Zum Inhalt springen

Wie ein Tarifvertrag entsteht - einfach erklärt

Ein Tarifvertrag legt beispielsweise fest, wie viel Geld Beschäftigte verdienen und wie viele Urlaubstage sie haben. Diese Regelungen werden zuvor von Arbeitgebern und Angestellten ausgehandelt. Eine GEW-Broschüre erklärt den Prozess ausführlich.

Was ist ein Tarifvertrag?

Ein Tarifvertrag ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber:innen und Gewerkschaften. Er regelt die Rechte und Pflichten von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen. Dazu gehören auch die Arbeitsbedingungen. Zum Beispiel:

  • Arbeitszeit
  • Lohn
  • Bezahlung während Krankheit
  • Kündigungsfristen
  • Schutz vor Kündigungen
  • Anzahl der Urlaubstage
  • Sonderzahlungen zu Weihnachten oder für den Urlaub
  • Teilzeit arbeiten

Ein Tarifvertrag steht rechtlich über einem Arbeitsvertrag. Das heißt: Die Regelungen in einem Tarifvertrag haben Vorrang vor den Regelungen in einem Arbeitsvertrag.

Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung

Was ist der Unterschied zwischen Arbeitsvertrag und Tarifvertrag?

Ein Arbeitsvertrag ist ein Vertrag zwischen Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen. Er regelt die Arbeitsbedingungen für ein bestimmtes Arbeitsverhältnis. Zum Beispiel:

  • Wie viel Lohn erhält die beschäftigte Person?
  • Wie lang ist ihre Arbeitszeit?
  • Welche Aufgaben hat die beschäftigte Person?
  • Wie viele Urlaubstage erhält sie?
  • Mit welcher Frist kann das Arbeitsverhältnis gekündigt werden?

Viele Bestimmungen im Arbeitsvertrag basieren auf Gesetzen, zum Beispiel dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). In vielen Gesetzen sind aber nur Bedingungen geregelt, die von den Arbeitgeber:innen mindestens erfüllt werden müssen. In einem Tarifvertrag werden meistens bessere Bedingungen für alle Arbeitnehmer:innen festgelegt als in einem Arbeitsvertrag. In einem Arbeitsvertrag können also andere Regeln stehen als in einem Tarifvertrag. Es gilt aber immer die bessere Regelung für Arbeitnehmer:innen! Das heißt: Günstigkeitsprinzip.

Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung

Das Bundesurlaubsgesetz regelt: Arbeitnehmer:innen haben mindestens 24 Werktage Urlaub im Jahr.

  • Regelung im Arbeitsvertrag: Arbeitnehmer:innen erhalten 28 Urlaubstage im Jahr.
  • Regelung im Tarifvertrag: Arbeitnehmer:innen erhalten 30 Urlaubstage im Jahr.

Dann gilt: Arbeitnehmer:innen erhalten 30 Tage Urlaub im Jahr!

Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung

Was ist eine Öffnungsklausel?

Viele Arbeitsbedingungen sind bereits durch Gesetze geregelt. Diese Gesetze regeln Bedingungen, die von den Arbeitgeber:innen mindestens erfüllt werden müssen. Es gibt Gesetze, die durch einen Tarifvertrag nicht geändert werden dürfen. Zum Beispiel das Bundesurlaubsgesetz für Arbeitnehmer (§ 1 Urlaubsanspruch). Darin steht: Alle Arbeitnehmer:innen haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub.

Es gibt aber auch Gesetze mit einer Öffnungsklausel. Diese Klausel macht es möglich, dass eine Regelung in einem Tarifvertrag von den Mindestbedingungen abweichen darf: Im Tarifvertrag darf dann eine für Arbeitnehmer:innen schlechtere Regelung stehen als im Gesetz.

Eine Öffnungsklausel darf nur bei einem Tarifvertrag angewendet werden. Das schützt die Arbeitnehmer:innen davor, dass ihre Arbeitsbedingungen schlechter sind als gesetzlich vorgeschrieben. Denn: Im Gegensatz zu einem Arbeitsvertrag müssen Arbeitgeber:innen einen Tarifvertrag mit einer oder mehreren Gewerkschaften aushandeln.

Gewerkschaften sind stärker als einzelne Beschäftigte, deshalb können sie meistens bessere Regelungen für Arbeitgeber:innen durchsetzen. Und sie haben viele Fachleute, die sich mit den Gesetzen für Arbeitsbedingungen auskennen.

