Fotos: Ralf Lellek
Auf einer Weltkarte sieht Kasachstan „unterhalb“ Russlands einigermaßen klein aus. Dabei ist dieser Binnenstaat mit seiner Fläche von 2.724.900 km² gut siebenmal größer als die Bundesrepublik Deutschland und insgesamt der neuntgrößte Staat der Erde. Etwa 5,4 % der Landesfläche gehören zu Europa. Bezogen auf die Bevölkerung liegt Kasachstan lediglich auf Rang 62 mit aktuell fast 18 Millionen Einwohnern, von denen etwa 170.000 Deutsche sind. Zum Vergleich: 1992 waren es über 800.000 und 2002 noch immerhin 272.000 Deutsche.
Politisch ist das Land eine Präsidialrepublik, in der der Präsident laut Verfassung für fünf Jahre gewählt wird und nur einmal wiedergewählt werden darf. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht für Nursultan Nasarbajew, den „Ersten Präsidenten Kasachstans“, der das Land seit der Unabhängigkeit im Jahre 1991 noch immer mit fester Hand regiert. Kasachstan ist reich an Bodenschätzen und nicht zuletzt deshalb ein interessanter Handelspartner.
DAF in Kasachstan
Das DSD-Programm ist von staatlicher Seite im Land geduldet aber nicht wirklich anerkannt, was sich zum Beispiel regelmäßig in der aufwendigen Beschaffung der Visa zeigt: Zum eigentlichen Visumsantrag bei der kasachischen Botschaft muss immer vor der Ausreise über die deutsche Botschaft noch zusätzlich eine Referenznummer beim kasachischen Außenministerium beantragt werden. Diese Referenznummer wird allerdings leider bis heute derart spät ausgestellt, dass eine Anreise erst nach Beginn des Schuljahrs erfolgen kann. Als Krönung der Bürokratie gab es beim letzten Mal ein Jahresvisum, bei dem man jedoch immer nach Ablauf von 90 Tagen das Land verlassen musste.
Im Schuljahr 2013/14 gehörten zum sogenannten DSD-Team eine Fachberaterin/Koordinatorin mit Dienstsitz am Gymnasium Nr. 18 in Almaty und je ein Fachschaftsberater bzw. eine Fachschaftsberaterin in Astana, Almaty und Öskemen. Für eine Stelle in Petropawlowsk und Kornejewka, die erst drei Jahre zuvor eingerichtet worden war, gab es keine Nachfolge. Dafür kam eine Landesprogrammlehrkraft am Gymnasium Nr. 18 in Almaty dazu.
Insgesamt gibt es somit zurzeit in Kasachstan acht DSD-Schulen: zwei in Astana, zwei in Almaty, zwei in Öskemen und je eine in Kornejewka und Petropawlowsk. An sieben dieser Schulen werden sowohl das DSD I (seit dem Schuljahr 2013/14) als auch das DSD II abgelegt. Das Gymnasium Nr. 67 in Astana ist seit 2013 im Programm und befindet sich bislang noch in einer Aufbauphase. Das Goethe Institut betreut und unterstützt zusätzlich acht PASCH-Schulen.
Erster Einsatzort Aktobe
Aktobe oder Aqtöbe (früher und auf Russisch: Aktjubinsk) ist eine Stadt im Nordwesten des Landes unweit der Grenze zu Russland. Sie ist Hauptstadt des gleichnamigen Gebietes und hat nach neuesten Angaben der deutschsprachigen Ausgabe von Wikipedia 372.508 Einwohner.
Nach der Unabhängigkeit des Landes von Russland hat sich die Stadt zu einem Zentrum der Ölindustrie entwickelt und ist das administrative Zentrum für ein halbes Dutzend kasachischer und internationaler Ölgesellschaften, die die zum Teil großen Ölfelder in der Region erschließen. Inzwischen haben sich aber bereits weitere Dienstleister angesiedelt.
