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26.000 demonstrieren für bessere Eingruppierung

In gleich vier Städten fanden heute Demos und Kundgebungen unter dem Motto "Aufwerten jetzt: Wir bleiben dran!" mit über 26.000 TeilnehmerInnen statt. Gemeinsam setzten die DGB-Gewerkschaften ein deutliches Zeichen für Aufwertung.

Nürnberg

Trotz tropischer Schwüle versammelten sich rund 4.500 Menschen zu einer eindrucksvollen Demonstration am Nürnberger Prinzregentenufer. Darunter viele KollegInnen aus Hessen und Baden-Württemberg, die von ehrenamtlichen KollegInnen aus Bayern begrüßt und mit Fahnen, Luftballons und Trillerpfeifen versorgt wurden. Auch viele Eltern mit ihren Kindern, BürgerInnen und KollegInnen der anderen DGB-Gewerkschaften sind gekommen, um ihre Solidarität zu zeigen.

Die Demonstrierenden zogen hör- und sichtbar durch die Nürnberger Innenstadt zum Kornmarkt, wo am Gewerkschaftshaus die Abschlusskundgebung stattfand. In einer eindrucksvollen Rede machte GEW-Schatzmeisterin Petra Grundmann, selbst Sozialpädagogin, deutlich, dass auch für die Sozialpädagoginnen und Sozialarbeiter dringender Aufwertungsbedarf bestehe, den die Arbeitgeber aber noch nicht sehen würden. „Denn die einen sind im Dunkeln, und die andern sind im Licht, und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.“ Zitierte sie Brechts Dreigroschenoper um zu unterstreichen, dass diese Berufsgruppen eben nicht so in der Öffentlichkeit stehen wie die Kitaberufe. „Wir werden Scheinwerfer sein!“ drohte sie den Arbeitgebern. „Die werden uns nicht mehr übersehen können!“. Grundmann kritisierte die VKA-Behauptung, bei SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen gäbe es keinen Handlungsbedarf. Grundmann, selbst Sozialpädagogin, sagte vor 4.500 Demonstrierenden in Nürnberg: „Die Tätigkeitsmerkmale und Bewertungen wurden seit fast 25 Jahren unverändert fortgeschrieben. In dieser Zeit sind die Anforderungen an die Beschäftigten enorm gewachsen und allein in den Bereichen Schulsozialarbeit, Familienberatung und Flüchtlingshilfe eine Vielzahl neuer Aufgaben entstanden. Eine angemessene Aufwertung ist daher mehr als überfällig!“

Zufrieden und müde zogen die Massen zurück zum Prinzregentenufer, begleitet von Blues-Klängen. Aber es ist kein Abschiedsblues: Die Stimmung ist gut – viele sind sicher, dass wieder gestreikt wird, wenn die nächste Verhandlungsrunde keinen Durchbruch bringt!

Text: Björn Köhler
Fotos: Björn Köhler / Elke Hahn / Eddi Taubert / Joachim E. Röttgers

Köln

Pünktlich mit der Ankunft der zahlreichen Busse am Rheinufer in Köln-Deutz öffnete der Himmel seine Schleusen: Bei strömendem Regen sammelten sich Tausende ver.di-Mitglieder aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und sogar dem Saarland. Das miese Wetter konnte die Stimmung der GewerkschafterInnen nicht wirklich trüben: „Wir haben vier Wochen lang gestreikt – da hält uns ein bisschen Regen nicht auf!“, so der Tenor der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst, die mit ihrer Demonstration in Köln noch einmal ihre Forderung nach Aufwertung ihrer Berufe unterstrichen.

Mit dem Rhythmus von Sambatrommeln und dem Lärm von Tausenden Trillerpfeifen bewegte sich ihr machtvoller Demonstrationszug über die Deutzer Brücke zum Heumarkt in der Kölner Altstadt. Dort wurden sie nicht weniger lautstark von den Kölner ver.dianerInnen sowie Mitgliedern der anderen DGB-Gewerkschaften empfangen. Auch Eltern mit ihren Kindern und andere Unterstützer aus der Region waren gekommen. Alle wuchsen zu einer beeindruckenden Masse von 15.000 TeilnehmerInnen zusammen.

