Personal- und Betriebsratsarbeit
Auf der Suche nach Kompromissen
C‘est fait – es ist vollbracht. Die Französische Schule in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf hat seit einem Jahr einen Betriebsrat. Lehrer François Besançon brachte diesen geduldig mit Unterstützung der GEW auf den Weg.
Als Besançon vor zwei Jahrzehnten dank eines Erasmus-Programms zum Studium nach Deutschland kam, schwirrte im Kopf des heute 41-Jährigen noch nicht der Gedanke herum, eines Tages der Motor zur Gründung eines Betriebsrats einer Schule sein zu wollen. Das änderte sich auch nicht, als er 2021 nach dem „Umweg“ über verschiedene deutsche Schulen an der Französischen Schule in Düsseldorf seine berufliche Heimat fand.
Doch in ihm schlummerte immer schon das Bedürfnis, sich für Gerechtigkeit und damit auch für andere einzusetzen. „Ich habe in meinem frühen Leben Ungerechtigkeiten erleben müssen. Ich weiß, wie ohnmächtig man sich mitunter fühlen kann“, erzählt er. Am Arbeitsplatz Schule allerdings sollte es fair zugehen, sollten die Interessen beider Seiten – sowohl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch der Arbeitgeber – Beachtung finden, ist er überzeugt.
„Es ist ein unschätzbarer Vorteil, wenn man sich an die GEW wendet. In unseren Landesverbänden arbeiten erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die im Betriebsverfassungsgesetz fachkundig sind.“ (Ulrich Kröpke)
Besançon vertiefte sich in die Geheimnisse hiesiger Gesetze. „500 Stunden habe ich mit Sicherheit aufgebracht. Allein schon, um die komplizierten juristischen Formulierungen zu verstehen“, berichtet er. Er besuchte eine Online-Schulung. Hier lernte er Ulrich Kröpke kennen. Der Bielefelder, der sich seit Jahrzehnten gewerkschaftlich engagiert, berät bis zum heutigen Tag den Hauptvorstand der GEW bei Fragen rund um das Thema Betriebsräte. Vielleicht hätte ein früheres Kennenlernen Besançons das Durchdringen des juristischen Dschungels und die Gründung des Betriebsrats erleichtert. „Es ist ein unschätzbarer Vorteil, wenn man sich an die GEW wendet. In unseren Landesverbänden arbeiten erfahrene Kolleginnen und Kollegen, die im Betriebsverfassungsgesetz fachkundig sind“, so Kröpke.
Der ehemalige Lehrer weiß um die Hürden, die es vor Gründung der Interessenvertretung zu überspringen gilt. Mit Blick nicht nur auf die Französische Schule in Düsseldorf, an der rund 70 Lehrkräfte mehr als 600 Schülerinnen und Schüler bilden, meint er: „Viele Schulleitungen wissen nichts vom Recht auf einen Betriebsrat. Sie sind sich nicht immer bewusst, dass für Ergänzungsschulen, die von einem Verein betrieben werden, das hiesige Betriebsverfassungsgesetz und nicht die französischen Regeln gelten.“ Als entscheidenden Unterschied zwi-schen beiden wertet er, dass im Nachbarland die Informationspflicht der Arbeitgeber im Vordergrund stehe, während in Deutschland der Einfluss der Betriebsräte größer sei.
Viel Überzeugungsarbeit
Nach der intensiven persönlichen Vorbereitung hieß es für Besançon zunächst einmal, Aufklärungsarbeit an seiner Schule zu leisten. Er führte viele Gespräche mit der Schulleitung, dem Kollegium sowie dem Trägerverein. Er leistete Überzeugungsarbeit. Möglicherweise öffnete ihm dann aber seine Haltung die Türen. „Wir wollen unsere Schule nicht gegen die Wand fahren, sondern die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahren, ohne die des Arbeitgebers aus dem Blick zu verlieren. Es geht um gemeinsame Wege und Kompromisse, ein Gleichgewicht zu finden“, sagt er. Als Beispiele nennt er faire und korrekte Gehaltseinstufungen, den Umgang mit Krankmeldungen, aber auch eine passgenaue Ausschreibung der Stellen. „Am Ende sprechen wir immer über die korrekte Umsetzung der existierenden Gesetze und Fairness“, ergänzt der heutige Betriebsratsvorsitzende.
An seiner dritten Station als Lehrer in Schwerin, an der er erstmals Teil eines Schulleitungsteams war, hat er erlebt, welche Bedeutung das für das Klima an einer Schule hat. Er stand in der Verantwortung für den Vertretungsplan und beobachtete parallel einen extrem hohen Kranken-stand. „Gibt es einen Zusammenhang?“, fragte er sich und bemühte sich um eine faire Vertretungslösung („Nicht immer die Gleichen“). Der Krankenstand sank. Heute glaubt Besançon, die Ursache dafür in der ausgewogeneren Zusatzbelastung gefunden zu haben, „ohne dass ich das nachweisen kann“. Aber er ist überzeugt: „Der Dialog ist maßgebend.“
Betriebsklima verbessert sich
Wenn dieser gelingt, erfüllt der Betriebsrat eine ganz wesentliche Aufgabe und nutzt dem Arbeitgeber auch, weiß Kröpke: „Dann läuft alles harmonischer. Das Betriebsklima verbessert sich. Wenn zum Beispiel Schwachstellen im Workflow aufgezeigt und geklärt werden können, führt dies zu einer stärkeren Identifikation der Arbeitnehmenden mit ihrem Unternehmen‘ und zu engagierterem Arbeiten.“ Er weist auf wichtige Grundsätze des Betriebsverfassungsgesetzes hin: Ab fünf volljährigen und dauerhaft Beschäftigten sind Betriebsräte zu wählen; alle Beschäftigten dürfen wählen; die regelmäßige Amtszeit beträgt vier Jahre.