Die Stadt selbst ist recht übersichtlich angelegt und gliedert sich historisch in einen älteren und einen neueren Teil. Die Stadtbuslinien verbinden im Wesentlichen die beiden Zentren und sind damit in ihrer Streckenführung gut überschaubar. Alle strategisch wichtigen Punkte sind gut zu erreichen, wenn man davon absieht, dass die meist total veralteten Busse fast immer völlig überfüllt sind.
Im nationalen Reiseverkehr dauert eine Zugfahrt nach Astana oder Almaty jeweils etwa zwei Tage, aber es gibt zu diesen Städten auch tägliche Flugverbindungen. Bei Flügen in andere Städte wie Petropawlowsk oder Öskemen und bei internationalen Flügen muss immer in Astana umgestiegen werden. Dabei liegen jedoch die Anschlüsse fast jedes Mal so ungünstig, dass lange Aufenthalte auf dem Flughafen oder gar eine Übernachtung in Astana notwendig sind.
Preise auf europäischem Niveau
Die allgemeine Versorgungslage in den Kaufhäusern und Supermärkten ist gut und das Angebot entspricht durchaus europäischen Vorstellungen. Allerdings liegen aber die Preise ebenfalls auf europäischem Niveau. Importierte Produkte sind um das zwei- bis dreifache teurer und damit z.B. für eine Ortskraft mit einem monatlichen Einkommen von umgerechnet etwa 200 Euro nahezu unerschwinglich. Extrem aufpassen beim Einkaufen muss man im Übrigen beim Haltbarkeitsdatum der Waren, weil es oftmals nicht nur überschritten ist, sondern Etiketten mit den entsprechenden Angaben „bei Bedarf“ einfach überklebt werden!
Ungewöhnlich für europäische Verhältnisse ist sicher auch die Tatsache, dass es für eine Stadt dieser Größenordnung keine Tageszeitung gibt. Während meiner Zeit in Aktobe gab es immer wieder Probleme bei Strom, Wasser, Telefon und Internet. Hier konnte die Infrastruktur auf keinen Fall einem Vergleich mit europäischen Maßstäben standhalten. Besonders gewöhnungsbedürftig war im Winter das Heizen per Fernwärme, denn die einzelnen Heizkörper in der Wohnung konnten nicht reguliert, d.h. also auch nicht zugedreht werden, was man sich bei zum Teil 28° C Raumtemperatur das ein oder andere Mal gern gewünscht hätte.
Deutschunterricht in der Mittelschule Nr. 11
Die „Spezialisierte Mittelschule Nr. 11“ ist eine von zwei staatlichen Schulen in der Stadt, die dem Namen nach verstärkten DaF-Unterricht anbietet. Sie war aber immer die einzige DSD-Schule, wobei die zweite, die „Spezialisierte Mittelschule Nr. 4“, zumindest eine Zeit lang immerhin eine Zubringerschule gewesen ist. Die Schule Nr. 11 ist nicht konfessionell gebunden und umfasst eine Grundschule und eine Sekundarstufe.
Es wird nicht nach Leistung differenziert, aber nach der Grundschule können die Schülerinnen und Schüler zwischen einem regulären Zweig und einem mit verstärktem DaF-Unterricht wählen. Beide Zweige führen nach bestandenen externen Abschlussprüfungen am Ende des 11. Schuljahrs zur nationalen Hochschulreife. Der Unterricht findet koedukativ statt.
Rund 1200 Schülerinnen und Schüler besuchen den Unterricht, der an sechs Tagen in zwei Schichten zu sechs bis sieben Stunden organisiert ist. Die Ortslehrkräfte sind größtenteils in beiden Schichten eingesetzt und müssen gegebenenfalls als Klassenlehrer auch samstags anwesend sein, obwohl an diesem Tag aus organisatorischen Gründen kein Deutschunterricht stattfindet.
