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WissZeitVG

„50 Prozent Dauerstellen“ – GEW-Jubiläumskonferenz schlägt Wellen

„Gewerkschaft wirkt.“ Dieser Slogan war auf der Bühne der GEW-Jubiläumskonferenz „Zehn Jahre Templiner Manifest“ am 25. November zu lesen.

Foto: Kay Herschelmann

Drei Wochen später haben die Konferenz und die am selben Tag gestartete Petition #Dauerstellen für Daueraufgaben die Berliner Wissenschaftspolitik in Bewegung versetzt. Eine Politikerin und ein Politiker der Großen Koalition haben wichtige GEW-Forderungen aufgegriffen.

SPD-Abgeordnete Esdar: „WissZeitVG abschaffen“

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar, die auch Berichterstatterin ihrer Fraktion für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ist, hat sich für eine „Abschaffung“ des Gesetzes ausgesprochen. Das hat sie mit Jule Specht, Gründungsmitglied des SPD-Netzwerks Wissenschaftspolitik und Professorin an der Humboldt-Universität, im Blog des Bildungsjournalisten Jan-Martin Wiarda ausgeführt.

„Wir müssen das WissZeitVG abschaffen und durch ein neues Gesetz ersetzen: Ein Gesetz für Perspektiven in der wissenschaftlichen Laufbahn“, fordern die beiden Hochschulpolitikerinnen. Konkret sprechen sie sich dafür aus, gesetzlich zu regeln, dass Befristungen allein während der Arbeit an der Promotion erlaubt sein darf. Nach der Promotion fordern sie für jede Anstellung in der Wissenschaft Dauerstellen oder Stellen mit Dauerperspektive über Tenure Track sowie gesetzliche Anreize für die Schaffung von mehr unbefristeter Beschäftigung. Fast gleichlautende Vorschläge hatte GEW-Vize und Hochschulexperte Andreas Keller bereits im März aus Anlass der von der Bildungsgewerkschaft präsentierten ersten Evaluation der WissZeitVG-Novelle von 2016 unterbreitet. 

Damit deutet sich neun Monate vor der Bundestagswahl ein Kurswechsel der Großen Koalition an, die bisher nicht müde wurde zu beteuern, dass über eine weitere WissZeitVG-Novelle erst nach der offiziellen Evaluation entschieden werde. Diese wird voraussichtlich erst 2022 veröffentlicht.

BMBF-Staatssekretär Meister (CDU): 50 Prozent Dauerstellen bei Postdocs

Unterdessen hat auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Michael Meister (CDU), für Aufsehen gesorgt. Auf der Jubiläumskonferenz überraschte er die über den Livestream zugeschalteten Zuhörerinnen und Zuhörer mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für eine der Kernforderungen der GEW-Petition #Dauerstellen für Daueraufgaben: 50 Prozent Dauerstellen beim wissenschaftlichen und künstlerischen Personal neben der Professur. Zumindest für den Postdoc-Bereich sei das eine richtige Zielgröße, sagte Meister.

Grünen-MdB Kai Gehring, auf der Jubiläumskonferenz in der Podiumsdiskussion mit Abgeordneten-Kolleginnen und Kollegen von Union, SPD, FDP und Linke vertreten, nahm das zum Anlass nachzuhaken. Er stellte im Parlament eine schriftliche Frage ans Ministerium, mit der er sich erkundigte, bis wann die von Meister genannte Quote von 50 Prozent erreicht werden solle und mit welchen Projekten die Bundesregierung das im Zusammenspiel mit Ländern und Wissenschaftseinrichtungen erreichen wolle.

Meister selbst ließ es sich nicht nehmen, die Frage persönlich zu beantworten, reagierte aber ausweichend. Erforderlich sei nach Auffassung der Regierung „ein angemessenes Verhältnis von befristeten zu unbefristeten Arbeitsverhältnissen, das den verschiedenen Anforderungen und Dimensionen im Wissenschaftsbereich möglichst gut gerecht wird“. Bei der GEW-Jubiläumskonferenz habe er eine „deutliche Senkung des Anteils an befristeten Beschäftigungsverhältnissen bei promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterhalb der Professur als Zielsetzung genannt“. Die 50 Prozent wiederholte er nicht, was Oppositionspolitiker Gehring gegenüber der Tageszeitung „Neues Deutschland“ prompt als „Rückzug“ geißelte.

GEW-Vize Keller: Reform des Befristungsrechts noch vor Bundestagswahl!

Für die GEW freut sich der stellvertretende Vorsitzende Keller über die Wirkungen, die Jubiläumskonferenz und Petition haben. „Wir haben den Nerv getroffen. Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Laufzeiten, lange und steinige Karrierewege – das ist nicht nur unfair gegenüber den hoch qualifizierten und motivierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, damit kann man auch keine Wahlen gewinnen. Das dämmert langsam Wissenschaftspolitikerinnen und -politikern der Großen Koalition“, stellte er fest.

Er rief Union und SPD auf, noch vor der Bundestagswahl eine weitere Novellierung des WissZeitVG in die Wege zu leiten. „Ob wir das dann eine Abschaffung des Gesetzes in der jetzigen Form oder eine umfassende Reform nennen, ist eher eine akademische Frage“, erklärte der GEW-Vize. „Wir müssen das Befristungsrecht in Hochschule und Forschung vom Kopf auf die Füße stellen, und das heißt: Unbefristete Beschäftigungsverhältnis muss der Normalfall, der Zeitvertrag der – stets gut zu begründende – Ausnahmefall werden. Laufzeiten von Zeitverträgen müssen so gestaltet sein, dass die Qualifizierungsziele erreicht werden können. In unserer Petition fordern wir daher die Ausschöpfung der zulässigen Befristungsdauer von sechs Jahren.“

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierende und andere Hochschulangehörige rief er auf, die GEW-Petition #Dauerstellen für Daueraufgaben mit ihrer Unterschrift zu unterzeichnen. „Mit bereits 5.000 Überschriften haben wir ordentlich Wellen geschlagen. Was wird erst passieren, wenn wir 50.000 haben?“