Pünktlich mit dem Startschuss der Kundgebung durch den DGB-Chef der Region Köln-Bonn, Andreas Kossiski, konnten die Schirme zusammengefaltet werden. „Wir sind stolz, dass wir diese Kundgebung ausrichten konnten und Mitglieder von allen acht DGB-Mitgliedsgewerkschaften hier begrüßen können. In der Stadt von Hans Böckler zeigen wir Solidarität“, sagte Kossiski.

Andreas Meyer-Lauber, Vorsitzender des DGB NRW, rief den Versammelten zu: „Alle Gewerkschaften schauen auf euch und euren Arbeitskampf, weil es um ein grundsätzliches Prinzip geht: Gute Arbeit muss gut bezahlt werden und für Frauen wie Männer gilt Equal Pay. Es kann und darf nicht sein, dass Frauen im Durchschnitt fast 20 Prozent weniger verdienen als Männer. Deshalb ist euer Thema auch das Thema aller anderen DGB-Gewerkschaften. Wir unterstützen euch und eure Forderungen!“

Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW in NRW, betonte: „Soziale Arbeit ist Gold wert – sie ist ein Staatsschatz, der bewahrt und gepflegt werden muss.“ Davon sei derzeit aber leider nichts zu spüren. „Die Anforderungen an die Beschäftigten, mehrheitlich Frauen, steigen stetig. Von ihrem Einkommen kann man das nicht sagen. Frauen sind schon lange nicht mehr nur Zuverdienerinnen, sondern oftmals Alleinverdienerinnen. Aber nicht nur sie, für alle Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst gilt: Ihre verantwortungsvolle Arbeit muss mehr Wertschätzung erfahren und angemessen bezahlt werden – und zwar jetzt!“

Hauptredner der Veranstaltung war ver.di-Bundesvorstandsmitglied Achim Meerkamp. Er spann den Bogen der Streiks von Bahn über Post und Handel bis zum Sozial- und Erziehungsdienst: „Alle diese Beschäftigten kämpfen um den Wert ihrer Tätigkeiten. Aber diejenigen, die sich am meisten mit ihrem Beruf identifizieren, seid ihr!“ Nachdrücklich forderte er die Arbeitgeber auf, sich zu bewegen: „Sie müssen endlich begreifen, dass es in unserem Streik nicht um das Erreichen kurzfristiger Verbesserungen geht – hier geht es um die Zukunft unserer Kinder, Enkel und Urenkel. Denn auch die werden einmal qualifizierte Erzieherinnen und Erzieher benötigen!“ Die gesellschaftliche Debatte um frühkindliche Bildung, Inklusion und soziale Arbeit sei eröffnet, so Meerkamp, „Es fehlt nur noch die Aufwertung für diejenigen, die in diesen Bereichen arbeiten.“

Gabriele Schmidt, ver.di-Landesleiterin in NRW, dankte den Versammelten für ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen: „Ihr habt in den letzten vier Wochen großartig zusammen gehalten, habt euch nicht abbringen lassen von euren berechtigten Forderungen. Dafür gebühren euch Respekt und Anerkennung. Ihr habt den Erfolg verdient! Danken möchten wir auch der wachsenden Zahl von Eltern, die verstanden haben, dass es hier um die Zukunft ihrer Kinder geht und uns unterstützen. Im Schlichtungsverfahren wollten wir noch einmal ein deutliches Signal setzen. Das ist uns hier in Köln glänzend gelungen.“

In dieser ausgelassenen, optimistischen Stimmung endete die Kundgebung am frühen Nachmittag. Den strahlenden Sonnenschein gab’s als Belohnung fürs Durchhalten dazu.

Dresden

Norbert Hocke, für Jugendhilfe und Sozialarbeit verantwortliches GEW-Vorstandsmitglied, richtete sich in Dresden vor rund 2.500 Demonstrierenden an die Eltern und dankte ihnen für die Unterstützung und den Rückhalt während der vergangenen Streikwochen. Er mahnte gleichzeitig, dass gerade im Sozial- und Erziehungsbereich der Streik notwendig war. „Wer sich für Interessen anderer einsetzt, muss sich auch für seine eigenen Interessen einsetzen. Nur das ist glaubwürdig!“, sagte Hocke. In Fragen der Finanzierung dürften die Kommunen nicht allein gelassen werden: „Es kann nicht vom Geldbeutel einer Kommune abhängen, welchen Bildungsstandard Kinder erhalten. Bund und Länder müssen stärker in die Verantwortung genommen werden.“

