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Lehramtsausbildung

Angst vor dem Referendariat

Jährlich brechen Tausende angehende Lehrkräfte die zweite Phase der Lehramtsausbildung, das Referendariat, ab – oder steigen schon vorher aus. Bildungsforscherinnen und -forscher sehen Reformbedarf.

Die Bildungsredaktion des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ hat erst kürzlich über die „Hölle Referendariat“ berichtet. (Foto: Pixabay / CC0)

Es ist ein überraschendes und zugleich bestürzendes Ergebnis, was der bayerische Landesstudierendenrat bei knapp 3.000 Studierenden für das Lehramt an zehn Studienorten herausgefunden hat: 75 Prozent gaben an, sie hätten Angst vor dem anstehenden Referendariat. Als Ursache nennen die Befragten die Bedingungen, unter denen sie arbeiten sollen. Sie kritisieren das bayerische Kultusministerium in drei Punkten: Die Entscheidungen seien intransparent und familienunfreundlich, die Versetzungspolitik sei alles andere als zeitgemäß.

Zu den Daten des Landesstudierendenrats passt eine neue Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe in Bamberg. Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten von insgesamt 2.302 Studierenden ausgewertet, die zwischen 2010 und 2019 ein Lehramtsstudium abgeschlossen haben.

„Im Mittelpunkt stand die Frage, was sie im ersten Jahr nach ihrem Ersten Staatsexamen gemacht haben“, erklärt Sebastian Franz – einer der Studienautoren – von der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Zentrales Ergebnis: 66 Prozent sind innerhalb von zwölf -Monaten in den Schuldienst gegangen, weitere 14 Prozent stiegen ohne Referendariat direkt in den Lehrberuf ein, ein Fünftel der Absolventinnen und Absolventen war allerdings ein Jahr nach dem Ende des Studiums nicht im Lehrberuf tätig. Ein Teil befand sich in Elternzeit, viele entschieden sich aber entweder für ein weiteres Studium oder eine Promotion, waren in einem anderen Beruf tätig oder arbeitslos. In Zeiten des Lehrkräftemangels ist das wahrlich ein alarmierender Befund.

Ein Systemproblem

Die Bildungsredaktion des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ hat erst kürzlich über die „Hölle Referendariat“ berichtet. Neue Lehrkräfte würden zwar überall dringend gesucht, „doch im Referendariat fühlen sich viele von ihren Ausbildern gedemütigt, verzweifeln an ihrer Berufswahl“, beschreibt das Hamburger Blatt die Situation anhand konkreter Fälle. „Ich nehme das Referendariat häufig als völligen Anachronismus wahr“, vertraute Myrle Dziak-Mahler dem Spiegel an. Die Bildungswissenschaftlerin leitete zehn Jahre lang das „Zentrum für Lehrer*innenbildung“ (ZfL) an der Uni Köln.

Die zweite Phase der Lehrkräfteausbildung habe ein Systemproblem: „Das Referendariat ist vor allem eine Zementierung des Alten und verhindert Innovation an den Schulen. Es geht um alte Methoden, es geht um das Fachlehrerprinzip ohne Blicke nach rechts oder links, es geht um den 45-Minuten-Rhythmus“ – alles Regelungen, die im Alltag etlicher Schulen längst überholt seien. Ex-Lehrerin Dziak-Mahler resümiert: „Da zeigt der Apparat seine ganze Macht.“