der Gesetzgeber in Paragraf 24 des Achten Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) verankert. Er wird ab dem Jahr 2026 stufenweise eingeführt. Dies ist ein wichtiges bildungs-, familien- und sozialpolitisches Vorhaben von Bund, Ländern und Kommunen. Damit eine qualitativ gute Umset­zung des Rechtsanspruchs gelingt, müssen die räumlichen Voraussetzungen und eine gute Ausstattung sichergestellt sowie viele zusätzliche Pädagog*innen eingestellt werden. Die GEW fordert, dass dieses Großprojekt jetzt mit aller Kraft vorangetrieben wird. Die Bildungsgewerkschaft hat 15 Maßnahmen vorgeschlagen, damit der Start in die ganztägige Bildung der Kinder klappt.