Zum Inhalt springen

Tarifrunde 2019

Licht und Schatten

Für alle im öffentlichen Dienst der Länder Beschäftigten gibt es kräftige Reallohnsteigerungen. Ihre Forderung nach der vollständigen Einführung der Paralleltabelle hat die GEW derweil nicht durchsetzen können.

GEW-Vorstandsmitglied Daniel Merbitz (Foto: Kay Herschelmann)

Die drei tollen Tage (und Nächte) von Potsdam, von Weiberfastnacht bis Faschingssamstag – so kann man den Verhandlungsmarathon zusammenfassen. Am Ende stand ein beachtliches Ergebnis: Für alle im öffentlichen Dienst der Länder Beschäftigten gibt es kräftige Reallohnsteigerungen, für viele Lehrkräfte eine deutlich höhere Angleichungszulage, für den Sozial- und Erziehungsdienst endlich die Aufwertung auf das Niveau im Kommunalbereich.

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Die GEW hat die Forderung nach der vollständigen Einführung der Paralleltabelle nicht durchgesetzt, und die Gewerkschaften konnten neben der langen Laufzeit des Tarifvertrags nicht verhindern, dass die Jahressonderzahlung vier Jahre lang eingefroren wird. Gewerkschaftliche Tarifforderungen werden eben leider nicht eins zu eins umgesetzt. Die Kunst des Kompromisses ist in solchen Stunden gefordert. Denn es waren nicht allein die Gewerkschaften, die mit Forderungen in die Tarifrunde gegangen sind.

Auch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hatte ihre Wünsche: Die Arbeitgeber wollten Veränderungen an der Definition des Arbeitsvorganges durchsetzen. Damit wäre es an die Grundfesten der Eingruppierungsarchitektur gegangen. Allein schon dieses abzuwehren, wäre eines Erzwingungsstreikes würdig gewesen. Doch so weit musste es nicht kommen, denn beide Seiten haben sich darauf verständigt, zu diesem Thema erst einmal Gespräche zu führen: nach der Tarifrunde.

Zudem müssen wir uns Gedanken machen, wie wir mit Forderungen umgehen, die wir seit Jahren – manche seit einer Dekade – erheben, und die nicht erfüllt werden.

Die Warnstreiks waren eindrucksvoll, und die Beteiligung lag weit über der vor zwei Jahren. Doch wie wird es langfristig um die Streikfähigkeit im Länderbereich bestellt sein? In immer mehr Bundesländern werden junge Lehrkräfte verbeamtet, nunmehr auch in Sachsen. Das Bundesverfassungsgericht hat das Beamtenstreikverbot mit seinem Urteil im Juni 2018 zementiert. Eine Tarif- und Besoldungsrunde, in der eine Statusgruppe, nämlich die der Beamtinnen und Beamten, weiterhin nicht streiken darf, und dies bei steigenden Beschäftigungszahlen in diesem Segment, ist eine Herausforderung. Deshalb bleibt es derzeit bei der strategisch schwierigen Situation: Tarifbeschäftigte streiken, verbeamtete Lehrkräfte dürfen nicht. Auch die Übertragung des Tarifergebnisses in die Landesbesoldungsgesetze ist kein Selbstläufer.

Zudem müssen wir uns Gedanken machen, wie wir mit Forderungen umgehen, die wir seit Jahren – manche seit einer Dekade – erheben, und die nicht erfüllt werden. Beharrlich bleiben, weiter nerven oder abhaken? Dies müssen wir ehrlich diskutieren.

Wir müssen mehr werden.

Das Tarifergebnis ist vorzeigbar. Kein Grund für Aschermittwochstimmung. Dies wäre alles nicht möglich gewesen ohne die vielen tollen Wochen von Arkona bis zur Zugspitze, von Zittau bis Aachen. Trillerpfeifen, rot--weiße Westen, Fahnenmeere. Wir haben gefroren im Februar, haben auch mal die Sonne gespürt, manchmal den Wind im Gesicht und vor allem unsere Stärke und Solidarität. Ohne Bewegung an der Basis keine Bewegung am Verhandlungstisch. Manchmal sind die Wahrheiten profan.

Unseren Kolleginnen und Kollegen von der Kita über die Schulen bis zu den Hochschulen ist es nicht egal, sie mischen sich ein, sie arbeiten ehrenamtlich im Kreisverband, im Personalrat, als Vertrauensleute. Und wir müssen mehr werden. Es geht auch darum, mit Freude und Selbstbewusstsein zu sagen: „Ich bin Gewerkschafterin, ich bin Gewerkschafter“, damit wir auch in Zukunft gute Tarifabschlüsse erreichen, von denen alle Beschäftigten profitieren.