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Gegner des Nationalsozialismus

Max Traeger war der erste Vorsitzende der GEW und ist Namensgeber der GEW-Stiftung für Forschungsprojekte und wissenschaftliche Publikationen. Nun gibt es eine wissenschaftlich fundierte Biografie Traegers.

Max Traeger war der erste Vorsitzende der GEW und ist der Namensgeber der GEW-Stiftung, die Forschungsprojekte und wissenschaftliche Publikationen zu Themen der Bildung fördert. Bisher gab es keine wissenschaftlich fundierte Biografie Traegers. Diese Lücke schließt jetzt die Publikation des ehemaligen Hamburger GEW-Vorsitzenden Hans-Peter de Lorent.

Max Traeger war für das Hamburger Schulwesen, aber auch für die Lehrerbewegung in der Bundesrepublik Deutschland, eine prägende Persönlichkeit. In einfachen Verhältnissen aufgewachsen, wechselte er nach der Realschule auf das Lehrerseminar und legte 1908 das erste Lehrerexamen ab. In jungen Jahren schon politisch aktiv, wurde er 1920 mit 32 Jahren zum "Proponenten" (Vorsitzenden) der 1805 gegründeten "Gesellschaft der Freunde des vaterländischen Schul- und Erziehungswesens" (GdF) gewählt. 1932 waren 92 Prozent der Volksschullehrkräfte der Hansestadt in der "Gesellschaft der Freunde" organisiert, so die Kurzform der Vereinigung. Als Schulleiter engagierte sich Traeger in den Gremien der Selbstverwaltung, im Lehrerrat, später in der Lehrerkammer und im Beamtenrat.

1927 wurde er Abgeordneter der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) in der Hamburgischen Bürgerschaft. Die DDP war eine linksliberale Partei, die in Hamburg mit der SPD über lange Jahre eine Koalition bildete und den Ersten Bürgermeister stellte. In den parlamentarischen Debatten trat er entschieden gegen Nationalsozialisten und Deutschnationale auf, äußerte dort wie auch auf Versammlungen der GdF deutlich seine Abneigung gegenüber dem braunen Gedankengut und den nationalsozialistischen Bestrebungen. Nicht ohne Folgen. Die NS-Schulverwaltung warf ihn 1933 - nachdem Hitler an die Macht gelangt war - aus seinem Amt als Schulleiter, ebenso aus allen ehrenamtlichen Funktionen.

Traeger traf sich während der zwölf Jahre der NS-Herrschaft mit anderen Gewerkschaftern - Nazigegner wie er - regelmäßig in einem "Untergrundvorstand". In diesen geheimen Treffen bereitete er sich mit jenen, die wie er nie Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) waren, auf das Ende der Nazi-Diktatur vor: Man wollte ein demokratisches Schulwesen aufbauen und eine gemeinsame Organisation aller Pädagoginnen und Pädagogen gründen. Nach Kriegsende fand Traeger, der politisch unbelastet war, die Akzeptanz der britischen Militärregierung beim Aufbau einer neuen Lehrergewerkschaft. Die Briten favorisierten eine einheitliche Lehrerorganisation und wollten keine Aufsplitterung der Lehrerverbände nach Schulformen. Nach 1945 übernahm Traeger erneut den Vorsitz der neugegründeten Lehrervereinigung. Er war wesentlich daran beteiligt, diese mit anderen Gewerkschaften zusammenzubringen und in den DGB zu führen.

Betrachtet man Traegers Biografie, erstaunt es sehr, dass ihn Benjamin Ortmeyer und Saskia Müller in ihrem Buch "Die ideologische Ausrichtung der Lehrkräfte 1933-1945" in die Nähe der Nationalsozialisten rücken. Nach Darstellung der Autoren habe er "mit Tricks" und in "Kollaboration" mit ehemaligen NS-Funktionären in der Nachkriegszeit eine Immobilie auf dem Nachbargrundstück des Curio-Hauses der GEW Hamburg, in der Rothenbaumchaussee 19 (Ro 19), dem Landesverband "einverleibt". Ein Makler hatte 1935 im Auftrag einer zum Teil im Ausland lebenden jüdischen Erbengemeinschaft dieses Haus der GdF zum Kauf angeboten. Sie erwarb es nach anfänglichem Desinteresse. Die "Gesellschaft der Freunde" war zu diesem Zeitpunkt bereits dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB, 1929 gegründet) eingegliedert.

