GEW-Ratgeber: 10 Tipps für freie Lehrkräfte
Immer mehr Jobs werden mit freien Lehrkräften besetzt: Fast alle Weiterbildungsträger setzen auf Honorarlehrkräfte, viele Hochschulen halten ihren Betrieb nur durch massenhaften Einsatz von Lehrbeauftragten aufrecht. Diese werden derweil ausschließlich für den geleisteten Unterricht bezahlt und müssen auch ihre Sozialversicherungsbeiträge selbst tragen. Sie haben keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keinen bezahlten Urlaub und erhalten nur selten Ausfallhonorare. Die Verträge kommen oft kurzfristig zustande und es gibt keine Sicherheit, dass sie über den aktuellen Kurs hinaus weiter beschäftigt werden.
Die GEW will sich mit diesen prekären Verhältnissen nicht abfinden und strebt eigene Tarifverträge für Honorarlehrkräfte an. Mit dem im März 2020 vollständig aktualisierten, zum Download bereitstehenden Ratgeber „Richtig selbstständig?“ geben wir zudem Orientierungshilfen für die Praxis: von der Vertragsgestaltung über Versicherungen bis zum Steuerrecht. Online haben wir hier die zehn wichtigsten Tipps aus dem Ratgeber zusammengefasst.
Die Einkommen freier Lehrkräfte liegen mit durchschnittlich 1.589 Euro netto im Monat fast am unteren Ende der Skala aller Freien Berufe. Festangestellte Vollzeitlehrkräfte im Schuldienst verdienen dagegen monatlich zwischen 3.000,– Euro und 6.200,– Euro brutto.
Für Integrationskurse werden 35 Euro pro Unterrichtseinheit (45 Minuten) gezahlt. Das Honorar für andere Kurse an Volkshochschulen liegt meist darunter. Firmenkurse oder innerbetriebliche Fortbildungen haben deutlich höhere Sätze. Hochschulen zahlen für Lehraufträge meist zwischen 20 und 45 Euro pro 45 Minuten. Die realen Tagessätze im Unterrichtsbereich liegen damit nur selten höher als 160 Euro.
Die Frage nach der wirtschaftlichen Tragfähigkeit erfordert einen kleinen Aufwand, doch empfehlen wir sehr, sie zu untersuchen. Kann die selbstständige Tätigkeit die notwendigen Kosten decken? Überlegen Sie auch, ob Sie sich bewusst für das freiberufliche Arbeiten entschieden haben, weil Sie eine gewisse Autonomie haben wollten oder ob Sie eher ungeplant in eine Honorartätigkeit geraten sind?
Schätzen Sie dann realistisch ein, wieviel Geld Sie im Jahr oder im Monatsdurchschnitt benötigen - inklusive einer Pauschale für Unvorhergesehenes. Ein Kalenderjahr hat rund 250 Arbeitstage. Davon sollten auch FreiberuflerInnen 4 Wochen für Urlaub und 14 Tage wegen Krankheit abziehen. Bleiben also etwa 216 Tage übrig. Für Akquise und Verwaltung müssen ein Tag pro Woche einberechnet werden, zudem ist Zeit für Konzept- und Materialentwicklung oder eigene Fortbildungen einzubeziehen.
Unterm Strich kann beziehungsweise muss an maximal 130 Tagen der erforderliche Umsatz erarbeitet werden. Darin enthalten sein müssen Betriebsausgaben, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Der erforderliche Umsatz geteilt durch 130 ergibt den nötigen Tagessatz. Um vergleichbar einer angestellten Lehrkraft 4.000 Euro brutto im Monat zu verdienen, müssen mehr als 50.000 Euro pro Jahr eingenommen werden. Damit beginnen entsprechende Tagessätze bei 385 Euro.
Im Bildungsbereich ist es üblich, dass der Auftraggeber das Honorar vorgibt, Verhandlungsspielraum gibt es meist nicht. Ihr stärkstes Argument ist hier immer ein klares "Nein". Sie wissen, wie viel Sie pro Monat einnehmen müssen, um leben und für das Alter vorsorgen zu können.
