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Tarifrunde TV-L 2023

Der lange Weg zum Tarifvertrag

Die studentischen Beschäftigten an den Hochschulen machen sich seit langem für einen Tarifvertrag (TV Stud) stark. Sie sind vom Tarifvertrag der Länder (TV-L) ausgeschlossen. Die Chancen stehen gut, dass diesmal Bewegung in die Sache kommen könnte.

Wenn Ende Oktober die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder beginnen, wird es erneut auch um die studentischen Beschäftigten an den Hochschulen gehen. Diese sind mit einer ganz besonders schwierigen Situation konfrontiert, denn für sie gibt es – mit Ausnahme Berlins – bislang keinen Tarifvertrag, im Gegensatz zu anderen Hochschulbeschäftigten.

Diese Tariflücke hat Folgen: niedrige Löhne, unbezahlte Überstunden, Unsicherheit, fehlende demokratische Teilhabe. An vielen Hochschulen gelten die studentischen Beschäftigten nicht einmal als Personal, sondern werden unter „Sachmittel“ geführt. Weil es keine aussagekräftige Statistik gibt, lässt sich ihre Zahl nur anhand von Hochrechnungen schätzen. Demnach sind es mindestens 300.000 Menschen, möglicherweise auch 400.000.

„Die Chancen stehen diesmal so gut wie nie.“ (Ann-Kathrin Hoffmann)

Seit Jahren versuchen die Studierenden sowie GEW und ver.di, dieses Gerechtigkeitsdefizit zu beenden und mit den Länderarbeitgebern zu einem Tarifvertrag zu kommen. Bislang erfolglos. Doch das könnte sich in der bevorstehenden Tarifrunde ändern. „Die Chancen stehen diesmal so gut wie nie“, sagt Ann-Kathrin Hoffmann, Bundessprecherin der Studierenden in der GEW.

In acht Bundesländern steht mittlerweile im Koalitionsvertrag, dass die Landesregierungen sich für einen Tarifvertrag einsetzen, weitere Länder wollen Verbesserungen für die studentischen Beschäftigten. „Das sind zwar erst einmal nur politische Bekenntnisse und man muss schauen, wie weit sie tragen“, sagt Hoffmann, die bei den Tarifverhandlungen mit dabei sein wird. „Aber dass wir diese Bekenntnisse haben, das ist ein absolutes Novum und gibt uns Rückenwind.“

Arbeitgeber noch nicht positioniert

Bei der Tarifrunde im November 2021 kam erstmals seit Jahren richtig Bewegung in die Sache, weil viele studentische Beschäftigte mit Aktionen und Demos öffentlich Präsenz zeigten. So konnten die Gewerkschaften beim Arbeitgeberverband, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), ein erstes kleines Zugeständnis durchsetzen. Die TdL erklärte sich zwar nicht zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag bereit, immerhin aber wurde vereinbart, eine „Bestandsaufnahme über die Beschäftigungsbedingungen der studentischen Hilfskräfte“ zu erarbeiten.

Diese zögerten die Arbeitgeber zunächst hinaus. Der Startschuss für die Bestandsaufnahme fiel erst über ein Jahr nach der Vereinbarung. Derzeit läuft der Prozess noch, die dritte und letzte Gesprächsrunde findet Anfang Oktober statt. Gewerkschaften und studentische Beschäftigte ergriffen deshalb die Initiative und sorgten selbst für eine Bestandsaufnahme. Sie organisierten eine große Befragung, an der über 11.000 Hilfskräfte teilnahmen, und stellten die Ergebnisse den Arbeitgebern vor. „Die Erkenntnisse sind ganz klar“, fasst Hoffmann zusammen, die auch an der Studie mitgewirkt hat. „Die Arbeitsbedingungen sind prekär – und das ist strukturell bedingt.“ Ein Tarifvertrag sowie längere Vertragslaufzeiten bei studentischen Beschäftigungsverhältnissen, auch das zeigt die Studie, wären die wirksamsten Mechanismen, um die Probleme zu beheben.

„Wir haben nicht nur die besseren Argumente, die Studienlage ist eindeutig.“

Bislang haben sich die Arbeitgeber nicht zu den Studienergebnissen positioniert. Das soll erst beim dritten Termin zur Bestandsaufnahme kurz vor Beginn der Tarifverhandlungen für die Länder geschehen. „Dann werden wir sehen, ob die Arbeitgeber ihre Blockadehaltung beenden“, sagt Hoffmann. Erforderlich ist dafür ein mehrheitlicher Beschluss der TdL. Sehr wahrscheinlich ist das nach derzeitigem Stand allerdings nicht. Bislang gibt es von den Arbeitgebern kein Signal, das auf ein „Ja“ zu einem Tarifvertrag für die studentischen Beschäftigten hindeuten würde.

Hoffmann ist dennoch optimistisch. „Wir haben nicht nur die besseren Argumente, die Studienlage ist eindeutig. Wir haben auch viel Strukturaufbau an der Basis geleistet, sodass wir uns erhoffen, noch größeren öffentlichen Druck zu erzeugen, damit aus den politischen Bekenntnissen auch etwas folgt.“

Neben der Tarifierung als wichtigstem Ziel soll es weitere Forderungen für studentische Beschäftigte geben. Welche das im Einzelnen sind, wird derzeit mit einer Befragung dieser Gruppe ermittelt. Dazu gehören höhere Löhne, längere Vertragslaufzeiten, mehr Urlaubstage. „Wir wollen möglichst viele studentische Beschäftigte mitnehmen“, erläutert Hoffmann. Die Befragung läuft bis Ende September. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe der E&W gab es bereits fast 5.000 Fragebögen, die die studentischen Beschäftigten ausgefüllt zurückgeschickt hatten. Die Auswertung soll Anfang Oktober vorliegen. Am 10. Oktober beschließt die GEW-Bundestarifkommission dann, welche Forderungen die GEW mit in die Tarifrunde nimmt.