NSLB-Mitgliedschaft kein Beleg für nationalsozialistische Gesinnung

Über den Ankauf der Immobilie Ro 19 führte der Landesverband Hamburg in den 2000er-Jahren eine mehrjährige Debatte. Kritiker stuften den ganzen Vorgang als eine "verbrecherische Arisierung" ein. Es gibt zumindest einen Anhaltspunkt, der diesen Vorwurf entkräftet: Im Jahr 1948 betrieben die jüdischen Erben erfolgreich diverse Restitutionsverfahren, stellten jedoch keinen Antrag auf Rückgabe der Immobilie Ro 19. Das könnte ein wichtiger Hinweis sein, dass die Vorbesitzer selbst der Meinung waren, dass dieser Verkauf die Trennung von einer unrentablen Immobilie war. Die GEW Hamburg entschloss sich im Januar 2013, das Gebäude Ro 19 weit unter Marktwert an das jüdische Bildungszentrum Chabad e. V. zu verkaufen und 400.000 Euro an die Jüdische Gemeinde der Hansestadt zu spenden. Das verschweigen Ortmeyer und Müller in ihrem Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Buch.

Fragwürdig auch eine andere Behauptung der beiden Erziehungswissenschaftler: Die GdF hätte sich mit ihrem gesamten Vermögen "freiwillig" dem NSLB "übergeben".Ein Rückblick: Am 27. April 1933 fand im Curio-Haus eine Hauptversammlung der GdF statt, auf der die "Gleichschaltung" mit dem NSLB ohne Aussprache beschlossen wurde. Während der Versammlung standen an der Tür des Curio-Hauses SA-Männer. Kann man unter diesen Umständen davon sprechen, dass Entscheidungen "freiwillig" getroffen worden sind? Unter welchem Druck gehandelt wurde, zeigt auch Folgendes: Während der Hauptversammlung hatte der Lehrer und Kommunist Rudolf Klug, der für die KPD zum Reichstag kandidiert hatte, vor der Abstimmung über die "Gleichschaltung" eine Aussprache beantragt. Nur sieben Teilnehmer stimmten für Klugs Antrag, der damit abgelehnt war. Mit zwei dieser sieben Kollegen habe ich Anfang der 1980er-Jahre gesprochen und erfahren, dass alle nach der Tagung von der Gestapo verhört worden waren. Klug, der auch einer antifaschistischen Widerstandsgruppe angehörte, ermordeten die Nazis später. Dem neuen gemeinsamen Vorstand, der aus zwölf Mitgliedern des NSLB und neun der alten GdF bestand, gehörte Traeger nicht an.

NSLB-Obmann Hinrich von der Lieth hatte noch vor der Versammlung am 27. April schriftlich zugesichert, dass "die Vermögenswerte der 'Gesellschaft', einschließlich ihrer Kassen und des Curio-Hauses, dem gegenwärtigen Mitgliederbestand der 'Gesellschaft' verbleiben werden". Diese Zusage sollte dann später wieder einkassiert werden: Am 28. August 1933 sollte eine Hauptversammlung über die Auflösung der "Gesellschaft der Freunde" entscheiden und deren Einrichtungen und Vermögenswerte dem NSLB übertragen. Diese Versammlung kam nicht zustande. Es wurde verhandelt. Die alte GdF hatte dafür drei Experten, die mit der Verwaltung des Curio-Hauses und den Kassen vertraut waren, benannt. Einer war Max Traeger. Sie erreichten nach zähen Verhandlungen, dass die "Gesellschaft der Freunde" weiterhin als rechtsfähiger Verein im NSLB festgeschrieben war, als "Abteilung Wirtschaft und Recht" und auch die Verfügung über die Kassen und die Verwaltung des Curio-Hauses behielt.

