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Personal- und Betriebsratsarbeit

Auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern

Personal- und Betriebsräte tragen eine große Verantwortung, denn sie vertreten die Interessen aller Beschäftigten. Sie schützen Kolleginnen und Kollegen vor Benachteiligung und Willkür. Eine Kollegin und zwei Kollegen berichten.

Olaf Bogdan kämpft mit Leidenschaft für bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der städtischen Kitas in Dresden. (Foto: Matthias Rietschel)

„Zuhören und Mut machen“

Olaf Bogdan, Vorsitzender des Personalrats des städtischen Eigenbetriebs Kindertageseinrichtungen in Dresden

Olaf Bogdan wurde am Marburger Bibelseminar zum Erzieher und Gemeindediakon ausgebildet – und manchmal, so sagt er, habe auch seine Tätigkeit als Personalratsvorsitzender der kommunalen Kitas in Dresden einiges mit Seelsorge zu tun. „Viele Kolleginnen und Kollegen, die zu mir kommen, packen erstmal ihren Rucksack der Belastungen aus“, erzählt er. „Dann sortieren wir ihre Gedanken und helfen ihnen, einen Lösungsweg zu finden. Sie brauchen jemanden, der ihnen sagt: Das musst du dir nicht gefallen lassen.“ Dieser Teil des Personalratsjobs sei ähnlich wie die Seelsorgearbeit der Kirchen: „Zuhören und Mut machen. Die Kommunikation fördern.“

Dresdens städtischer Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen ist einer der größten im Osten: 172 Kitas, fast 3.500 Beschäftigte. Bogdan kennt sich dort bestens aus. 2005 begann der heute 43-Jährige, der aus Eberswalde stammt, in einem Dresdner Grundschulhort zu arbeiten. Später leitete er vertretungsweise eine Kita. Schon damals lernte er viele GEW-Kolleginnen und -Kollegen kennen. Im Tarifkonflikt 2009 ging er mit ihnen auf die Straße, seit 2012 ist er freigestellter Personalrat, seit 2014 Vorsitzender. Damals war er mit Anfang 30 einer der Jüngsten. Heute hat er viel Erfahrung und blickt auf manche Erfolge des 17-köpfigen Mitbestimmungsgremiums, in dem die GEW seit langem stärkste Kraft ist.

„Ich bin streitbar. Ich weiß, dass ich den Finger in die Wunde legen muss, damit sich jemand bewegt.“

Dass vor vier Jahren eine Dienstvereinbarung zum Umgang mit Überlastungsanzeigen für Dresdner Kitas eingeführt wurde, gehört dazu. Der Personalrat habe sie vor einer Einigungsstelle durchsetzen müssen. „Wir waren Pioniere“, sagt Bogdan. Noch bedeutender ist eine Verbesserung, die sich derzeit vollzieht: Die Beschäftigten können künftig selbst entscheiden, wie viele Stunden sie arbeiten wollen. Bisher hatte der Eigenbetrieb ein sehr eigensinniges „Flex-Konzept“ betrieben. Unter dem Titel „32 plus X“ konnte der Arbeitgeber kurzfristig anweisen, dass jemand mehr als 32 Stunden arbeiten solle – oder die Stundenanzahl wieder herabsetzen. Das ist bald Geschichte.

Bogdan kämpft mit Leidenschaft für bessere Arbeitsbedingungen, auch als Leiter der GEW-Bundesfachgruppe Sozialpädagogische Berufe. „Ich bin streitbar. Ich weiß, dass ich den Finger in die Wunde legen muss, damit sich jemand bewegt“, sagt er. Konflikte mit dem Arbeitgeber seien für ihn wie ein Rollenspiel, in dem jede Seite ihre Interessen mutig vertreten müsse. „Wichtig ist, sachlich, kooperativ und wertschätzend zu bleiben.“ Gleiches gilt für die Leitung des Personalrats. Seit er einen Generationswechsel mit eingeleitet hat, muss er umso mehr unterschiedliche Positionen und Wünsche bündeln und Diskussionen moderieren. „Aber wir wachsen daran, manchmal Spannungen auszuhalten.“ Es gehört zu seinem Selbstverständnis als Vermittler in Konflikten. Oft reiche schon seine Anwesenheit, sagt Bogdan, damit Beschäftigte und Führungskräfte gut miteinander reden könnten: „Da bin ich das dekorative Element, das für eine gute Gesprächsatmosphäre sorgt.“

