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Ausbildungsplatzbilanz

Die Talfahrt setzt sich fort

Die neue Berufsbildungsbilanz zeigt: Ohne Reformen geht es mit der betrieblichen Ausbildung weiter bergab.

Der Fachkräftemangel in Deutschland ist groß. Dennoch bilden die Unternehmen nach wie vor zu wenig Nachwuchs selbst aus. (Foto: IMAGO/IlluPics)

Der Schein trügt: Während einige Wirtschaftsverbände und auch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) bereits „Lichtblicke auf dem Ausbildungsmarkt“ sehen, setzt sich die Talfahrt der Ausbildungsplatzbilanz fort. Zwar wurden nach den aktuellen Daten für das laufende Ausbildungsjahr mit 489.200 Neuverträgen 14.000 mehr (plus 3 Prozent) abgeschlossen als im Vorjahr. Gemessen an dem Niveau von 2019 vor Ausbruch der Corona-Pandemie ist dies jedoch noch immer ein Minus von 35.900 Verträgen (minus 6,8 Prozent).

„Von Normalität auf dem Ausbildungsmarkt gibt es noch keine Spur“, warnt deshalb DGB-Vize Elke Hannack. Sie verweist darauf, dass von den jungen Menschen, die sich im vergangenen Jahr für eine Ausbildung interessiert haben, nur 68,9 Prozent zum Zuge kamen. Als „Ausbildungsinteressierte“ gelten in der amtlichen Statistik diejenigen, die entweder einen Vertrag unterschrieben haben oder von den Arbeitsagenturen als „ausbildungsplatzsuchend“ registriert wurden. Laut der Bilanz gab es zum gesetzlichen Stichtag 30. September 2023 insgesamt 63.700 „erfolglos suchende Nachfrager“. Das heißt, dass mehr als jede bzw. jeder Zehnte keine Stelle fand. Zugleich blieben aber bundesweit 73.444 Ausbildungsplätze in den Bereichen Handel, Handwerk, Verwaltung und freie Berufe unbesetzt. Dies ist eine neue Rekordzahl.

Gründe der „Passungsprobleme“

Die Gründe für die zunehmenden „Passungsprobleme“ auf dem Ausbildungsmarkt sind seit Jahren bekannt. Zum einen sind sie wegen der unterschiedlichen Wirtschaftskraft, aber auch der unterschiedlichen demografischen Entwicklung der Schülerabgangszahlen regional bedingt. In Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen kamen im vergangenen Jahr auf 100 Bewerberinnen und Bewerber mindestens 105 Angebote. Dagegen gab es neben den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg auch in den Bundesländern Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein für 100 Bewerberinnen und Bewerber deutlich weniger als 100 Angebote. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann vor dem Hintergrund des Grundgesetzartikels 12 (freie Berufswahl) das Angebot dann als ausreichend bezeichnet werden, wenn auf 100 Bewerberinnen und Bewerber mindestens 112,5 freie Plätze kommen.

Doch neben regionalen Problemen kommen sachliche hinzu. Die schulischen Anforderungen an die Auszubildenden sind erheblich gestiegen – zugleich aber auch die Wünsche und Vorstellungen der Jugendlichen in Bezug auf ihren künftigen Beruf. Vor allem Gastronomie, Lebensmittelhandwerk sowie -einzelhandel haben nach wie vor große Nachwuchsprobleme. Besonders betroffen sind dabei Berufe, die auch im jährlichen Ausbildungsreport der DGB-Jugend auffällig häufig negativ bewertet werden. Neben Verstößen gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz werden unklare Arbeitszeiten, viele Überstunden, schlechte Bezahlung und geringe Aufstiegschancen beklagt.

Auch Abiturienten unter abgelehnten Bewerbern

Mehr als ein Drittel der 63.700 Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben, hat einen Mittleren Schulabschluss. Diese Gruppe ist unter den Bewerberinnen und Bewerbern die größte. Von den abgewiesenen jungen Menschen haben zudem 30 Prozent (19.000) einen Hauptschulabschluss. Zugleich gibt es aber auch Abiturientinnen und Abiturienten sowie Schulabgängerinnen und -abgänger mit Fachhochschulreife unter den erfolglosen Bewerberinnen und Bewerbern.

Seit Jahren gibt es Vorschläge, um die Berufsbildung zu reformieren. Dazu gehören Verbesserungen beim Übergang von der Schule in den Beruf durch eine individuelle und verlässliche Berufsorientierung sowie die frühzeitige Berufsberatung in der Schule. Auch muss die gesetzliche „Ausbildungsgarantie“ für Jugendliche ohne Lehrstelle nachgebessert werden. Sie greift bisher nur in „unterversorgten“ Regionen.

Aber auch die Unternehmen sind in der Pflicht, wieder mehr betriebliche Ausbildungsplätze anzubieten, wenn das einst so stolze System der dualen Berufsausbildung von Betrieb und Berufsschule auch in Zukunft Bestand haben soll. Als erstes Bundesland hat Bremen einen verbindlichen umlagefinanzierten Ausbildungsfonds eingeführt, in den alle Betriebe einzahlen und mit dem die ausbildenden Unternehmen entlastet werden. Grundlage dafür war ein Gutachten renommierter Wirtschafts- und Arbeitsmarktforscher und Juristen. Doch mehrere Arbeitgeberverbände in der Hansestadt haben bereits Verfassungsklage gegen das Gesetz angekündigt.