Das Bundesurlaubsgesetz regelt: Urlaub darf in das nächste Jahr übertragen werden, wenn es dafür wichtige Gründe gibt. Im Gesetz gibt es eine Öffnungsklausel. Daher darf ein Tarifvertrag regeln, dass der Urlaub nicht in das nächste Jahr übertragen werden darf.

Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung

Was ist eine Tarifvertragspartei?

Ein Tarifvertrag ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften. Ein Tarifvertrag wird also zwischen zwei Parteien vereinbart: Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften. Eine beteiligte Partei heißt deshalb Tarifvertragspartei.

Oft schließen sich mehrere Arbeitgeber*innen aus einer Branche zusammen und bilden einen Arbeitgeberverband. Ein Arbeitgeberverband kann mit einer Gewerkschaft einen Tarifvertrag abschließen. Dann ist der Arbeitgeberverband eine Tarifvertragspartei.

Oft schließen sich auch Gewerkschaften von ähnlichen Branchen zusammen und schließen gemeinsam einen Tarifvertrag mit einem Arbeitgeberverband oder mit mehreren Arbeitgeberverbänden ab. Dann bilden die beteiligten Gewerkschaften ebenfalls eine Tarifvertragspartei. Eine Tarifvertragspartei handelt immer im Auftrag ihrer Mitglieder.

Für wen gilt ein Tarifvertrag?

Ein Tarifvertrag gilt für die Tarifvertragsparteien, die den Vertrag abgeschlossen haben. Das heißt: Für die Mitglieder der Gewerkschaften und die Mitglieder der Arbeitgeberverbände.

Ein Tarifvertrag kann auch für Arbeitnehmer*innen gelten, die nicht in einer Gewerkschaft sind. Dann muss in ihrem Arbeitsvertrag stehen: Der Tarifvertrag gilt.

Ein Tarifvertrag legt meistens bessere Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer*innen fest als ein Arbeitsvertrag. Deshalb wollen viele Arbeitgeber*innen keine Tarifverträge abschließen. Wenn viele Arbeitnehmer*innen in einer Gewerkschaft sind, ist eine Gewerkschaft stark. Dann kann sie Tarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen.

Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung

Wie kommt ein Tarifvertrag zustande?

Die Tarifvertragsparteien müssen sich auf die Regeln im Tarifvertrag einigen. Beide Parteien haben bestimmte Vorstellungen, welche Regeln in den Vertrag aufgenommen werden sollen. Meistens haben beide Parteien unterschiedliche Vorstellungen über die Regeln. Arbeitgeber:innen wollen zum Beispiel Arbeitnehmer:innen wenig Lohn für viel Arbeitszeit zahlen. Die Gewerkschaften wollen mehr Lohn, mehr Urlaubstage und sichere Arbeitsplätze. Diese unterschiedlichen Vorstellungen der Tarifvertragsparteien heißen Forderungen.

Die Mitglieder der Gewerkschaften diskutieren zuerst darüber, welche Forderungen sie stellen wollen. Dann stimmen sie darüber ab, welche Forderungen sie stellen. Die Arbeitgeber:innen und ihre Verbände gehen genauso vor. Dann treffen sich die beteiligten Tarifvertragsparteien und verhandeln über ihre Forderungen. Das heißt Tarifverhandlung.

Bei einer Tarifverhandlung verhandeln die Gewerkschaften im Auftrag ihrer Mitglieder. So muss nicht jede Person allein ihre Arbeitsbedingungen verhandeln. Das ist viel einfacher und gemeinsam können Arbeitnehmer:innen viel mehr erreichen.

Wenn sich die Tarifvertragsparteien geeinigt haben, schreiben sie die vereinbarten Regeln in einen Tarifvertrag. Dabei wird auch die Mindestlaufzeit für den Tarifvertrag festgelegt. In dieser Zeit herrscht Friedenspflicht zwischen den Tarifvertragsparteien. Das heißt: Arbeitnehmer:innen dürfen nicht wegen Forderungen streiken, die in diesem Tarifvertrag bereits geregelt sind. Wenn die Mindestlaufzeit vorbei ist, dürfen die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag kündigen. Dann dürfen sie für Forderungen streiken, die den gekündigten Tarifvertrag betreffen.

Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung

Wie kann eine Gewerkschaft Forderungen durchsetzen?

