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Sparhaushalt

Bei der Kindergrundsicherung zu sparen, ist das falsche Signal

Der Sparhaushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) stößt auf heftige Kritik. Die GEW warnt davor, bei der Kindergrundsicherung zu sparen.

Der Plan, bei der Kindergrundsicherung zu sparen, stößt auf Kritik (Foto: GEW/Shutterstock).

Als „völlig falsches Signal“ hat die GEW bewertet, dass die Finanzierung der geplanten Kindergrundsicherung im Haushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) offenbar nicht geklärt sei. Laut Familienministerin Lisa Paus (Grüne) sind jährlich zwölf Milliarden Euro nötig, um die Kindergrundsicherung gut auszufinanzieren.

„Das größte sozialpolitische Projekt der Bundesregierung droht dem Sparkurs des Finanzministers zum Opfer zu fallen.“ (Maike Finnern)

„Das größte sozialpolitische Projekt der Bundesregierung droht dem Sparkurs des Finanzministers zum Opfer zu fallen. Dabei braucht die Gesellschaft endlich eine klug finanzierte Kindergrundsicherung, um Perspektiven für Kinder und Jugendliche zu schaffen sowie ihnen Bildungserfolge und Teilhabe zu ermöglichen. Das gilt insbesondere für Kinder aus armen Familien“, sagte GEW-Vorsitzende Maike Finnern.

Die Leistungen für Kinder müssten nicht nur gebündelt, sondern auch solide finanziert werden, um die ebenso richtigen wie ambitionierten Ziele, die an die Kindergrundsicherung geknüpft sind, zu erreichen.

Jedes fünfte Kind von Armut bedroht

Gut jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut bedroht. „Diese erschreckende Zahl macht deutlich, wie dringend ein umfassender Handlungsbedarf ist. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung dazu bekannt, mit der Kindergrundsicherung bessere Chancen für Kinder und Jugendliche zu schaffen und mehr Kinder aus der Armut zu holen. Dass nun ausgerechnet auch bei dem größten sozialpolitischen Projekt der Bundesregierung offenbar der Rotstift angesetzt werden soll, ist verantwortungslos“, betonte Finnern.

Schlechterer Zugang zu Bildung

Laut Zahlen der Bertelsmann Stiftung waren 2022 drei Millionen Kinder und Jugendliche, die jünger als 18 Jahre sind, von Armut bedroht. Das entspricht einem Anteil von 21,6 Prozent. 1,55 Millionen der 18- bis 24-jährigen Menschen sind gefährdet.

Arme Kinder haben einen schlechteren Zugang zu Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, es mangelt an Chancengleichheit. Oft leben sie in zu kleinen Wohnungen und können Freizeitmöglichkeiten weniger nutzen als Kinder aus finanziell besser gestellten Familien.

Der von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geplante Bundeshaushalt für das Jahr 2024 erreichte am Montag, 4. Juli die öffentliche Debatte und soll noch am Mittwoch, 5. Juli im Bundeskabinett beschlossen werden. Nach der Sommerpause wird der Haushalt im Bundestag diskutiert und beschlossen.

Was ist die Kindergrundsicherung?

Bisher gibt es verschiedene Leistungen für Familien mit Kindern. Beispielsweise das monatliche Kindergeld oder den Kinderzuschlag für Menschen mit geringen Einkommen. Die Leistungen müssen aber teilweise bei verschiedenen Behörden auf unterschiedlichen Wegen beantragt werden - oft ist Familien gar nicht bewusst, dass sie einen Anspruch haben.

Nach Schätzungen des Bundesfamilienministeriums erreicht der Kinderzuschlag nur etwa jedes dritte anspruchsberechtigte Kind. Rechnerisch gehen demnach etwa 1,5 Millionen Kinder leer aus. Die neue Kindergrundsicherung soll dieses Chaos bündeln - und die staatlichen Leistungen für Kinder und Familien einfacher und übersichtlicher machen.

Und warum ist sich die Regierung bei dem Projekt nicht einig? 

Wenn alle berechtigten Familien ihnen zustehende Leistungen auch erhalten, wird das mehr Geld kosten. Das ist weitgehend unstrittig.

Darüber hinaus wollen aber vor allem die Grünen in der Ampel durchsetzen, dass Leistungen auch erhöht werden, um mehr gegen Kinderarmut im Land zu tun. Finanzminister Christian Lindner (FDP) pocht dagegen darauf, nach den teuren Corona- und Inflations-Entlastungspaketen die Staatsausgaben wieder stärker zu begrenzen und verweist auf bereits erfolgte Erhöhungen bei Bürgergeld, Kindergeld und Kinderzuschlag.

Unabhängig vom Finanzstreit wie soll die Kindergrundsicherung aussehen?

Die Kindergrundsicherung soll zwei Bestandteile haben. Einen Garantiebetrag, der für alle Kinder gleich ist, unabhängig davon, wie viel die Eltern verdienen. Er soll mindestens die Höhe des jetzigen Kindergelds, also 250 Euro, betragen. Angedacht ist, dass Kinder, die erwachsen sind, aber noch studieren oder in der Ausbildung sind, diesen Garantiebetrag direkt bekommen. Der zweite Teil richtet sich dann nach dem Elterneinkommen und ist ein Zusatzbeitrag. Je weniger die Eltern verdienen, desto höher soll er ausfallen.

Wie setzt sich der Zusatzbeitrag zusammen?

Der soll das bisherige Kinder-Bürgergeld ersetzen, also das, was Familien im Bürgergeldbezug monatlich für ihre Kinder bekommen. Auch der heutige Kinderzuschlag von maximal 250 Euro, der an Familien geht, die zwar kein Bürgergeld bekommen aber nur sehr wenig Einkommen haben, soll in diesem Zusatzbeitrag aufgehen.

Das gilt auch für Teile des sogenannten Bildungs- und Teilhabepakets. Damit werden Kinder aus ärmeren Familien finanziell bei Musikunterricht, Sportverein oder Klassenfahrten unterstützt. Mit der Kindergrundsicherug soll möglichst eine Anlaufstelle künftig dafür zuständig sein, dass Familien ihnen zustehende Leistungen unbürokratisch erhalten.

Was heißt das praktisch? 

Nach den bisherigen Plänen von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) soll dafür ein digitales Kindergrundsicherungsportal entstehen - also eine Seite, auf der alle Leistungen beantragt werden können. Über einen „Kindergrundsicherungs-Check“ sollen Familien außerdem aktiv darauf hingewiesen werden, dass sie möglicherweise Ansprüche auf weitere Zahlungen haben. Aus der bisherigen Holschuld der Bürger solle eine Bringschuld des Staates werden, so das Familienministerium. Die genaue Höhe der Zahlungen steht - siehe Finanzstreit - noch nicht fest.

Und wann kommt die Kindergrundsicherung?

Die Einführung ist für 2025 geplant. Im Bundeskabinett soll das entsprechende Gesetz nach den Sommerferien auf den Weg gebracht werden. Dann wird klarer, wie das Projekt konkret ausgestaltet wird.

Aber auch das ist nicht das letzte Wort. Wie bei jedem Gesetz wird auch darüber anschließend im Bundestag noch über weitere Details verhandelt, bevor es beschlossen wird.

Quelle: dpa