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LesePeter September 2023

Auszeichnung für einen poetisch erzählten Abenteuerroman

Der LesePeter geht im September 2023 an das Kinderbuch „Wildesland“. Das Buch ist eine abenteuerliche Sommergeschichte über das Überleben in der Wildnis Norwegens und das Leben mit der Natur.

Matthis verbringt den Sommerurlaub mit seinen Eltern, dem jüngeren Bruder Bennie und der Hündin Tara in Norwegen.

Eigentlich wollten Matthis und seine Familie den Sommerurlaub in Norwegen verbringen. Doch schon auf der Fahrt kommt es zu einem schlimmen Streit. Die Eltern werfen den rebellischen Protagonisten aus dem Auto und auf einmal findet er sich inmitten der Wälder alleine (mit seiner Hündin) wieder. Die Eltern und der kleine Bruder sind verschollen. Dafür taucht im Wald plötzlich ein Mädchen auf.

„Wildesland“ von Cornelia Franz ist ein poetisch erzählter Abenteuerroman und zugleich eine kinderliterarische Hommage an die Natur. Die Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien (AJuM) der GEW zeichnete das Kinderbuch dafür mit dem LesePeter für den Monat September aus.

Matthis verbringt den Sommerurlaub mit seinen Eltern, dem jüngeren Bruder Bennie und der Hündin Tara in Norwegen. Sie haben eine Hütte gemietet, die fernab der Zivilisation idyllisch im Wald liegt. Doch auch hier ist es wie immer: Es gibt Streit, Gebrüll und Geheule. Und stets trägt Matthis die Schuld daran. Er ist der Störenfried innerhalb der Familie, der allen zu wild, zu laut und zu ungeschickt ist.

Nach einer Auseinandersetzung auf der Rückfahrt von einem Ausflug wirft ihn sein Vater kurzerhand aus dem Auto. Bis zum Ferienhaus ist es nicht weit und Matthis kennt den Weg. Dennoch überfluten ihn Verzweiflung und Wut, als er seine Familie davonfahren sieht. Sollen sie doch verschwinden, nie wieder will er sie sehen!

Diese Gedanken bereut er wenig später, als er das Auto der Familie in einer Schlucht liegen sieht. Ein Steinschlag hat den Unfall verursacht und rings um den Unfallort rührt sich nichts. Matthis schafft es, den Notruf zu wählen, beobachtet die Rettungsaktion und zieht sich dann in den umliegenden Wald zurück. Tiefe Schuldgefühle quälen ihn.

Der Junge ist nun auf sich allein gestellt, an seiner Seite seine treue Gefährtin Tara. Als Großstadtkind stellt ihn die Wildnis vor gänzlich andere, grundlegendere Probleme. Und während er versucht, diese zu lösen, kommt er sich selbst viel näher, als es ihm im Alltag jemals möglich gewesen wäre.

Das Erleben der Natur wird zum Spiegelbild seiner aufgewühlten Gedanken und Gefühle. Mal bietet sie ihm Nahrung und Schutz:

„Es war, als hätte die Natur ihn aufgenommen wie einen Freund. Die Bäume, die Büsche, die Lichtungen voller Blumen, die Vögel und die Eichhörnchen, selbst die Käfer auf dem Waldboden, das ganze Leben um ihn herum. Er musste keine Fragen beantworten, keine Vorwürfe anhören, sich nicht rechtfertigen. Er musste sich nicht benehmen und alles richtig machen. Er konnte einfach so sein, wie er war, einfach nur Matthis.“

Dann ist sie ihm wieder fremd und furchteinflößend: „Er lauschte in die Nacht hinein, die unheimlich still und trotzdem voller Geräusche war. Es knackte in den Bäumen, irgendwo raschelte es, ein einsamer Vogel stieß einen verloren klingenden Ruf aus. Ob es hier Bären oder Wölfe gab? Oder Wildschweine mit ihren spitzen Hauern?“

Ein andermal stellt sie unüberwindbare Hindernisse dar: „Tara lief voraus, doch plötzlich hielt sie an. Und als Matthis sie eingeholt hatte, wusste er auch, warum. Sie standen am Rand einer gewaltigen Schlucht. Tosend stürzte das Wasser in die Tiefe.“

Die intensiven sprachlichen Bilder, derer sich die Hamburger Autorin Cornelia Franz bedient, berühren sehr und ermöglichen es, in das Seelenleben des Protagonisten einzutauchen und an all seinen Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und impulsiven Ausbrüchen teilzuhaben.

Mit der Hündin Tara und einem wie aus dem Nichts aufgetauchten mysteriösen Mädchen namens Jule werden Matthis gleich zwei Figuren an die Seite gestellt, die wichtig für seine weitere Persönlichkeitsentwicklung sind. Während ihm Tara mit ihrer hundetypischen bedingungslosen Liebe genau die Zuwendung und Unterstützung gibt, die er in Familie und Schule vermisst, entpuppt sich Jule unbeabsichtigt als kluge Lehrmeisterin. Beide zeigen Nachsicht mit seiner Impulsivität, die ihm immer wieder zum Verhängnis wird. Dadurch gelingt es ihm schlussendlich, nicht mehr vor sich selbst und seiner Familie davonzulaufen und die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.

„Wildesland“ ist ein beeindruckendes Kinderbuch, das lange nachklingt und bis zur letzten Seite spannend bleibt.

Die Autorin und die Illustratorin

Cornelia Franz studierte Germanistik und Amerikanistik. Nach einer Ausbildung zur Verlagsbuchhändlerin arbeitete sie mehrere Jahre als Verlagslektorin. 1993 begann sie, Reiseführer, Romane für Erwachsene und vor allem Kinder- und Jugendbücher zu schreiben.

Petra Baan studierte an der Kunsthochschule Utrecht Illustration. Sie arbeitet als Illustratorin, Designerin und Siebdruckerin u. a. für Buch- und Zeitschriftenverlage. Seit 2016 lebt Baan mit ihrer Tochter in Berlin.

Die AJuM vergibt den LesePeter monatlich abwechselnd in den Sparten Kinderbuch, Jugendbuch, Sachbuch und Bilderbuch.

Cornelia Franz, Petra Baan, Wildesland, 144 Seiten, ab 10 Jahren, Gerstenberg Verlag, 2023, ISBN 978-3-8369-6185-1, 15 Euro