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Wege zum Traumjob Wissenschaft – Aktionsprogramm zur Umsetzung des Templiner Manifests

Mit dem Templiner Manifest hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft 2010 ein Programm zur Reform von Personalstruktur und Berufswegen in Hochschule und Forschung vorgelegt, mit dem sie sich seitdem für den „Traumjob Wissenschaft“ stark macht.

„Traumjob Wissenschaft“ – das bedeutet für uns:

  • eine Absicherung der Promotion als erste Phase der wissenschaftlichen Berufsausübung – durch ausreichend sozialversicherungspflichtige Stellen und sinnvoll konzeptionierte fächerübergreifende Graduiertenzentren,
  • verlässliche Perspektiven für Postdocs – durch einen Tenure Track, der den dauerhaften Verbleib in Hochschule und Forschung ermöglicht,
  • Dauerstellen für Daueraufgaben – um Kontinuität und Qualität von Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement sicherzustellen,
  • reguläre statt prekäre Beschäftigung – Schluss mit der Ausbeutung von Lehrbeauftragten und anderen Dumping-Lehrkräften,
  • ein Recht auf Work-Life-Balance für alle in der Wissenschaft Tätigen – durch eine familienfreundliche Gestaltung von Hochschule und Forschung,
  •  ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf allen Stufen der wissenschaftlichen Laufbahn – durch Quotierung und Anerkennung von Gleichstellung als Qualitätskriterium,
  • die Stärkung der Mitbestimmungsrechte von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – auch in neuen Organisationsformen wie Graduiertenschulen oder Clustern,
  • Förderung statt Bestrafung von Mobilität – durch Anerkennung von Erfahrungszeiten und Sozialversicherungsansprüchen,
  • einen bedarfs- und nachfragegerechten Ausbau von Hochschule und Forschung – mehr Studienplätze, ein besseres Betreuungsverhältnis und eine intensivere Forschung,
  •  tarifvertraglichen Schutz für alle Beschäftigten – durch Ausdehnung des Geltungsbereichs der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes und wissenschaftsspezifische Regelungen.

Jetzt heißt es: nicht nachgeben, sondern nachlegen! Der 27. ordentliche Gewerkschaftstag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ruft die Kolleginnen und Kollegen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf, sich in der GEW zu organisieren und aktiv für ihre Interessen und für die Reform von Personalstruktur und Berufswegen in Hochschule und Forschung einzutreten. Wir fordern Bund und Länder, Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie die Tarifpartner des öffentlichen Dienstes auf, wirksame Maßnahmen zur Schaffung berechenbarer Berufswege und zur Stabilisierung der Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft zu ergreifen.

1. Bund

Im Bildungsföderalismus der Bundesrepublik Deutschland liegen wesentliche Kompetenzen für die Bildungs- und Forschungspolitik bei den Ländern, die diese in wachsendem Umfang an die Hochschulen, teilweise auch an Forschungseinrichtungen weitergeben. Gleichwohl verfügt der Bund über erhebliche rechtliche Kompetenzen und politische Handlungsmöglichkeiten, um die Reform der Karrierewege und die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft anzustoßen.

Die GEW fordert den Bund auf, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz dahin gehend zu ändern, dass

  • die Tarifsperre ersatzlos gestrichen wird und Gewerkschaften und Arbeitgeber das uneingeschränkte Recht bekommen, sachgerechte Regelungen für die Befristung von Arbeitsverträgen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen auszuhandeln,
  •  Mindestlaufzeiten für nach dem Gesetz begründete Zeitverträge festgeschrieben werden, wonach die Laufzeit von befristeten Beschäftigungsverhältnissen mindestens der voraussichtlichen Dauer der Qualifikation bzw. der Laufzeit des Drittmittelprojekts entsprechen muss und ein Jahr nicht unterschreiten darf,
  •  die familienpolitische Komponente, die die Verlängerung von Zeitverträgen mit Beschäftigten, die Kinder betreuen, über die Höchstbefristungsgrenze hinaus ermöglicht, verbindlich ausgestaltet wird,
  • Beschäftigte auf drittmittelfinanzierten Stellen den gleichen Anspruch auf die Verlängerung ihres Zeitvertrages im Rahmen der familienpolitischen Komponente des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes sowie in Folge einer Beurlaubung oder Arbeitszeitermäßigung für Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Aus-, Fort- oder Weiterbildung, Elternzeit und Mutterschutz, Wahrnehmung von Aufgaben in einer Personal- oder Schwerbehindertenvertretung oder einer Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragten erhalten wie Beschäftigte auf Haushaltstellen.

