Foto: F-SYNTER
Tausende von Sekundarschülern haben am 14. Mai 2013 ihre Gymnasien verlassen, um sich mit ihren Lehrerinnen und Lehrern zu solidarisieren. Sie sind direkt Betroffene der desolaten Lage im Erziehungswesen des westafrikanischen Landes: Überfüllte Klassen, fehlende Lern- und Lehrmittel, alte Schulbänke, auf denen sie sich teilweise zu viert drängen müssen, überforderte Lehrer. Aktuell befürchten sie, dass sie ihre Mittlere Reife und ihr Abitur im Juni nicht werden ablegen können, wenn die Lehrer nicht in ihre Klassenzimmer zurückkehren. Dass die Schüler sich dennoch mit den streikenden Lehrern solidarisieren, ist Tradition in Burkina Faso. Die Schüler kennen die desolaten Zustände an den Schulen und unterstützen deshalb die Forderungen der beiden Lehrergewerkschaften F-SYNTER und SNESS. Die Schülerinnen und Schüler wissen, dass die Regierung sich durch demonstrierende Lehrer allein kaum überzeugen lässt. Deshalb machen sie zusätzlich Druck, weil sie ihre Prüfungen ablegen wollen. Die Regierung kann es sich nur schwer leisten, ein Schuljahr zu verschenken, wie schon mehrfach an den Universitäten geschehen.
Arabischer Frühling in Burkina Faso
Schon im Jahr 2011, während des arabischen Frühlings, gab es Unruhen in Burkina Faso, hervorgerufen durch den Unmut weiter Bevölkerungskreise mit der Politik des seit 1987 regierenden Präsidenten Blaise Compaoré. Die Regierung sah sich gezwungen, den Ausnahmezustand auszurufen. In dieser instabilen politischen Lage war die Regierung plötzlich bereit, den Gewerkschaften Gehör zu schenken. So konnten die Lehrergewerkschaften F-SYNTER und SNESS im Mai 2011 mit Stolz verkünden, das die Regierung ihrer Minimalplattform bildungs- und tarifpolitischer Forderungen zugestimmt hatte. Diese enthält eine Reduzierung der Klassengrößen, die Neueinstufung pädagogischer Betreuer an weiterführenden Schulen, die Festlegung der Altersstufenvergütung und die Erhöhung des Wohngeldes für Lehrkräfte sowie Zahlungen für Prüfungskorrekturen.
Minimalforderungen der Gewerkschaften
Heute, zwei Jahre später, hat die Regierung von den schriftlichen Zugeständnissen kaum etwas erfüllt. Der Zorn der Lehrerschaft im Lande ist daher groß. Doch um die katastrophale Bildungssituation in Burkina Faso zu ändern, müsste die Regierung nach Ansicht der Lehrergewerkschaften nicht nur diese Minimalforderungen erfüllen, sondern grundlegende Maßnahmen ergreifen. Dazu gehören vollständige Schulgeldfreiheit, Neubau von Schulen, Schaffung von menschenwürdigen Lebens- und Arbeitsbedingungen für Lehrer, Schüler, Studenten und die Garantie demokratischer Freiheiten überall im Bildungsbereich.
Streik für bessere Bildung
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, hatten die Bildungsgewerkschaften in Burkina Faso am 10. Mai 2013 zum Streik aufgerufen. Dem gemeinsamen Streikaufruf von F-SYNTER und SNESS folgten viele Lehrer der Höheren Schulen und Universitäten. In der Hauptstadt Ouagadougou zog ein großer Protestmarsch zum Ministerium. Dort übergaben die Gewerkschaftsvorsitzenden BARRO und DEMBELE dem Minister ihre Protesterklärung und forderten die Regierung auf, unverzüglich ihre Zusagen in die Tat umzusetzen. Sie betonten, dass allein das Ministerium für die schlechte Situation und Stimmung an Schulen und Universitäten verantwortlich sei.
Verhandlungen mit der Regierung
Der Protest von Lehrern und Schülern zwang die Regierung zum Handeln. Sie schloss die Schulen, beraumte eine Versammlung der Schulleiter an und erklärte sich zu neuerlichen Gesprächen mit F-SYNTER und SNESS bereit. Die Gespräche dauern momentan noch an. Der explosive Ausbruch von Zorn und Frust der Schüler ist Zeichen dafür, dass die Jugend in Burkina Faso nicht mehr bereit ist, wie es die Tradition fordert, Älteren und Autoritäten gegenüber respektvoll zu schweigen, sondern ihr Recht auf eine gute Bildung und eine eigene Lebensperspektive lautstark einfordert. Die Jugendlichen wissen, dass die Unterstützung für ihre Lehrer massiven Druck auf die Regierung ausübt und sie sind über die sozialen Netzwerke gut informiert über die revolutionären Vorgänge in Nordafrika 2011. Die Regierung Blaise Compaoré tut gut daran, den Weg endlich frei zu machen für positive Veränderungen im Land.