Oft ist eine freie Lehrtätigkeit nicht wirtschaftlich tragfähig, weil die Honorare zu niedrig oder nicht genug Auftraggeber vorhanden sind. Sie müssen dennoch von dieser Tätigkeit Ihren Lebensunterhalt bestreiten. Ist der Gewinn geringer als der erforderliche Lohn, müssen Sofortmaßnahmen getroffen werden - etwa die Beantragung von ALG II und Wohngeld oder ein Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag. Bei plötzlichen Einkommenseinbußen von mehr als 30 Prozent kann bei der Deutschen Rentenversicherung die sogenannte Sozialklausel in Anspruch genommen werden. Beiträge werden dann nur nach laufendem Einkommen fällig. Es kann auch sinnvoll sein, eine Selbstständigkeit als Lehrkraft durch eine Teilzeitanstellung in einem Mini-Job zu ergänzen.
Bei einem Freien Dienstvertrag müssen Sie eine bestimmte Zeit für den Auftraggeber arbeiten. Dieser muss Sie in der vereinbarten Höhe bezahlen, sobald Sie den Unterricht geleistet haben, oder wenn er ihn absagt. Bei einem Werkvertrag werden Sie für das vollständige mängelfreie Produkt bezahlt, unabhängig davon, wie lange Sie dafür gebraucht haben.
Der oft verwendete Begriff der Scheinselbstständigkeit kann sich bei Solo-Selbstständigen auf zwei verschiedene Sachverhalte beziehen. Wenn Sie auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen einzigen Auftraggeber tätig sind, kann daraus eine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung folgen. Oder Sie arbeiten als FreieR MitarbeiterIn in einem Betrieb und müssen dort Anweisungen von Vorgesetzten befolgen. Dann wären Sie einE sozialversicherungspflichtigeR BeschäftigteR.
Das hat Folgen für den Auftraggeber, der dann alle Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen muss. Sie selbst könnten sich die gezahlten Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung erstatten lassen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ist für die Überprüfung solcher Fälle zuständig. Sollten das Sozialgericht oder die DRV befinden, dass ein Beschäftigungsverhältnis als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis einzustufen sei, dann könnte - unbedingt mit Rechtsbeistand, etwa durch den gewerkschaftlichen Rechtsschutz - der Gang zum Arbeitsgericht sinnvoll sein.
Unabhängig von der Frage der Scheinselbstständigkeit sind viele Honorarlehrkräfte arbeitnehmerähnliche Personen im arbeitsrechtlichen Sinn. Wenn Sie als Lehrkraft auf der Basis von Werk- oder Dienstverträgen mehr als 50 Prozent Ihrer Einnahmen von einem einzigen Auftraggeber erhalten, gelten Sie als arbeitnehmerähnliche Person und haben unter anderem Anspruch auf bezahlten Urlaub. Gewerkschaften können für diese Gruppe Tarifverträge abschließen.
Für eineN SelbstständigeN sind Einnahmen alle Honorare, und sonstigen Einnahmen (z.B. pauschale Reisekostenzuschüsse), die im Laufe eines Jahres erzielt werden. Von diesem Umsatz werden alle Betriebsausgaben abgezogen, also alle beruflich verursachten Kosten. Was nach Abzug der Betriebsausgaben von den Honoraren übrig bleibt, ist der zu versteuernde Gewinn.
Für nebenberufliche wissenschaftliche oder Lehr- und Prüfungstätigkeit (auch Nachhilfeunterricht) an privat(rechtlich)en und nicht gemeinnützigen Einrichtungen können anstelle der nachgewiesenen Betriebsausgaben auch 25 Prozent der Einnahmen als Betriebskostenpauschale abgezogen werden - bis zu einer Höchstgrenze von 614 Euro im Jahr.
JedeR Selbstständige muss sich zu Beginn der Tätigkeit beim Finanzamt anmelden und eine Steuernummer beantragen. Für die Einkommensteuererklärung reicht eine formlose Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben. Die Belege werden nur auf Anfrage nachgereicht, müssen aber nachvollziehbar sein und fünf Jahre sorgfältig aufbewahrt werden. Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung (= Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG) wird als Anhang zur Anlage S (Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit) beim Finanzamt zusammen mit der normalen Steuererklärung eingereicht. Das muss elektronisch erfolgen (https://www.elster.de).
Komplizierter ist es für Lehrkräfte, die umsatzsteuerpflichtig sind - die meisten sind jedoch davon befreit. Die wenigen Lehrkräfte, die umsatzsteuerpflichtig sind, sollten darauf achten, dass die Umsatzsteuer von 19 Prozent auf das vereinbarte Honorar aufgeschlagen wird.