Nach einem Erlass des Reichsinnenministeriums 1937 existierte als Lehrerorganisation nur noch der NSLB, dem seit der Gleichschaltung auch Traeger angehörte. Ein Antrag zum Austritt aus dem NSLB hätte für jede Lehrkraft die Entlassung aus dem Schuldienst bedeutet. Wie Ortmeyer und Müller feststellten, waren 97 Prozent der Lehrerschaft im NSLB organisiert. Die NSLB-Mitgliedschaft ist – auch nach wissenschaftlichen Standards – kein Beleg für nationalsozialistische Gesinnung. Dies von Max Traeger zu behaupten ist absurd, entgegen allen Fakten und ehrabschneidend.

Hans-Peter de Lorent: Max Traeger, Biografie des ersten Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (1887-1960), erscheint Mitte Juni bei Beltz Juventa. Der Band liegt der E&W-Redaktion in der gesetzten Fassung vor.

Dr. Hans- Peter de Lorent

Forschungsschwerpunkt: Auseinandersetzung mit dem Bildungswesen in Hamburg unterm Hakenkreuz

Ich beschäftige mich seit knapp 40 Jahren mit der Erforschung der Geschichte des Hamburger Schulwesens, mit dem besonderen Schwerpunkt auf die Zeit des Nationalsozialismus.

Als Schriftleiter der "Hamburger Lehrerzeitung" habe ich seit 1982 in einer Serie "Schule unterm Hakenkreuz" mit anderen Kolleginnen und Kollegen zusammen sowie in Kooperation mit der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten" (VVN) begonnen, Licht in das Dunkel des Hamburger Bildungswesens während der NS-Zeit zu bringen. Daraus ist dann ein Buch entstanden als Kooperationsprojekt zwischen der HLZ-Redaktion und der Geschichtskommission der VVN, von Ursel Hochmuth und mir 1985 herausgegeben unter dem Titel "Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz". In einem Folgeband, den ich gemeinsam mit Reiner Lehberger 1986 herausgab, "'Die Fahne hoch'. Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz" gab es auch eine besondere Auseinandersetzung mit dem Schicksal der jüdischen Schülerinnen und Schüler und deren Lehrerschaft in der NS-Zeit.

In den folgenden Jahren habe ich mich intensiv damit beschäftigt, personenbezogenes Material über diejenigen zu sammeln, die in der NS-Zeit im Hamburger Bildungswesen Verantwortung trugen. Da es erst ab den 1990er Jahren möglich wurde, im Hamburger Staatsarchiv und im Bundesarchiv Personalakten und Entnazifizierungsakten auszuwerten, begann ich seit 2007 in der "Hamburger Lehrerzeitung" mit einer Serie: "Schule unterm Hakenkreuz/Nazibiographien", in der bisher über 30 Biografien veröffentlicht worden sind. Aus dieser Vorarbeit ist ein Band: "Täterprofile. Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz" entstanden, 2016 bei der Hamburger Landeszentrale für politische Bildung erschienen. Ein zweiter Band erscheint Anfang Juni, mit einem durchaus kritischen Blick auch auf Personen, die später in der GEW hervortraten.

Bücher:

Ursel Hochmuth/Hans-Peter de Lorent (Hrsg.). Hamburg: Schule unterm Hakenkreuz, Hamburg 1985

Reiner Lehberger und Hans- Peter de Lorent:: "Die Fahne hoch", Schulpolitik und Schulalltag in Hamburg unterm Hakenkreuz, ergebnisse Verlag, Hamburg 1986.

Hans-Peter de Lorent: Täterprofile: Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz, Band 1, 2016, 808 S.; erschienen bei der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. Auch online.

Hans-Peter de Lorent: Täterprofile: Die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz, Band 2, Juni 2017 864 S.; erscheint bei der Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. Auch online.

 

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Max Traeger, Namensgeber der GEW-Stiftung