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GEW: „Scheinlösungen auf dem Rücken der Schwächsten“

Bildungsgewerkschaft zu Vorschlägen der KMK-Präsidentin zu Ganztag und Startchancenprogramm

Frankfurt a.M. – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert die Aussagen der Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Katharina Günther-Wünsch (CDU), gegenüber Medien zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung und Startchancenprogramm scharf. „Der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule ist nicht teilbar. Er gilt für alle Kinder bundesweit – unabhängig von der Postleitzahl und der Finanzlage der Kommunen und Länder“, sagte Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Dienstag in Frankfurt a.M. mit Blick auf den Vorstoß der KMK-Präsidentin, Bundesländern flexible Einstiege in den ab August 2026 geltenden Rechtsanspruch zu ermöglichen. „Jetzt den stufenweisen Einstieg in Frage zu stellen und so das zentrale gesellschafts- und bildungspolitische Projekt des Jahrzehnts ins Wanken zu bringen, ist unprofessionell und wird den Bedarfen der Beschäftigten, Kinder und Sorgeberechtigten nicht gerecht. Die Folge: Die Familien und Kinder, die bereits jetzt benachteiligt sind, werden weiter abgehängt und mit anderen sozialen Gruppen in Kämpfe um Teilhabe gezwungen.“

„Die KMK, die Jugendministerkonferenz und die zuständigen Ministerien müssen sich verständigen und den skandalösen Vorstoß abräumen. Kommunen und Träger vor Ort brauchen jetzt Planungssicherheit, ausreichende Finanzmittel für den Ausbau der Schulinfrastruktur sowie Strategien zur Anwerbung und Qualifizierung von Fachkräften“, betonte Siebernik. Sie erinnerte daran, dass die bundesweite Diskussion und Beschlussfassung zur gesetzlichen Einführung des Rechtsanspruches mehr als zwei Jahre zurücklägen. Mit sehr großer Mehrheit sei das bildungs- und sozialpolitische Gesetzespaket von der Vorgängerregierung beschlossen worden. „Und das aus guten Gründen: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll verbessert, die Berufschancen der Frauen sollen erhöht und allen Kindern soll unabhängig vom Einkommen der Eltern der Zugang zu ganztägiger Förderung und Betreuung gesichert werden. Aber statt das Projekt konsequent und weitsichtig anzugehen, sind etwa der räumliche Ausbau der Schulgebäude und die Gewinnung der nötigen zusätzlichen Fachkräfte verschleppt worden. Statt gemeinsam Lösungen zu entwickeln, schoben sich Bund, Länder und Kommunen gegenseitig Schuld und Verantwortung zu“, unterstrich die Gewerkschafterin. „Angesichts der nicht zufriedenstellenden Ergebnisse des Bildungssystems in Deutschland gibt es dringenden Handlungsbedarf: Die gesamte Bildungskette muss quantitativ und qualitativ ausgebaut werden.“

„Wenn sich die KMK-Präsidentin durchsetzt, werden nicht alle Kinder, die einen Anspruch auf einen Ganztagsplatz haben, auch einen bekommen. Hier werden die Fehler bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs in der Kindertagesbetreuung wiederholt. Auch werden alle Erfahrungen aus der Coronazeit in den Wind geschlagen: Wenn wir eines ganz genau wissen, dann dass Kinder und Eltern verlässliche Systeme brauchen, die allen Kindern beste Bildungschancen ermöglichen“, sagte Siebernik.

Zudem rufe die Uneinigkeit zwischen Bund und Ländern, das angekündigte und dringend erforderliche „Startchancenprogramm“ nicht ab 2024 zu starten, große Irritationen und Besorgnis hervor, hob Siebernik hervor: „Noch vor wenigen Monaten waren alle Verantwortlichen fassungslos über die Lücken in den Grundkompetenzen der Grundschülerinnen und -schüler. In Sonntagsreden betonten sie die Bedeutung der Bildung. Jetzt zeigt sich jedoch wieder einmal, dass Reden einfacher ist, als Taten folgen zu lassen. Die Kompromisslosigkeit, mit der die Länder auf eine Verteilung der Finanzmittel nach dem ‚Königsteiner Schlüssel‘ pochen, grenzt an Realitätsverweigerung. Die Mittel müssen nach sozialen Indikatoren an die Schulen bedarfsgerecht verteilt werden, damit sie da ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden: in den armen Regionen und Stadtvierteln. Dafür hat die GEW ein Konzept vorgelegt. Dies abzulehnen, bedeutet sich aus der gemeinsamen Verantwortung zu verabschieden und nur das eigene Bundesland im Blick zu haben.“

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