Fotos: Jürgen Seidel, Sven Döring; Fotos und Text außerdem zur Verfügung gestellt durch die Kolleginnen und Kollegen von ver.di

Hannover

Ein starkes Zeichen in Hannover: Bei hochsommerlichen Temperaturen haben 4.000 Menschen auf dem Waterloo-Platz ihre Solidarität mit den Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst gezeigt. Viele von ihnen waren zuvor vom Kulturzentrum Pavillon hinter dem Hauptbahnhof zum Ort der zentralen Kundgebung gezogen. Mit Trommeln, Trillerpfeifen und Sprechchören forderten sie bei ihrem bunten Zug durch die Stadt lautstark eine Aufwertung der sozialen Berufe und unterstützten damit den Arbeitskampf von ver.di und GEW.

Auch kurz vor Beginn der abschließenden Kundgebung auf der Bühne am Waterlooplatz stimmten die DemonstrantInnen immer wieder Sprechchöre an. „Aufwerten jetzt!“ schallte es über die große Rasenfläche unterhalb der steinernen Waterloo-Säule. Die DemonstrantInnen waren aus der Region und dem ganzen Norden nach Hannover gereist, aus Bremen, Hamburg, von der Nordseeküste, aber auch aus Südniedersachsen, Hessen und Sachsen-Anhalt. Es war eine bunte Kundgebung. Viele TeilnehmerInnen trugen rote Warnwesten der Gewerkschaften und hatten auch selbstgemalte Transparente dabei. „Kind ist King“ war da zu lesen. Oder auch: „Wenn du denkst, wir streiken laut, dann komm mal in unsere Kita!“

Helfer verteilten in Hannover kostenlose Wasserflaschen gegen das schwüle Wetter, Schattenplätze waren auf dem Areal im wahrsten Sinne heiß begehrt. Auf der Bühne berichteten ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen aus ihrem Berufsalltag. Sie stellten noch einmal das heraus, was die DemonstrantInnen natürlich längst wussten: Die Arbeit im Sozial- und Erziehungsdienst ist enorm fordernd und überwiegend schlecht bezahlt. Danach rief Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, zur Solidarität mit den Gewerkschaften ver.di und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) auf. Er forderte mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen. Der Bundesvorsitzende der SPD Sigmar Gabriel sprach auch als Vater einer kleinen Tochter und Kita-Gängerin zu den DemonstrantInnen. Er sieht den Bund in der Verantwortung, die Kommunen mit ausreichend Finanzmitteln auszustatten. Einige DemonstrantInnen applaudierten dem Vertreter der Bundespolitik, es gab aber auch Buh-Rufe.

Frank Bsirke, ver.di-Vorsitzender, hielt eine kämpferische Rede, bei der er seine Stimme an ihre Grenzen brachte. Gutes Geld für gute Arbeit, das war der Kern seines Auftritts. Marlis Tepe, Bundesvorsitzende der GEW, freute sich über die Solidarität der anderen Gewerkschaften und sprach von einer historischen Streikaktion. Bei einem überdurchschnittlich hohen Anteil weiblicher Beschäftigter hätte die Aufwertung eine wichtige gesellschaftliche Signalwirkung. „Erzieherin zu sein ist eine sehr anspruchsvolle gesellschaftlich bedeutsame Aufgabe und gleichzeitig ein wahrer Knochenjob – und es ist ein Frauenberuf! Frauen verlangen zu Recht, dass ihre pädagogische Arbeit endlich genauso bezahlt wird wie Facharbeit in anderen Bereichen“, sagte Tepe. „Das Tarifergebnis muss einen Beitrag dazu leisten, dass sich das Einkommen von Frauen und Männern annähert.“ Die Solidarität der anderen Verbände sicherte stellvertretend Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), zu.

Dieser Tag in Hannover hat sicher einiges zur Kampfbereitschaft in der Zukunft beigetragen. Alle hoffen auf eine gute Schlichtung, sind aber im Zweifel für weitere Streiks bereit.

Text: Zur Verfügung gestellt durch die Kolleginnen und Kollegen von ver.di