Zum Inhalt springen

Ein Jahr Aktionsplan „Queer leben“

Queerpolitischer Aufbruch droht zu scheitern

Der Lesben- und Schwulenverband kritisiert den Aktionsplan „Queer leben“ der Bundesregierung scharf. Der GEW-Bundesausschuss Queer schließt sich dem an und hat den offenen Brief des LSVD an Kanzler und Kabinett mitgezeichnet.

Vor knapp zwei Jahren haben SPD, Grüne und FDP mit ihrem Koalitionsvertrag den Lesben, Schwulen und Bisexuellen sowie trans* und intergeschlechtlichen bzw. queeren und asexuellen Menschen (LSBTIQA*) in Deutschland einen queerpolitischen Aufbruch versprochen. (Foto: Pixabay / CC0)

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kritisiert den vor einem Jahr vom Bundeskabinett verabschiedeten Aktionsplan „Queer leben“ als bisher nur unzureichend umgesetzt. In einem am Freitag veröffentlichten Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Bundesregierung, den auch der GEW-Bundesausschuss Queer unterzeichnete, heißt es: „Werden die hierin vereinbarten Maßnahmen nicht endlich finanziell unterlegt, bei der Haushaltsvoranmeldung für 2025 berücksichtigt, und werden die hierin aufgegriffenen Reformen nicht mit Nachdruck umgesetzt, droht er ein Feigenblatt zu werden.“ Entsprechend trägt der Brief, der von einer Onlinepetition begleitet wird, den Titel „Queerpolitischer Aufbruch droht zu scheitern“.

Konkret fordern die Verfasserinnen und Verfasser von Kanzler und Kabinett: 

  • Sorgen Sie für dafür, dass die trans- und interfeindlichen Passagen im geplanten Selbstbestimmungsgesetz gestrichen werden!
  • Legen Sie einen Zeitplan für die Reform des Abstammungsrechts und des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vor!
  • Schließen Sie die Lücken im Gesetz zu Konversionsbehandlungen und im OP-Verbot!
  • Sorgen Sie dafür, dass Sie zusammen mit Linken und Union den Schutz von LSBTIQ* im Grundgesetz verankern! 

Letzteres nennt der LSVD „besonders dringend“ und verlangt, Bundestag und Bundesrat müssten Artikel 3 des Grundgesetzes so ergänzen, dass unstreitig sichergestellt sei, dass sowohl die sexuelle Identität als auch die geschlechtliche Identität unter dem vollumfänglichen Schutz des Grundgesetzes stünden.

„Derzeit erleben wir jedoch einen deutlichen gesellschaftlichen Backlash.“

In dem offenen Brief heißt es weiter: „Nach der Einführung der Lebenspartnerschaft, der anschließenden Öffnung der Ehe und der Einführung eines dritten positiven Geschlechtseintrags hatten wir große Hoffnung, queere Lebensweisen und Identitäten würden nun in all ihrer Vielfalt endgültig Teil gesellschaftlicher Normalität. Derzeit erleben wir jedoch einen deutlichen gesellschaftlichen Backlash.“

„Diese Entwicklungen machen uns Angst.“

Die Autorinnen und Autoren betonen: „Die Akzeptanzwerte zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sinken erstmals seit Jahrzehnten, ‘soziale’ Medien werden gezielt als Resonanzräume für menschenverachtende Queerfeindlichkeit instrumentalisiert, die homo- und transfeindliche Gewalt auf der Straße nimmt merklich und messbar zu. Hinzu kommen die letzten Wahlerfolge der AfD, die sich wiederholt mit queerfeindlichen und rechtsextremen Parolen positioniert. Diese Entwicklungen machen uns Angst.“

Die Position der GEW

„Gleiche Rechte, gleiche Chancen und ein Leben frei von Diskriminierungen für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere Menschen (LSBTIQ*)  – dafür steht die GEW, dafür arbeitet der Bundesausschuss Queer“, kommentierte Frauke Gützkow, GEW-Vorstandsmitglied Geschlechterpolitik. „Wir brauchen Rechtssicherheit beim Selbstbestimmungsgesetz, den Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, insbesondere ein wirksames OP-Verbot, eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, die Schutzlücken schließt und ein Verbandsklagerecht einführt, und die Ergänzung des Grundgesetzes, damit sexuelle und geschlechtliche Identität geschützt werden.“

Das will der Aktionsplan

Der Aktionsplan "Queer leben" soll den Alltag queerer Menschen verbessern und die rechtliche Gleichstellung voranbringen. Im Vorwort heißt es: „Alle Menschen sollen gleichberechtigt, frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben. Damit dies auch für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen (LSBTIQ*) möglich ist, sieht sich die Bundesregierung in der Verantwortung für eine aktive Politik gegen Diskriminierung und für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.“