Sven Heitkamp, freier Journalist

Franziska Hense vertritt im Hauptpersonalrat der Lehrkräfte beim Bildungsministerium Schleswig-Holstein die Kolleginnen und Kollegen aus Förderzentren, Grund- und Gemeinschaftsschulen. Sie engagiere sich in dem Gremium, weil sie ein hohes Verlangen nach Gerechtigkeit habe, sagt die 32-Jährige. (Foto: studioline photography Kiel)

„Menschen sollen fair behandelt werden“

Franziska Hense, Mitglied im Hauptpersonalrat der Lehrkräfte beim Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Schleswig-Holstein

Ihre eigene Schulzeit war „blöd“, sagt Franziska Hense. Darum wollte die heute 32-Jährige nach dem Abitur selbst Lehrerin werden, um es anders zu machen. Inzwischen füllt das Unterrichten nur noch einen Teil ihrer Arbeitszeit aus: Sie engagiert sich in der GEW und seit den Personalratswahlen im Mai 2023 im Hauptpersonalrat der Lehrkräfte in Schleswig-Holstein. Da sie zuvor keinem Mitbestimmungsgremium angehörte, war es für sie ein Sprung von null auf hundert.

Hense sitzt in der GEW-Landesgeschäftsstelle im Gewerkschaftshaus in Kiel und genießt einen Moment der Ruhe. Sie hat hier ein Büro, denn Anfang Dezember 2023 wurde die Sonderpädagogin zu einer der drei Landesvorsitzenden gewählt. Unterricht an einer Schule mit Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, GEW-Vorsitz und Hauptpersonalrat: „Das klingt nach täglicher To-do-Liste und guter Kalenderführung“, sagt sie und lacht. Das tut die gebürtige Hamburgerin, die in Niedersachsen aufwuchs und in Kiel studierte, gern – die Vielzahl ihrer Aufgaben wäre wohl ohne Spaß an der Sache und dem Willen, Dinge zum Besseren zu ändern, kaum zu bewältigen.

Im Personalrat engagiert sie sich, weil „ich ein hohes Verlangen nach Gerechtigkeit habe“, sagt sie. -„Menschen sollen fair behandelt werden.“ Der Einsatz sei auf jeder Ebene wichtig, an den Schulen genauso wie auf Landesebene. „Wir sind die Kontrollorgane, die dafür sorgen, dass die Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit gut machen können.“ Als Neue im Hauptpersonalrat fühle sie sich wie „im ersten Lehrjahr“ – und sie lerne ständig dazu, berichtet Hense: „Das ist praktisch ein halbes Jura-Studium.“

„Wir sprechen auf Augenhöhe mit dem Ministerium – sowohl mit den Fachabteilungen als auch mit Bildungsministerin Karin Prien (CDU).“

17 Menschen gehören dem Hauptpersonalrat an. Die Aufgaben sind vielfältig: Es geht um Versetzungen, Disziplinarfälle, um mögliche Dienstrechtsverletzungen, Unfälle im Dienst. Hense gehört der Gruppe an, die sich um die Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe, Grund- und Förderschulen kümmert. Einmal pro Woche sitzen alle Mitglieder zusammen und beraten Themen, die für alle Schularten wichtig sind. Der Hauptpersonalrat verhandelt auch landesweit gültige Dienstvereinbarungen: Was gilt im Umgang mit digitalen Endgeräten? Wer muss wann in ein Postfach schauen? „Wir sprechen auf Augenhöhe mit dem Ministerium – sowohl mit den Fachabteilungen als auch mit Bildungsministerin Karin Prien (CDU)“, sagt Hense. Das Ziel sei, zu guten Lösungen zu kommen, zum Wohle aller. Schleswig-Holstein habe bundesweit die weitreichendsten Mitbestimmungsrechte, aber gleichzeitig die geringsten Freistellungen, „viel To-do in sehr wenig Arbeitszeit“, sagt Hense. Das sei aber okay, „ich wusste, worauf ich mich einlasse“.