Die GEW fordert den Bund auf, das Sozialgesetzbuch dahin gehend zu ändern, dass Doktorandinnen und Doktoranden ohne sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis oder Anspruch auf Familienversicherung Krankenversicherungsschutz erhalten. Der Beitrag muss auf Grundlage eines gesetzlich festgelegten Einheitssatzes analog zur studentischen Krankenversicherung berechnet werden.

Die GEW fordert den Bund auf, die internationale Mobilität von Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern und anderen Beschäftigten durch internationale Abkommen zu fördern, in denen die uneingeschränkte Anerkennung von im Ausland erworbenen Sozialversicherungs- und Altersversorgungsansprüchen in Deutschland geregelt wird, auch bei kurzfristigen Aufenthalten sowie Aufenthalten außerhalb der Europäischen Union.

Schließlich erwartet die GEW vom Bund, für eine regelmäßige und aussagekräftige Berichterstattung über die Personalstruktur und Berufswege in Hochschule und Forschung, die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Berufsperspektiven junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu sorgen. Eine entsprechende Bildungs- und Wissenschaftsforschung ist gezielt zu fördern, die Datenlage kontinuierlich zu erheben und zu optimieren.

2. Bund und Länder

Die GEW fordert Bund und Länder zu einer aktiven Vergabepolitik gegenüber den von ihnen finanzierten Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Forschungsfördereinrichtungen auf. Meint es die Politik ernst mit der Zielsetzung, die Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung zu verbessern, muss sie als Geldgeberin Mitverantwortung für die Qualität von Karrierewegen und Beschäftigungsbedingungen an den von ihr finanzierten Wissenschaftseinrichtungen übernehmen – indem die Finanzierung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen an Auflagen gebunden wird, deren Erfüllung systematisch kontrolliert und sanktioniert wird. Das betrifft die institutionelle Finanzierung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen ebenso wie deren projektförmige Förderung durch Bund-Länder-Programme wie die Exzellenzinitiative, den Qualitätspakt Lehre oder den Pakt für Forschung und Innovation. Die institutionelle Förderung von Forschungsförderorganisationen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) muss an die Auflage gebunden werden, dass diese ihrerseits Forschungsprojekte nach Maßgabe einer entsprechenden Vergabepolitik finanziert.

Die GEW fordert daher, dass die Finanzierung von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Forschungsförderorganisationen durch Bund und Länder unter der Voraussetzung erfolgt, dass diese

  • die Empfehlungen der Europäischen Kommission von 2005 für eine „Europäische Charta für Forscher“ sowie einen „Kodex für die Einstellung von Forschern“ umsetzen,
  • einem Arbeitgeberverband beitreten und sich zur Einhaltung entsprechender Tarifverträge verpflichten,
  • Stipendien nicht missbräuchlich zur Verdrängung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen einsetzen und Stipendiatinnen und Stipendiaten eine auskömmliche Finanzierung des Lebensunterhalts und zusätzlich eine Sozialversicherungszulage und Familienzuschläge für Kinder sowie Verlängerungsansprüche bei Mutterschutz, Elternzeit und Kinderbetreuung und für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten (Nachteilsausgleich) gewähren,
  • eine aktive Personalpolitik betreiben und über ein zukunftsfähiges Personalentwicklungskonzept verfügen,
  •  über ein schlüssiges Gleichstellungskonzept verfügen, das sich mindestens an dem vom Wissenschaftsrat empfohlenen Kaskadenmodell orientiert, wonach der Frauenanteil einer Beschäftigtengruppe wenigstens den Frauenanteil der vorausgehenden Qualifikationsstufe erreichen soll, und die Erreichung der gleichstellungspolitischen Ziele effektiv kontrollieren und Nichterfüllungen bzw. Verschlechterungen sanktionieren.