Eine Krankenversicherung (KV) ist für hauptberufliche Selbstständige Pflicht. Dazu stehen eine private oder die gesetzliche Krankenversicherung zur Auswahl. Langfristig gesehen empfiehlt sich aus Sicht der GEW die gesetzliche Krankenversicherung (mit einem Wahltarif für Krankengeld), weil private Anbieter profitorientiert und nicht am Solidarsystem orientiert arbeiten.
Wer aus selbstständiger Tätigkeit als Lehrkraft mehr als 450 Euro im Monat oder 5.400 Euro im Jahr verdient, muss sich zudem in der gesetzlichen Rentenversicherung (DRV) versichern. Der zugrunde gelegte Verdienst ist der Gewinn, also Honorareinnahmen minus Betriebsausgaben.
Musik- und Kunstlehrkräfte, DozentInnen für publizistische Fächer oder TanzpädagogInnen kommen auch für eine Aufnahme in die Künstlersozialkasse in Frage. Diese finanziert ihren Versicherten die Hälfte der Sozialversicherungsbeiträge.
Während ein Arbeitgeber seine Angestellten in der gesetzlichen Unfallversicherung für die Folgen von Berufsunfällen, Berufskrankheiten und Unfällen auf dem Weg zur Arbeit absichern muss, gibt es für Honorarkräfte keinen automatischen Schutz. Als freiberufliche Lehrkraft sollte man in die Verwaltungsberufsgenossenschaft eintreten. Zu deren Leistungen gehören Verletztengeld bei Berufsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall. Die Prämie hängt vom versicherten Einkommen ab.
Eine berufliche Haftpflichtversicherung kann sinnvoll sein, weil die private Haftpflicht keine Kosten für beruflich bedingte Schäden trägt. Für GEW-Mitglieder ist sie im Mitgliedsbeitrag enthalten, außerdem erhalten Mitglieder umfassenden Rechtsschutz.
Für Selbstständige gibt es die Möglichkeit, sich in der Arbeitslosenversicherung weiterzuversichern. In Frage kommt diese Möglichkeit nur, wenn der oder die Selbstständige innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der hauptberuflichen Selbstständigkeit beim Arbeitsamt einen Antrag auf Weiterversicherung stellt. Unmittelbar davor muss er oder sie entweder mindestens 12 Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben oder aber Arbeitslosengeld bezogen haben.
Es empfiehlt sich die gesetzliche Krankenversicherung (KV), denn ein späterer Wechsel von der privaten in die gesetzliche KV ist in der Regel nicht möglich. In die gesetzliche KV kommen Freiberufler allerdings nur, wenn sie zuvor auch gesetzlich versichert waren. Kinder und Partner ohne Einkommen sind in der gesetzlichen KV kostenlos mitversichert, Krankengeld oder Mutterschaftsgeld sind im Beitrag enthalten. Die Beiträge richten sich nach dem Einkommen. Bei einer privaten Versicherung sind sie dagegen unabhängig vom Lohn, was im Alter teuer werden kann. Die Beiträge zur gesetzlichen KV sind indes auch nicht niedrig, weil die Krankenkasse für hauptberuflich Selbstständige ein Einkommen von 4687,50 Euro oder auf Antrag von 1.061,67 Euro pro Monat (beides Stand 2020) zugrunde legt. Für einen erhöhten Beitragssatz können Versicherte Krankengeld ab der 7. Woche der Arbeitsunfähigkeit erhalten. Die gesetzlichen Krankenkassen bieten als „Wahltarif“ auch Krankengeld ab einem früheren Zeitpunkt, oft nach drei Wochen, an.
Wer als selbstständige Lehrkraft mehr als 450 Euro im Monat oder 5.400 Euro im Jahr verdient, muss sich in der gesetzlichen Rentenversicherung versichern. Der zugrundegelegte Verdienst ist der Gewinn, also Einnahmen minus Betriebsausgaben.
Der Regelbeitrag ist mit 592,41 Euro pro Monat (alte Bundesländer) und 559,86 Euro pro Monat (neue Bundesländer / Stand 2020) recht hoch. Berufsanfänger in den ersten drei Jahren nach Gründung zahlen den halben Regelbeitrag. Wer ein niedriges Einkommen hat, kann beantragen, einkommensgerechte Beiträge zu zahlen, und wird dann mit 18,6 Prozent (Stand 2020) des Einkommens eingestuft. Die Beiträge können beim Finanzamt als Sonderausgaben geltend gemacht werden. Für einen Anspruch auf Altersrente muss eine Mindestversicherungszeit von fünf Jahren vorliegen.
