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Schwächen der Hochschulpolitik

Bildungsbericht legt Finger in die Wunden

„Eine durchgreifende Verbesserung der Qualität der Lehre wird ohne eine nachhaltige Personalkomponente nicht möglich sein.“

Das haben die Autorinnen und Autoren des soeben erschienen Bildungsberichts 2018 den Regierungen des Bundes und der Länder ins Stammbuch geschrieben. GEW-Vize und Hochschulexperte Andreas Keller forderte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) und KMK-Präsidenten Helmut Holter (Die Linke) auf, jetzt „nicht zur Tagesordnung überzugehen, sondern die Weichen für eine aktive Personalpolitik an den Hochschulen zu stellen“.

Der Bildungsbericht wird alle zwei Jahre unter der Federführung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) erstellt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie der Kultusministerkonferenz (KMK) finanziert. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nehmen alle Bildungsbereiche von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung unter die Lupe. Das Kapitel zu den Hochschulen enthält eine Reihe an Befunden, welche die Schwächen der Hochschulpolitik des Bundes und der Länder offenlegen.

Die Betreuungsrelation zwischen Studierenden und Professorinnen und Professoren hat sich verschlechtert.

So kommt der Bildungsbericht zwar zu dem Ergebnis, dass das Personal an Hochschulen parallel zur Zahl der Studierenden gewachsen sei. Allerdings werde ein steigender Anteil der Lehre von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Lehrbeauftragten erbracht. Ein größerer Teil des Personalzuwachses sei außerdem auf Drittmittelprojekte zurückzuführen – Drittmittelbeschäftigte können in der Regel gerade nicht in der Lehre eingesetzt werden. Die Betreuungsrelation zwischen Studierenden und Professorinnen und Professoren habe sich daher sogar verschlechtert. Schonungslos macht der Bericht deutlich, dass wissenschaftliche Positionen neben der Professur ganz überwiegend durch Befristung und Teilzeitbeschäftigung charakterisiert seien. Sogar promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seien „mit beruflicher und sozialer Unsicherheit konfrontiert“.

Bei der Beteiligung an der Hochschulbildung weist der Bildungsbericht „deutliche Disparitäten“ aus. Obwohl der Anteil eines Altersjahrgangs, der ein Studium aufnimmt, in den letzten Jahren stark zugenommen habe, blieben „die sozialstrukturellen Beteiligungsmuster stabil“. Im europäischen Vergleich gehöre Deutschland zu den Ländern mit einem besonders geringen Anteil an Studierenden aus Elternhäusern ohne Hochschulabschluss. Nur drei Prozent der Studierenden haben keine schulische Studienberechtigung (Abitur oder Fachhochschulreife). Sozial selektiv ist nach Angaben des Bildungsberichts nicht nur der Hochschulzugang, sondern auch der Übergang vom Bachelor- ins Masterstudium sowie der Übergang in die Promotion. Frauen sowie Absolventinnen und Absolventen mit Eltern ohne Hochschulabschluss begännen seltener ein Promotionsvorhaben. Beim Übergang ins Masterstudium fielen Studierende mit Eltern, die einen Beruf mit geringerem Prestige ausüben oder keinen Hochschulabschluss besitzen, häufiger durch die Maschen.

Kritisch bewertet der Bildungsbericht die zunehmende Ausdifferenzierung des Studienangebots. Als Ergebnis der Ablösung des früheren staatlichen Genehmigungsverfahrens durch die Akkreditierung hätten „curriculare Unterschiede zwischen den Studiengängen innerhalb eines Faches deutlich zugenommen“. Die Folge seien Orientierungsprobleme bei vielen Studierenden, die die Studienfachwahl erschwerten und zu einem größeren Beratungsbedarf führten.

Eine zentrale Zielsetzung der Bologna-Reformen in Deutschland ist gescheitert.

Alarmierend ist die hohe Zahl der Studienabbrüche. Im Bachelorstudium bleibe die Abbruchquote auf einem hohen Niveau von 28 Prozent, im Masterstudium sei sie in nur sechs Jahren von neun auf 19 Prozent angestiegen und habe sich damit nahezu verdoppelt, heißt es im Bildungsbericht. Auch die Studiendauer habe zugenommen – bis zum Masterstudium betrage sie im Durchschnitt 12,3 Semester an Universitäten und 11,6 Semester an Fachhochschulen und habe sich damit dem Niveau der früheren Diplomstudiengänge an Universitäten angenähert. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich an den Universitäten de facto der Masterabschluss als Regelabschluss durchgesetzt habe – eine Folge auch der „begrenzte(n) Anerkennung des Bachelors in einigen Sektoren des Arbeitsmarkts“, so der Bildungsbericht. Damit ist eine zentrale Zielsetzung der Bologna-Reformen in Deutschland – die Reduzierung der Abbruchquoten und die Verkürzung der Studienzeiten – gescheitert, kritisiert GEW-Vize und Hochschulexperte Andreas Keller.

Er fordert Bund und Länder auf, Konsequenzen aus den von ihnen im Auftrag gegebenen Bildungsbericht zu ziehen. „Deutschland hat einen großen Nachholbedarf, was die Chancengleichheit seines Hochschulsystems betrifft. Überfällig ist daher nicht nur eine grundlegende Reform des BAföG, von dessen Leistungen derzeit nur 18 Prozent der Studierenden profitieren. Darüber hinaus brauchen wir eine bessere Betreuung der Studierenden an den Hochschulen, damit alle Studierenden gleichermaßen ihre Ziele erreichen und zum Übergang in weiterführende Studiengänge und in die Promotion ermuntert werden. Das setzt wiederum eine bessere Personalausstattung im Kernbereich der Hochschulen voraus: Wir brauchen mehr Dauerstellen für Daueraufgaben.“