Die GEW fordert Bund und Länder auf, ihre Haushaltsordnungen dahin gehend zu überarbeiten, dass Drittmittel auch zur Finanzierung unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse eingesetzt werden können und Drittmittelprojekte familienfreundlich abgewickelt werden können, d.h. Mittelübertragungen in Folge von Unterbrechungen bei Mutterschutz und Elternzeit möglich sind. Bei der Finanzierung von Drittmittelprojekten sind darüber hinaus die Grundsätze einer familienfreundlichen Haushaltspolitik zu beachten und zusätzliche Mittel für Vertragsverlängerungen und Vertretungen sowie zur Finanzierung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Die GEW fordert Bund und Länder auf, die Exzellenzinitiative schrittweise in ein Programm zur Stabilisierung von Beschäftigungsverhältnissen in der Wissenschaft („Pakt für gute Arbeit in der Wissenschaft“) zu überführen, das qualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Perspektive eines dauerhaften Verbleibs in Forschung, Lehre oder Wissenschaftsmanagement eröffnet. Mit dem „Pakt für gute Arbeit in der Wissenschaft“ sollen gezielt Hochschulen finanziert werden, die nach Maßgabe eines schlüssigen Personalentwicklungskonzepts den Anteil der unbefristeten Beschäftigungsverhältnisse erhöhen, die Laufzeit der befristeten Beschäftigungsverhältnisse ausdehnen und sich dabei auf eine aktive Gleichstellungspolitik und die familienfreundliche Gestaltung von Karrierewegen verpflichten.

Insgesamt erwartet die GEW von Bund und Ländern, dass sie bei der Finanzierung der Hochschulen den Trend zum Ausbau der projektförmigen Finanzierung zu Lasten der institutionellen Finanzierung umkehren und so die Grundlage für einen nachhaltigen Ausbau und eine soziale Öffnung der Hochschulen schaffen. Durch eine Verstetigung und Verstärkung des Hochschulpakts haben Bund und Länder die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in Deutschland wie in anderen Industrieländern über 50 Prozent eines Altersjahrgangs ein Hochschulstudium aufnehmen und erfolgreich abschließen können, und zwar – für alle Bache-lorabsolventinnen und -absolventen, die das möchten – bis zum Masterabschluss. Gleichzeitig sind die Betreuungsverhältnisse entsprechend den Empfehlungen des Wissenschaftsrats auf ein Verhältnis von 1:40 zwischen Hochschullehrer/innen und Studierenden zu verbessern. Der Ausbau und die Öffnung der Hochschulen bedarf einer gemeinsamen Anstrengung von Bund und Ländern, was wiederum voraussetzt, dass sich der Bund über die engen Voraussetzungen des Artikels 91b des Grundgesetzes hinaus an der institutionellen Finanzierung der Hochschulen beteiligen kann. Die GEW befürwortet eine entsprechende Erweiterung des Artikels 91b als Schritt in Richtung eines zukunftsfähigen, kooperativen Bildungsföderalismus.

Die GEW fordert Bund und Länder auf, ihre Personalvertretungsgesetze in der Weise zu ändern, dass diese an Hochschulen und Forschungseinrichtungen