Auf den DaF-Unterricht bezogen ist die Schule bis Klasse 9 zweizügig und in den Klassen 10 und 11 einzügig. In der Grundschule ist DaF ab der zweiten Klasse ein fakultatives Fach mit 2 - 3 Stunden pro Woche. Ab Klasse 5 wird neben den regulären Klassen mit 2 Stunden DaF-Unterricht pro Woche auch erweiterter DaF-Unterricht mit 5 - 7 Stunden bei halbierten Profilgruppen angeboten.
Für Lehrkräfte gilt in den Ferien Anwesenheitspflicht
Das Schuljahr beginnt im ganzen Land immer am 1. September und endet immer am 25. Mai. Es ist in vier Bimester unterteilt, zwischen denen es jeweils etwa eine Woche Ferien für die Schülerinnen und Schüler gibt, wobei die offiziellen Termine immer erst sehr kurzfristig bekannt gegeben werden. Für die Lehrerinnen und Lehrer gilt jedoch auch während der Ferien Anwesenheitspflicht. Wenn sie über ihren gesetzlich vorgesehenen Jahresurlaub von 48 Arbeitstagen hinaus frei haben wollen, müssen sie dies als unbezahlten Sonderurlaub beantragen.
Das zweigeschossige Hauptgebäude der Schule stammt zum größten Teil aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Eine Erweiterung erfolgte in den 70er Jahren, und der ebenfalls zweigeschossige Grundschulflügel wurde in den 90er Jahren angebaut. Die Schule macht einen gepflegten und ordentlichen Eindruck. Aber Fenster, die sich nicht öffnen lassen, Heizkörper ohne Thermostate und Stromleitungen, die nicht geerdet sind, entsprechen keinesfalls modernen Anforderungen. Außerdem fehlen in verschiedenen Räumen adäquate Tafeln.
Für den DaF-Unterricht stehen zwei veraltete Kopiergeräte, Kassettenrekorder, CD-Player, Fernseher plus Videorekorder, ein Computer plus Drucker und seit dem Schuljahr 2008/09 dank der Lehrmittelspende ebenfalls ein Laptop plus Beamer zur Verfügung.
Eingefahrene Strukturen
Von 1995 bis 2006 haben zwei Bundesprogrammlehrkräfte an der Schule unterrichtet, wobei der letzten BPLK von schulischer Seite der Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde, was zur Folge hatte, dass die Schule zwei Jahre ohne Lehrkraft aus Deutschland auskommen musste.
Seit 2001 wurden DSD II Prüfungen abgelegt – anfangs sogar recht erfolgreich. Bei den Absolventen handelte es sich jedoch zum größten Teil um ehemalige Schüler, so dass mit der Verschärfung der Regeln für die Zulassung von externen Schülern die Zahlen stark einbrachen. Im gesamten Zeitraum bis 2012 haben insgesamt 76 Schüler die Prüfung bestanden.
Damit wird deutlich, dass das Schulprogramm es eigentlich von Anfang an nie wirklich geschafft hat, die Schüler in 11 Schuljahren bis zum DSD II zu bringen. Als Grund wurde immer wieder eine zu geringe Stundenzahl genannt, wobei aber auf der anderen Seite gern verschwiegen wurde, dass es zusätzlich zum regulären Deutschunterricht noch „Landeskunde“ und „Business-Deutsch“ gab.
Allein von der Stundentafel her hätte die Zeit eigentlich reichen müssen, die Schüler erfolgreich auf die DSD II Prüfungen vorzubereiten. Nur die eingefahrenen Strukturen hätten unbedingt modernisiert werden müssen.
In dieser Hinsicht war sicher der ungünstige schulinterne Lehrplan auffällig, der vorsah, dass nach drei Jahren fakultativem DaF-Unterricht von der zweiten bis fünften Klasse, in der sechsten Klasse wieder bei Null angefangen wurde, um mit potenziellen Seiteneinsteigern die Klassenstärken bis zur landeseigenen Abschlussprüfung zu halten.