Esther Geißlinger, freie Journalistin

Michael Ebert arbeitet seit mehr als 20 Jahren in Wohngemeinschaften für Menschen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen. „Es macht Freude, zu sehen, wenn etwas in Bewegung kommt“, sagt der 46-jährige Sozialarbeiter. (Foto: Rolf Schulten)

„Oft müssen wir die Erwartungen dämpfen“

Michael Ebert, Betriebsrat bei einem Träger der Eingliederungshilfe in Berlin

Morgens war Betriebsrat Michael Ebert bei einem Ortstermin in einer Wohngemeinschaft, einer Einrichtung der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. Zehn Bewohnende, sechs Sozialarbeiterinnen und -arbeiter, die tagsüber abwechselnd am Start sind. Theoretisch. Denn seit Monaten fehlt Personal, statt mindestens zwei Fachkräften kann meist nur eine Kraft vor Ort sein. Was tun? Ebert setzt sich mit Team und Leitung zusammen. Auf welche Kernaufgaben können sich alle konzentrieren, ohne die Qualität der Arbeit und die Gesundheit der Mitarbeitenden zu gefährden? Wie kann die Leitung Stellenausschreibungen attraktiver machen, um neue Mitarbeitende zu finden? Ebert: „Solche Beratungen gehören zu unserem Job.“

Eberts Hauptarbeitsplatz liegt in einer Seitenstraße in Berlin-Kreuzberg. Der Sozialarbeiter bittet in ein Konferenzzimmer. „Unser Träger hat 800 Mitarbeitende, wir besuchen alle 50 Einrichtungen mindestens zweimal im Jahr“, erzählt er. Feste Sprechstunden gibt es nicht mehr. „Diese wurden kaum genutzt.“ Nun erfahren Ebert und seine zwölf Betriebsratskolleginnen und -kollegen per Mail oder Telefon von Problemen, bis zu zehn Anfragen kommen pro Monat. Mal fühlen sich Mitarbeitende überlastet oder unfair behandelt, mal bei der Urlaubsplanung übergangen, mal liegen sie im Clinch mit Vorgesetzten. „Wir vermitteln, knifflige Fälle beraten wir im Team.“

„Es macht Freude, zu sehen, wenn etwas in Bewegung kommt.“

Ebert ist über den Zivildienst zur Behindertenhilfe gekommen, seit mehr als 20 Jahren arbeitet der 46-Jährige in Wohngemeinschaften für Menschen mit geistigen oder psychischen Beeinträchtigungen. „Es macht Freude, zu sehen, wenn etwas in Bewegung kommt.“ Und doch wollte Ebert mal etwas Neues ausprobieren, von der Einzelfallbetreuung in die Arbeit an den Strukturen gehen. Seit 2018 ist er nun Betriebsrat.

Die Hauptarbeit läuft in den Ausschüssen. Sieben gibt es davon bei seinem Träger. Ebert packt in dreien mit an. Er handelt beispielsweise Regeln für die Grenzen digitaler Leistungskontrolle oder Zuschüsse für Geräte im Homeoffice aus, zudem entwickelt er Kampagnen, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu zeigen: Das tun wir für euch als Betriebsrat, deshalb sind wir wichtig.

Es ist eine Arbeit der „vielen kleinen Schritte“ – Konzepte schreiben, beraten, verhandeln, dranbleiben – mit „vielen kleinen Erfolgen, nicht dem einen großen Durchbruch“. Erfolge wie die neue Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten, die Beschäftigten das Recht gibt, Arbeitsberichte oder Gruppenvorbereitungen zu Hause zu erledigen, oder der Zuschuss zum Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr. „Und doch müssen wir oft die Erwartungen dämpfen“, sagt Ebert. „Für vieles sind wir einfach nicht zuständig.“ Juristische Beratung zum Arbeitsrecht? Gewerkschaftssache. „Aber wir können bei Konflikten moderieren.“ Lohnverhandlungen führen? Aufgabe der Tarifparteien. „Aber wir überwachen die richtige Eingruppierung – damit angesichts des Fachkräftemangels einem Neuling ohne Studienabschluss nicht der gleiche Lohn angeboten wird wie einem langjährigen Kollegen mit Diplom.“

Anja Dilk, freie Journalistin