  • die Vertretung aller Beschäftigten einschließlich der wissenschaftlichen und künstlerischen Hilfskräfte, studentischen Beschäftigten, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sowie der Lehrbeauftragten sichern,
  • die antragsungebundene Vertretung aller Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen ohne wissenschaftsspezifische Einschränkungen garantieren,
  • die Rechte der Personalräte und ihrer Mitglieder nicht durch die Gremien der akademischen Selbstverwaltung bzw. eine Mitgliedschaft in diesen einschränken lassen,
  • im Zusammenhang mit der jeweiligen Hochschulgesetzgebung sicherstellen, dass das Land bzw. der Bund Arbeitgeber bzw. Dienstherr ist und eine Stufenvertretung (Hauptpersonalrat) immer vorhanden ist,
  • auch bei kriterienuntersetzter Mittelvergabe und Globalbudgets die Mitbestimmung der Personalräte bei Haushaltsanmeldungen, Rahmenvereinbarungen bzw. Ziel- und Leistungsvereinbarungen sicherstellen,
  • Freistellungen für Personalratsmitglieder mindestens im Umfang des Betriebsverfassungsgesetzes vorsehen und absichern, dass es für Freistellungen auch Ersatzeinstellungen gibt bzw. andere wissenschaftsspezifische Freistellungsregelungen ermöglicht werden,
  • die Wahrnehmung des passiven Wahlrechts über die gesamte Wahlperiode auch für befristet Beschäftigte ermöglichen, ggf. durch Entfristung oder Verlängerung der Beschäftigungsverhältnisse.

Die GEW fordert Bund und Länder auf, ihre Gleichstellungsgesetze bzw. Hochschulgesetze in der Weise zu ändern, dass Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte wirksame Gestaltungsmöglichkeiten, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erhalten.

3. Länder

Im Bildungsföderalismus der Bundesrepublik Deutschland liegen wesentliche Kompetenzen für die Bildungs- und Forschungspolitik bei den Ländern. Daher können insbesondere die Länder wesentlich zur überfälligen Reform der Karrierewege in Hochschule und Forschung sowie zur Stabilisierung der Beschäftigungsbedingungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beitragen.

Die GEW fordert die Länder zu einer Reform ihrer Hochschulgesetze auf, die

  • allen Doktorandinnen und Doktoranden unabhängig von ihrer Finanzierungsart und von ihrem Beschäftigungsverhältnis den Status als vollwertige Mitglieder ihrer Hochschule mit aktivem und passiven Wahlrecht in der Gruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt,
  •  befristet beschäftigten Doktorandinnen und Doktoranden das Recht gibt, drei Viertel ihrer bezahlten Arbeitszeit für die eigene Qualifizierung zu nutzen,
  • die Beschäftigung von Lehrkräften für besondere Aufgaben sowie von administrativ-technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausschließlich in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen gestattet,
  • die Hochschulen verpflichtet, regelmäßig Berichte zur Lage und zu den Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie zur Gleichstellung von Frauen und Männern vorzulegen,
  • die Universitäten verpflichtet, promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (Postdocs) einen Tenure Track anzubieten, der diesen die Perspektive eines dauerhaften Verbleibs in Hochschule und Forschung eröffnet – unabhängig davon, ob eine Berufung auf eine Professur erfolgt oder nicht,
  • auf die Personalkategorie der wissenschaftlichen Hilfskraft mit Hochschulabschluss zu Gunsten einer einheitlichen Kategorie der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verzichten,
  • die Vergabe von Lehraufträgen ausschließlich zur Ergänzung des Lehrangebots zu gestatten, die Vergabe über einen Zeitraum von mehr als einem Semester sowie eine angemessene Vergütung vorzugeben, die Zeiten der Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen sowie der Betreuung und Beratung der Studierenden und die Wahrnehmung von Prüfungsverpflichtungen berücksichtigt.

Die GEW fordert die Länder auf, im Rahmen von Hochschulverträgen bzw. in Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Hochschulen, diese zu einer aktiven Personalpolitik und einem verantwortungsbewussten Umgang mit dem Instrument der Befristung von Beschäftigungsverhältnissen zu veranlassen. Hochschulen sind zu verpflichten,

  • auf Basis eines schlüssigen Personalentwicklungskonzepts ein angemessenes Verhältnis von unbefristeten und befristeten Beschäftigungsverhältnissen zu bestimmen und dieses in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen,
  • sich in einem Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zu einer aktiven Personalpolitik, zu berechenbaren Karrierewegen und stabilen Beschäftigungsbedingungen zu verpflichten.

