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Krise der Demokratie

Digitalisierung: Primat der Demokratie

Digitalisierung und Demokratie im Bildungsbereich müssen sich nicht gegenseitig ausschließen. Doch das geht nur, wenn die Grundrechte der Lehrenden und Lernenden gewahrt werden.

Foto: Pixabay / CC0

Digitalisierung – eigentlich ein technischer Vorgang – mutiert derzeit zur one-size-fits-all-Lösung gesellschaftlicher Probleme. Sie wird beworben als Mittel gegen soziale Ungleichheit, für Chancengleichheit, Teilhabe, Nachhaltigkeit und Diversität. Mitte März argumentierte beispielsweise die BITKOM als Verband der Digitalwirtschaft gemeinsam mit dem Bundeselternrat und der Bundesschülerkonferenz für ein „Recht auf digitale Bildung“ - unter anderem mit Chancengleichheit und Inklusion.

Doch eine vermeintlich neutrale Technik als Lösung gesellschaftlicher Probleme zu sehen, fordert eine demokratisch gestaltete digitale Transformation heraus und wendet sie stattdessen technokratisch. Die GEW zeigt andere Wege auf und macht sich für eine demokratiefördernde Bildung in der digitalen Welt und Grundrechte der Lehrenden und Lernenden im digitalisierten Bildungsbereich stark.

Einfluss der IT-Wirtschaft zurückdrängen

Die Vermessung der Welt dringt in den Bildungsbereich vor. Auch dieser wird zunehmend „datafiziert“, also durch Sammlung und Verarbeitung von Daten und Informationen messbar und nutzbar gemacht. Eine Rolle spielt dies bei Prüfungen, Lernstanderhebungen und dem Einsatz der Lern-Apps. Lernen wird dabei in immer kleinere, messbare Lernschritte unterteilt.

Aufhorchen ließen die Empfehlungen der Ständigen wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Weiterentwicklung der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. Hierin positioniert sich die SWK deutlich für eine Messbarmachung und „Datafizierung“. Deshalb richtete die GEW Ende 2021 die Stellungnahme „Bildung nach Corona: Für eine demokratische und inklusive Digitalisierung“ an die KMK.

In dem Papier werden die reine Anwendungsbezogenheit kritisiert und ein Primat des technisch Machbaren befürchtet: „Betriebswirtschaftliche Effizienzkriterien und zweckrationales Denken werden in der heutigen Gesellschaft auf immer mehr Bereiche ausgedehnt – auch auf Lernprozesse im Bildungsbereich. Diese ökonomische Landnahme des Bildungsbereichs kritisieren wir.“

Die Empfehlungen der SWK haben sich bei der KMK bislang nicht durchgesetzt, aber das Thema ist längst nicht vom Tisch. Die Vermessung der Bildung ist hoch umstritten. Dies unterstreicht ein Positionspapier der „Initiative Bildung und digitaler Kapitalismus“, veröffentlicht in der Zeitschrift Medienpädagogik, das die GEW unterstützt. „Potenziale“ digitaler Technologien müssten hiernach „demystifiziert“ und der wachsende Einfluss der IT-Wirtschaft im Bildungsbereich kritisch reflektiert werden.

Medienkompetenz bekämpft Fake News

Die im Februar veröffentlichte GEW-Stellungnahme zur Initiative Digitale Weiterbildung der KMK betont die zentrale Rolle von Medienkompetenz. Wissen über die gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen der Digitalisierung sowie die Fähigkeit, das eigene Medienhandeln kritisch zu reflektieren, sind wesentliche Bausteine einer Demokratiebildung. So können demokratieherausfordernde Fehlentwicklungen wie Fake News bekämpft werden.

Demokratiefördernde Bildung „fragt nicht nur nach Problem und Lösung, weil es nicht nur einen technokratischen Weg zur Lösung gibt. Junge Menschen sollten lernen, sich innerhalb unterschiedlicher politischer, ethischer und moralischer Konzepte zu positionieren“, heißt es in der GEW-Stellungnahme „Bildung nach Corona“.

„Digitale Grundrechte“ ins Zentrum rücken

Basierend auf einem Gewerkschaftstagsbeschluss der GEW von 2021 soll ein mitgliederorientierter Diskussionsprozess starten, der die „digitalen Grundrechte“ im Bildungsbereich ins Zentrum setzt.

Ziel ist es, eine Debatte darüber anzustoßen, wie fundamentale und demokratische Grundrechte wie Datenschutz, Persönlichkeitsrechte, Meinungsfreiheit und Teilhabe im digitalen Zeitalter gesichert werden können. Zu den Vorschlägen gehören das Recht über die eigenen Daten selbst zu bestimmen, das Recht auf Vergessenwerden und das Recht auf Offenlegung der Kriterien für „datafizierte“ Entscheidungen, die das eigene Lernen oder auch die eigene Bildungslaufbahn betreffen.