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UNESCO-Weltbildungsbericht 2020

Coronakrise vertieft Gräben bei Bildung global

Mehr als 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler weltweit konnten aufgrund der Corona-Pandemie nicht zur Schule gehen. Zwei Drittel von ihnen sind noch immer nicht zurück. Die Corona-Krise verstärkt die Ungleichheit beim Zugang zur Bildung.

Leere Flure: Weltweit sind immer noch viele Schulen wegen der Corona-Pandemie geschlossen (Foto: GEW Bildarchiv).

Audrey Azoulay warnte vor den Auswirkungen der Corona-bedingten Schulschließungen in fast 150 Ländern. Bei der Vorstellung des Weltbildungsberichts 2020 am 23. Juni betonte die Generaldirektorin der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) , dass Menschen mit Beeinträchtigungen von der aktuellen Krise besonders belastet seien.Zugehört haben ihr rund 300 Menschen aus mehr als hundert Ländern am eigenen Bildschirm: wegen der Einschränkungen für Versammlungen stellte die UNESCO ihren jährlichen Bildungsbericht erstmal online vor und ließ dabei Fachleute und Betroffene aus der ganzen Welt zu Wort kommen.

Inklusion im Zentrum

Im Zentrum steht in diesem Jahr die Inklusion in der Bildung. 68 Prozent der Länder verfügen über eine Definition von inklusiver Bildung, doch nur 57 Prozent dieser Definitionen beinhalten mehrere marginalisierte Gruppen, heißt es im Bericht. Das heißt, dass nicht ausschließlich Menschen mit Behinderungen berücksichtigt sind, sondern auch die, die wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, ihres Geschlechts oder einfach wegen Armut von Bildungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden. Benachteiligt sind zudem Kinder, die auf der Flucht sind. 17 Prozent der Kinder und Jugendlichen weltweit haben keinen Zugang zu Bildung, schätzt die UNESCO.

Statt Rückkehr droht Kinderarbeit

40 Prozent der ärmsten Länder hätten während der Krise nichts für die an den Rand gedrängten Kinder tun können, berichtete Helen Clark, Vorsitzende des Advisory Board beim Global Education Monitoring Report während der Online-Präsentation. Statt zur Schule zurückzukehren, könnten viele von ihnen in der Kinderarbeit landen, warnte die ehemalige Premierministerin Neuseelands. Lernende in den am wenigsten entwickelten Ländern konnten auch nicht vom Online-Unterricht profitieren, fügte Manos Antoninis hinzu, der Direktor des Weltbildungsberichts, denn nur zwölf Prozent der Haushalte hätten dort überhaupt Zugang zum Internet. Er hob das Engagement der Lehrenden hervor, den Unterricht während der Schulschließungen dennoch für alle aufrecht zu erhalten.

„Unser Prinzip heißt radikale Inklusion.“ (David Moinina Sengeh)

Dabei wurden aus Ländern im Süden der Welt auch Erfolge präsentiert: „Unser Prinzip heißt radikale Inklusion“, erklärte David Moinina Sengeh, seit sechs Monaten Bildungsminister in Sierra Leone. Dass alle für den Schutz der Schulen Verantwortung trügen, habe das Land bereits während des Ebola-Ausbruchs gelernt. Jetzt habe er dafür gesorgt, dass schwangere Mädchen nicht mehr vom Unterricht ausgeschlossen werden. Antony Were, zuständig für Inklusion bei einem Bildungsprojekt im kenianischen Flüchtlingslager Kukuma, berichtete von Hilfslehrern, die Kinder bei Bedarf während der Krise zu Hause aufsuchten.

Eine junge Frau von den Philippinen berichtete, wie sie mit Down-Syndrom gegen alle Erwartungen höhere Schul- und Universitätsabschlüsse geschafft habe und nun als Hilfslehrerin in der Vorschule tätig sei: „Ich musste härter arbeiten“, sagte Brina Kei Maxino, „Menschen mit intellektuellen Einschränkungen werden von Schulen ausgeschlossen. Aber das ist falsch“.

Auch Lehrkräfte brauchen Diversität

Der Mangel an Zutrauen in die Möglichkeiten von Inklusion sei eines der Probleme, bestätigte Antoninis. Er forderte auch bei den Lehrkräften mehr Diversität. Zudem wünsche sich ein Viertel der Lehrkräfte in den OECD-Ländern  Weiterbildungen zu Inklusion. Inklusive Ansätze zum Kernelement der Fortbildung von Lehrkräften, Gelder bereit zu stellen und belastbare Daten für die Planung zu erheben, gehört zu den Empfehlung der UNESCO für das Erreichen des Ziels von inklusiver Bildung für alle.

„Die Ergebnisse des Berichts sollten ein Weckruf für Regierungen sein, ihre Bildungssysteme zu reformieren“, schreibt der Generalsekretär der internationalen Bildungsgewerkschaft Education International, David Edwards, in einem Brief an die Mitgliedsorganisationen vom 23. Juni. Nur mit inklusiver Bildung für alle könne das vierte der Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 erreicht werden: inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung.