Auszubildende in der Krise
Armutsfalle beim Berufseinstieg
Niedrige Ausbildungsvergütungen und mangelnde Tarifbindung belasten junge Menschen finanziell. Experten fordern dringende Maßnahmen zur Verbesserung der Situation.
Während die Inflation 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 6,9 Prozent gestiegen ist, stiegen die tarifliche Ausbildungsvergütung im bundesweiten Durchschnitt um 4,2 Prozent auf durchschnittlich 1.028 Euro. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion hervor. „Die Armutsfalle beginnt bereits beim Einstieg ins Berufsleben. Die Bundesregierung und Arbeitgeber müssen deutlich nachlegen. Sich über Fachkräftemangel beschweren, aber bei der Ausbildungsvergütung sparen – das passt nicht zusammen“ erklärt Ralf Becker, Berufsbildungsexperte der GEW.
„Die Energiepreise erhöhen sich dauerhaft, deshalb ist Energiepauschale ein Tropfen auf den heißen Stein.“ (Ralf Becker)
Neben der Erhöhung der Ausbildungsvergütung würden Auszubildende seit März 2022 durch staatliche Förderung entlastet, so die Bundesregierung. Darunter fallen der Heizkostenzuschuss I in Höhe von einmalig 230 Euro, der Heizkostenzuschuss II in Höhe von einmalig 345 Euro oder die Zahlung einer einmaligen Energiepauschale in Höhe von 300 Euro für einkommenssteuerpflichtige Auszubildende. „Die Energiepreise erhöhen sich dauerhaft, deshalb ist Energiepauschale ein Tropfen auf den heißen Stein,“ urteilt Ralf Becker.
Noch ein Problem: Die tariflichen Ausbildungsvergütungen schwanken zwischen 657 Euro für Friseur*innen, ein eher von Frauen gewählter Beruf, und 1.254 Euro für Zimmerer*innen, ein noch immer fast ausschließlich von Männern gewählter Beruf. An diesem Beispiel zeige sich wie unter einem Brennglas die frauenspezifische strukturelle Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt. „Diese Spannbreite ist durch nichts gerechtfertigt und ein Hinweis darauf, dass auch bei den Ausbildungsvergütungen der Gendergap angegangen werden muss,“ konstatiert Ralf Becker.
„Die tatsächlich gezahlten Ausbildungsvergütungen können im individuellen Fall erheblich vom tariflichen Durchschnittswert des betreffenden Berufs abweichen,“ ist der Bundestagsdrucksache zu entnehmen. Nur rund 50 Prozent der Betriebe sind noch tarifgebunden. Für die meisten Auszubildende bedeutet dies, dass sie weit unter dem tariflichen Durchschnitt vergütet werden. „Wir brauchen in der Ausbildung mehr Tarifbindung und höhere tarifliche Vergütungen, damit die jungen Menschen von ihrer Vergütung leben können,“ stellt Ralf Becker abschließend fest.