4. Hochschulen und Forschungseinrichtungen

Die Reform von Personalstruktur und Berufswegen in der Wissenschaft ist nicht nur eine Herausforderung für die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern, sondern auch für die Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Ihre Autonomie in Wirtschafts- und Personalangelegenheiten wurde in den vergangenen Jahren stark ausgebaut. Die wissenschaftlichen Einrichtungen müssen jetzt unter Beweis stellen, dass sie mit dieser Autonomie verantwortungsvoll umgehen und die gewonnenen Gestaltungsspielräume für die Schaffung attraktiver Karrierewege und Beschäftigungsbedingungen nutzen.

Die GEW fordert Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf, sich zur Schaffung stabiler Beschäftigungsbedingungen und berechenbarer Karrierewege zu verpflichten. Vorbild für eine solche Selbstverpflichtungserklärung ist der Herrschinger Kodex, den die GEW 2012 vorgelegt hat. Die GEW erwartet von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, sich in einem Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ dazu zu bekennen,

  • mit Doktorandinnen und Doktoranden auf gleicher Augenhöhe Qualifizierungsvereinbarungen abzuschließen, die garantieren, dass sie qualitativ hochwertig betreut und bei der Aufnahme, Durchführung und dem erfolgreichen Abschluss ihres Promotionsvorhabens in
  • fächerübergreifenden Graduiertenzentren unterstützt werden, die auf freiwilliger Basis Austausch, Vernetzung und Qualifizierung von Promovierenden und ihren Betreuerinnen und Betreuern fördern,
  • promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (Postdocs) eine Tenure-Track-Option anzubieten, also die Zusage dauerhafter Beschäftigung nach Erfüllung einer Zielvereinbarung,
  • Mindeststandards für befristete Beschäftigungsverhältnisse zu gewährleisten, die die Befristung von Beschäftigungsverhältnissen mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur vorsehen, wenn die Beschäftigung tatsächlich der Qualifizierung mit dem Ziel einer Promotion, Habilitation oder einer entsprechenden zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung dient, die Beschäftigung überwiegend aus Drittmitteln finanziert ist oder zur Vertretung einer oder eines beurlaubten, freigestellten oder erkrankten Beschäftigten erfolgt, und darüber hinaus Mindestvertragslaufzeiten für Zeitverträge vorgeben,
  • Beschäftigungsverhältnisse mit studentischen Beschäftigten in der Regel für die Dauer von mindestens einem Jahr anzubieten,
  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern grundsätzlich eine Vollzeitbeschäftigung anzubieten und Teilzeitbeschäftigung nur auf ausdrücklichen Wunsch der oder des Beschäftigten vorzusehen,
  • Lehrbeauftragten sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse anzubieten, wenn diese dauerhaft Lehr- und Prüfungsaufgaben wahrnehmen,
  • die familienfreundliche Hochschule durch flexible Arbeits-, Lehrveranstaltungs- und Sitzungszeiten, bedarfsgerechte Kinderbetreuungsmöglichkeiten und eine familienfreundliche Personalpolitik zu verwirklichen, die die unverzügliche Besetzung von wegen Mutterschutz oder Elternzeit vakanten Stellen sicherstellt und zusätzliche Mittel für Vertretungen und Vertragsverlängerungen von vornherein einplant,
  • die familienpolitische Komponente des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, die eine Verlängerung von befristeten Beschäftigungsverhältnissen bei Betreuung von Kindern über die Höchstbefristungsdauer hinaus zulässt, grundsätzlich anzuwenden, solange diese gesetzliche Regelung nicht, wie von der GEW gefordert, verbindlich ausgestaltet ist,
  • eine gleichstellungsorientierte Personalentwicklung und Personalrekrutierung zu betreiben, die Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragten aktiv zu unterstützen und über eine Quotierung ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf allen Karrierestufen zu erreichen,
  •  eine aktive Personalplanung und -entwicklung zu betreiben, die allen Beschäftigten zielgruppenspezifische Informations-, Beratungs- und Fortbildungsangebote macht und durch einen zentralen Überbrückungsfonds die Zwischenfinanzierung von Beschäftigungsverhältnissen und so eine mittelfristige Vertragsdauer oder ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis auch beim Wechsel der Finanzierungsart ermöglicht,
  • die Beteiligung der Beschäftigten in der akademischen Selbstverwaltung durch Anrechnung von Gremientätigkeiten auf die Arbeitszeit, die aktive Unterstützung des Personalrats bzw. Betriebsrats und die Einbeziehung auch von Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie nebenberuflich Tätigen zu fördern.

