Von der Willkür beim Tauschwert...
Der Wert pädagogischer Arbeit für den Schulbereich: Das Thema reizt zu grundsätzlichen Erwägungen. Es gilt zu unterscheiden zwischen ideellem und materiellem (bezifferbarem) Wert und es gilt mit Friedrich Engels zwischen dem Wert der Arbeit und dem Wert der Arbeitskraft zu unterscheiden (Engels in seiner Einleitung zu Karl Marx „Lohnarbeit und Kapital“, 1891).
Der Tausch-Wert der pädagogischen Arbeitskraft bemisst sich demnach wie bei jeder anderen angebotenen Arbeitskraft danach, „welche Summe von Lebensmitteln – oder deren Geldpreis –, durchschnittlich für nötig gehalten werden“, um die Arbeitenden „arbeitsfähig zu machen, arbeitsfähig zu erhalten und sie bei ihrem Abgang durch Alter, Krankheit oder Tod“ durch neue Arbeitskräfte „zu ersetzen“.
Lehrerinnen und Lehrer sind die Hauptanbieter der pädagogischen Arbeitskraft. Es fällt auf, dass zum Erhalt ihrer Arbeitskraft und zur Reproduktion des benötigten Nachwuchses seitens der Arbeitgeber nach Schulformen unterschieden und unterschiedlich viel Geld aufgewendet wird. Je jünger die Kinder und je niedriger das Ansehen der Schulform ist, desto weniger ist danach die pädagogische Arbeitskraft wert. Wer seine pädagogische Arbeitskraft in den östlichen Bundesländern anbietet, bekommt einen Tauschwert im Umfang von 92,5 Prozent des West-Werts.
Diese Unterschiede lassen sich rational nicht begründen. Der Tauschwert der pädagogischen Arbeitskraft im Schulbereich wird ganz offenbar willkürlich bestimmt. Für die Arbeitskraft von Erzieherinnen, Unterrichtshilfen, Nachhilfelehrern bis hin zu pädagogischen Ein-Euro-Jobbern gilt dies umso mehr.
Während der Tauschwert der pädagogischen Arbeitskraft zwar willkürlich aber immerhin noch zu beziffern ist, ist das beim Wert der pädagogischen Arbeit bedeutend schwieriger – vor allem dann, wenn man sich nicht nur mit der bloßen Beschreibung vermuteter ideeller und materieller Werte beschäftigen will. Die Frage nach dem Wert pädagogischer Arbeit ist auch die Frage nach der Wertschöpfung, die durch pädagogische Arbeit möglich wird – und zwar sowohl für den Einzelnen wie für die gesamte Gesellschaft.
Die OECD macht in ihrer letzten Ausgabe von „Bildung auf einen Blick 2006“ bezifferbare Angaben zu dieser individuellen und gesellschaftlichen Wertschöpfung. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bildung – als ein Ergebnis pädagogischer Arbeit – eine der wichtigsten Produktivkräfte des Informationszeitalters ist und sich für Individuen und Gesellschaft außerordentlich lohnt und in Euro und Cent auszudrücken ist: im Hinblick auf das erzielbare individuelle Einkommen, auf die wirtschaftliche Produktion, auf die Arbeitsproduktivität bis hin zum geistigen und körperlichen Gesundheitszustand einer Gesellschaft.
Über den ideellen bzw. den nicht oder nur schwer bezifferbaren Wert pädagogischer Arbeit ist damit noch nichts gesagt. Aber es ist sicher, dass es ihn gibt: für die Lebensqualität, die kulturelle Teilhabe und Genussfähigkeit, die Konfliktbewältigung, die gesellschaftliche Integrationskraft, für Sinnfindung und Sinnstiftung, für Solidarität und Demokratiefähigkeit, für die geistige, seelische und körperliche Gesundheit des einzelnen wie der Gesellschaft. Der ideelle Wert pädagogischer Arbeit ist schwer oder gar nicht zu beziffern – wohl wahr – aber es wäre äußerst töricht, ihn nicht auf der Rechnung zu haben.
Marianne Demmer,
Leiterin des GEW-Organisationsbereichs Schule, in E&W 1/2007