Die Mitglieder des Betriebsrats sind ehrenamtlich tätig und genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Dafür werden sie unter Lohnfortzahlung von ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt. Der Betriebsrat kann während der Arbeitszeit Sprechstunden einrichten und hat in jedem Kalenderquartal eine Betriebsversammlung einzuberufen.
„Der einzelne Arbeitnehmende wird durch den Betriebsrat in der Wahrnehmung seiner Interessen unterstützt.“
Arbeitgeber und Betriebsrat sollen sich mindestens einmal im Monat besprechen und haben darüber zu wachen, dass die Betriebsangehörigen keine Benachteiligung am Arbeitsplatz erleiden. Um Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beizulegen, ist bei Bedarf eine Einigungsstelle zu bilden. Wichtig ist Kröpke ein weiterer Aspekt: „Der einzelne Arbeitnehmende wird durch den Betriebsrat in der Wahrnehmung seiner Interessen unterstützt.“
Dieses Ziel teilt Besançon. Er weiß, dass mit der Gründung des Betriebsrats an der Französischen Schule erst ein, wenn wohl auch der entscheidende Schritt gegangen ist: „Wir müssen noch unsere ,Marke‘ finden, beide Seiten aufklären und bei ihnen Vertrauen in uns wecken.“
1. Wer kann einen Betriebsrat gründen?
Grundsätzlich können alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Betriebsrat gründen. Zur Gründung reichen drei Beschäftigte. Mindestens fünf Beschäftigte müssen im Betrieb wahlberechtigt sein. Von ihnen müssen drei die Voraussetzung zur Kandidatur erfüllen. Will die Betriebsleitung die Gründung verhindern, macht sie sich übrigens strafbar.
2. Wer wählt den Betriebsrat?
Alle Beschäftigten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und am Tag der Wahl im Betrieb angestellt sind. Auch Teilzeitbeschäftigte und Leiharbeitnehmerinnen bzw. Leiharbeitnehmer gehören dazu, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb arbeiten oder arbeiten sollen.
3. Wer kann als Betriebsrätin bzw. Betriebsrat kandidieren?
Alle Kolleginnen und Kollegen, die länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt, wahlberechtigt und über 18 Jahre alt sind, können sich in den Betriebsrat wählen lassen.
4. Wann kann ich einen Betriebsrat gründen?
In Betrieben ohne Betriebsrat kann eine erstmalige Wahl jederzeit durchgeführt werden. Bei bestehenden Betriebsräten wird alle vier Jahre gewählt (2022 und dann wieder 2026). Die erste Amtszeit kann sich deshalb manchmal verkürzen oder verlängern.
5. Wie organisiere ich eine Betriebsratswahl?
Zuerst muss ein Wahlvorstand gebildet werden. Er ist das Gremium, das die Wahl durchführt. Der Wahlvorstand besteht mindestens aus drei wahlberechtigten Kolleginnen bzw. Kollegen. Er muss immer aus einer ungeraden Zahl von Mitgliedern bestehen. Mindestens drei wahlberechtigte Kolleginnen bzw. Kollegen laden zu einer Betriebsversammlung ein und machen Vorschläge zur Zusammensetzung des Wahlvorstands. Die Mehrheit der Anwesenden kann den Wahlvorstand nun wählen.
6. Wie führe ich die Betriebsratswahl durch?
Es gibt zwei Möglichkeiten für Betriebe, in denen bisher noch kein Betriebsrat existiert: das normale und das vereinfachte zweistufige Wahlverfahren. Beim normalen Wahlverfahren ist grundsätzlich eine Listenwahl durchzuführen. Beim vereinfachten zweistufigen Verfahren findet immer eine Personenwahl statt. Hier ist zudem die Frist zwischen der Wahl des Wahlvorstands und der des Betriebsrats kürzer. Welches Verfahren im Betrieb zulässig ist, hängt von der Größe des Betriebs ab:
5 bis 100 wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer: vereinfachtes zweistufiges Wahlverfahren.
101 bis 200 wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer: normales Wahlverfahren oder Vereinbarung mit dem Arbeitgeber, das vereinfachte Verfahren durchzuführen.
Mehr als 200 wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen bzw. Arbeitnehmer: normales Wahlverfahren.
7. Ich bin im Betriebsrat! Was nun?
Der Betriebsrat hat einige Aufgaben. Er wacht darüber, dass Tarifverträge, Verordnungen, Gesetze und Betriebsvereinbarungen eingehalten werden. Er hat in vielen Fragen Mitspracherechte. Eine Kündigung ist ohne seine Anhörung nicht wirksam. Wenn der Betrieb umstrukturiert oder Personal abgebaut werden soll, handelt der Betriebsrat einen Sozialplan aus. Und mit einer starken Gewerkschaft im Rücken bekommt er bei all dem Hilfe und Unterstützung.
Quelle: DGB