Gewerkschaften haben viele Möglichkeiten, für ihre Forderungen zu kämpfen. Der allgemeine Begriff dafür ist Arbeitskampf. In der Regel machen die Mitglieder von Gewerkschaften öffentlich auf ihre Forderungen aufmerksam. Das heißt: Sie informieren Presse, Politiker:innen und Berufsverbände über ihre Forderungen. Sie demonstrieren auch öffentlich für ihre Forderungen. So erfahren viele Menschen von ihren Forderungen und können diese unterstützen. Je mehr öffentliche Unterstützung die Gewerkschaften erhalten, desto größer wird der Druck auf die Arbeitgeber:innen.

Gleichzeitig verhandeln die Gewerkschaften weiter mit den Arbeitgeber:innen über ihre Forderungen. Wenn sich die Tarifvertragsparteien nicht einigen können, sind die Tarifverhandlungen gescheitert. Dann dürfen die Gewerkschaften die Arbeitnehmer:innen zum Streik aufrufen.

Arbeitnehmer:innen dürfen nur streiken, wenn die Gewerkschaft zum Streik aufruft und keine Friedenspflicht besteht. Das ist der Fall:

  • Wenn es für ihre Forderungen noch keine tarifliche Regelung gibt
  • Wenn die Regeln im Tarifvertrag durch die Kündigung des Tarifvertrages nicht mehr gültig sind.
Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung

Was passiert bei einem Streik?

Bei einem Streik legen Arbeitnehmer:innen die Arbeit für eine bestimmte Zeit nieder. Das heißt: Sie gehen nicht zur Arbeit. Die Tarifvertragsparteien verhandeln während dieser Zeit in der Regel weiter. Die Gewerkschaften machen oft gleichzeitig durch Demonstrationen öffentlich auf ihre Forderungen aufmerksam.

Die Mitglieder einer Gewerkschaft stimmen darüber ab, ob sie streiken wollen. Diese Abstimmung heißt Urabstimmung. Gewerkschaften können Arbeitgeber:innen aber auch erst einmal vor diesem Schritt warnen: Dann legen Arbeitnehmer:innen ihre Arbeit nur für kurze Zeit nieder. Das heißt: Sie zeigen mit einem kurzen Streik, dass sie stark genug für einen längeren Streik sind. Für einen solchen Warnstreik ist keine Urabstimmung nötig.

Manchmal streiken Arbeitnehmer:innen solange, bis die Arbeitgeber:innen nachgeben. Das heißt: Erzwingungsstreik. Arbeitgeber:innen müssen streikenden Arbeitnehmer:innen keinen Lohn zahlen. Mitglieder von Gewerkschaften erhalten bei einem Streik deshalb Streikgeld von ihrer Gewerkschaft.

Arbeitgeber:innen dürfen Arbeitnehmer:innen auch aussperren. Das heißt: Diese dürfen dann nicht mehr an ihre Arbeitsplätze und arbeiten. Das betrifft auch Arbeitnehmer:innen, die nicht Mitglied in einer Gewerkschaft sind. Bei einer Aussperrung erhalten Arbeitnehmer:innen keinen Lohn. Eine Aussperrung kommt aber sehr selten vor

Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung

Was ist eine Schlichtung?

Wenn sich die Tarifvertragsparteien nicht einigen, können sie jederzeit eine Schlichtung vereinbaren. Bei einer Schlichtung hört sich eine unabhängige Person die Forderungen beider Seiten an. Diese Person heißt Schlichter:in. Bei einer Schlichtung kann es auch mehrere Schlichter:innen geben. Schlichter:innen machen Vorschläge für Kompromisse im Tarifvertrag.

Die Gewerkschaft stellt diese Vorschläge ihren Mitgliedern vor. Die Mitglieder diskutieren über die Vorschläge, dann stimmen sie darüber ab. Die Arbeitgeber:innen machen das genauso. Wenn beide Tarifvertragsparteien den Vorschlägen zustimmen, gibt es eine Tarifeinigung.

Wenn eine Tarifvertragspartei nicht einverstanden ist, dann wird ein neuer Vorschlag verhandelt. Wenn bei einer Schlichtung keine Einigung erzielt wird, können Arbeitnehmer:innen auch wieder einen Arbeitskampf führen.

Der Erfolg einer Tarifverhandlung hängt davon ab, wie stark eine Gewerkschaft ist. Je mehr Mitglieder eine Gewerkschaft hat, desto stärker ist sie. Wenn viele Arbeitnehmer:innen gemeinsam für ihre Forderungen kämpfen, können sie ihre Forderungen besser durchsetzen!
Illustration: sandruschka. Raum für Gestaltung