Aufgrund der Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung sind auch Leistungen wie eine Absicherung von Ehe- oder LebenspartnerInnen sowie Kindern gegeben und eine Erwerbsminderungsrente ist möglich. Neben den Renten gehört zu den Leistungen der DRV auch die medizinische und berufliche Rehabilitation zur Vermeidung einer Erwerbsminderung
Als Beitragszeiten gelten auch Zeiten der beruflichen Ausbildung, der Pflege eines Familienmitglieds sowie der Zivil-, Bundesfreiwilligen- oder Wehrdienst. Phasen der Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit, die Mutterschutzfristen bei einer Schwangerschaft oder Zeiten einer Rehabilitationsmaßnahme können wie Erziehungszeit angerechnet werden.
Die Versicherungspflicht führt für AkademikerInnen, die wenig Chancen haben, 45 Beitragsjahre zu erreichen und gleichzeitig unterdurchschnittlich verdienen, zu hohen finanziellen Belastungen bei wenig Aussicht auf eine Altersrente oberhalb der Grundsicherung. Eine zusätzliche private Altersvorsorge gilt daher seit Jahren als dringend erforderlich. Für geringverdienende selbstständige Lehrkräfte bieten die Riester- oder Rürup-Modelle allerdings keine echten Anreize. Dennoch sollte jedeR sich Gedanken über eine Risikolebensversicherung oder private Rente machen.
Alle Selbstständigen, die in einer gesetzlichen KV mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind, haben während der gesetzlichen Mutterschutzfristen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Das sind 70 Prozent des Einkommens. Außerdem fallen in der Zeit keine KV-Beiträge an. Privat Versicherte bekommen je nach Vertrag einen Zuschuss, zahlen aber durchgehend Beiträge.
Selbstständige erhalten auch Kindergeld: Für die ersten beiden Kinder gibt es derzeit monatlich je 204 Euro (Stand 2020).
Elterngeld kann bis zu 14 Monate lang bezogen werden und ersetzt den Einkommensausfall in Höhe von 65 bis 100 Prozent des Gehalts vor der Geburt. Es beträgt 300 bis 1.800 Euro monatlich. Für Geburten ab Juli 2015 ist auch das Elterngeld Plus möglich: der Betrag wird halbiert, der Zeitraum verdoppelt. Als Partnerschaftsbonus gibt es weitere vier Monate Förderung, wenn beide Partner gleichzeitig in Teilzeit arbeiten. Elterngeld und Elterngeld plus können kombiniert werden. Dann ist eine Förderung bis zu 22 Monaten möglich.
Eine Mitgliedschaft in der GEW ist besser als alleine für gerechtere Arbeitsbedingungen und höhere Honorare zu streiten. Denn eine einzelne Honorarkraft ist immer ungeschützt und sozial verwundbar. Wenn hingegen eine Gewerkschaft sich mit den Honorarlehrkräften, Lehrbeauftragten und DozentInnen für mehr Gerechtigkeit einsetzt und vielleicht sogar in Tarifverhandlungen für die Übernahme von Arbeitgeberanteilen zu den Sozialversicherungsbeiträgen agiert, sind die Einzelnen nicht nur besser geschützt, sondern auch stärker.
Die GEW setzt sich zudem kontinuierlich für die Gruppe der selbstständigen Lehrkräfte ein: für eine bessere Anerkennung akademischer Ausbildungszeiten bezüglich der Rentenversicherung und für einen besseren Zugang der freiberuflichen Lehrkräfte zur Künstlersozialkasse. Außerdem sind mit der Mitgliedschaft eine Berufshaftpflichtversicherung und Rechtsschutz verbunden.
Selbstständige Lehrkräfte zahlen als Beitrag pro Monat 0,55 Prozent des durchschnittlichen monatlichen Honorars. Beispiel: Das Jahreshonorar beträgt 30.000 Euro, das sind monatlich 2.500 Euro. Davon 0,55 Prozent sind 13,75 Euro Monatsbeitrag zur GEW. Der Mindestbeitrag liegt 2020 bei 11,58 Euro.