Die GEW schlägt vor, dass die Einhaltung des Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ durch eine Ombudskommission überwacht wird. Dieser sollen gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten, darunter mindestens eine Doktorandin oder ein Doktorand und mindestens eine oder ein Postdoc, sowie externe Sachverständige, darunter mindestens ein Mitglied, das von einer an der Hochschule oder Forschungseinrichtung vertretenen Gewerkschaft vorgeschlagen wird, angehören. Die Hochschulen und Forschungseinrichtungen veröffentlichen regelmäßig Berichte zur Situation und zu den Perspektiven ihrer Beschäftigten unter besonderer Berücksichtigung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Qualifizierungsphase.

5. Tarifpolitik

Knapp 600.000 Kolleginnen und Kollegen arbeiten an den deutschen Hochschulen, über die Hälfte davon in Forschung und Lehre, weitere 100.000 Kolleginnen und Kollegen sind an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen beschäftigt. Der Bereich Hochschule und Forschung ist damit einer der größten im öffentlichen Dienst. Diesem Umstand muss auch die Tarifpolitik für den öffentlichen Dienst Rechnung tragen und ihren Beitrag zur Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Kolleginnen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen leisten. Die GEW wird dies in Verhandlungen mit den Arbeitgebern – Bund und Länder, Hochschulen und Forschungseinrichtungen – einfordern.

Die GEW fordert die Arbeitgeber in der Wissenschaft auf,

  • einem Arbeitgeberverband beizutreten und sich der Tarifbindung zu unterziehen,
  • einer Erweiterung des Geltungsbereichs der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes auf wissenschaftliche und künstlerische Hilfskräfte, studentische Hilfskräfte, Lehrbeauftragte sowie Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer zuzustimmen – alle Beschäftigten haben das Recht auf die kollektivvertragliche Absicherung ihrer Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen,
  • nach dem Vorbild des § 40 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Sonderregelungen für Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu vereinbaren, die die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen wissenschaftsadäquat ausgestalten, flexible Arbeitszeitregelungen ermöglichen, eine mobilitätsfreundliche Anerkennung von Erfahrungszeiten gewährleisten und die Zahlung von Ziel- und Funktionszulagen für die Erfüllung besonderer Ziele bzw. die Wahrnehmung besonderer Aufgaben vorsehen,
  • für befristet Beschäftigte eine besondere Zulage zu vereinbaren, die den Beschäftigten einen Ausgleich für ihr besonderes Weiterbeschäftigungsrisiko gewährt und Arbeitgebern einen Anreiz gibt, befristete Beschäftigungsverhältnisse nur dann zu begründen, wenn diese zwingend erforderlich sind,
  •  Maßnahmen auszuhandeln und zu ergreifen, die die „verantwortungsbewusste Handhabe der Befristungen im Wissenschaftsbereich“ sicherstellen, die 2006 in der Niederschriftserklärung zum TV-L von der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) und den Gewerkschaften vereinbart worden ist.

Der 27. ordentliche Gewerkschaftstag fordert den Hauptvorstand auf, eine GEW-Wissenschaftsoffensive zu starten, die

  • Aktivitäten zur Gewinnung und Bindung von Mitgliedern an Hochschulen und Forschungseinrichtungen intensiviert,
  • den Aufbau und die Stabilisierung von GEW-Hochschul- und Betriebsgruppen unterstützt,
  • Kolleginnen und Kollegen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen für die Mitarbeit in den GEW-Strukturen sowie in Selbstverwaltungsgremien, Betriebs- und Personalräten qualifiziert,
  • die Kampffähigkeit und Durchsetzungsmacht der Tarifbeschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen fördert.
Aktionsprogramm