Einstellungschancen für Lehrkräfte
Immer wieder wenden sich Studierende oder Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst an die GEW mit der Frage „Wo habe ich die besten Einstellungschancen?“ Keine einfache Antwort, aber eine Orientierung.
Stand: 23.08.2023
Ein Studium mit Einstellungsgarantie – diese Wunschvorstellung wird nicht in Erfüllung gehen! Schaut man in die Vergangenheit, so stellt man fest, dass der Lehrkräftearbeitsmarkt großen Schwankungen unterworfen war: Auf Phasen mit hohen Einstellungszahlen folgten Phasen mit niedrigen Einstellungen. Das schlägt sich in der Alterszusammensetzung der Lehrkräfte in Deutschland nieder, die eine ausgeprägte Wellenform aufweist.
Im Westen gab es viele Lehrerinnen und Lehrer, die in den 1970er Jahren angefangen haben, als die sog. Babyboomer im Schulalter waren. In den 1980ern dagegen wurden fast alle Absolventen nach dem Vorbereitungsdienst arbeitslos, nur wenige konnten nach und nach übernommen werden. Erst ab dem Beginn der 2000er Jahre wurden wieder vermehrt Lehrkräfte nachgefragt. Seit Beginn der Pensionierungswelle der in den 1970er Jahren Eingestellten kamen viele junge Kolleginnen und Kollegen hinzu.
Im Osten hingegen, wo nach dem Krieg viele sog. Junglehrer eingestellt worden waren, gab es in den 1980er Jahren einen hohen Ersatzbedarf. Nach der „Wende“ führten Abwanderung junger Menschen und Geburtenrückgang (sowie eine Arbeitszeitverlängerung gegenüber der DDR-Lehrverpflichtung) dazu, dass über 20 Jahre lang „zu viele“ Lehrkräfte an Bord waren. Die noch zu DDR-Zeiten ausgebildeten Lehrkräfte erreichen jetzt nach und nach das Rentenalter, so dass in allen östlichen Bundesländern der Bedarf aktuell besonders ausgeprägt ist.
Die individuellen Einstellungschancen hängen aber nicht nur von der Nachfrage nach Lehrkräften ab, sondern auch von der Zahl der Absolventen der Lehramtsstudiengänge. Diese weisen ein ähnliches wellenförmiges Muster auf: In Zeiten hoher Lehrkräftenachfrage beginnen viele Abiturienten ein Lehramtsstudium, während eine hohe Lehrerarbeitslosigkeit, wie z.B. in den 1980er Jahren im Westen Deutschlands, abschreckend wirkt. Während Anfang der 1990er Jahre nicht mal 15.000 Menschen pro Jahr ein zweites Staatsexamen in einem Lehramt ablegten, sind es seit einiger Zeit rund 30.000 pro Jahr. Insbesondere im Osten wurde in den 1990er Jahren die Lehrkräfteausbildung an den Unis abgebaut und viel zu spät wieder hochgefahren.
Die Kultusministerkonferenz (KMK) legt regelmäßig eine Prognose des erwarteten künftigen Lehrkräftebedarfs vor. Im Frühjahr 2015 (mit Daten aus 2014) ging die KMK von einer stark rückläufigen Nachfrage nach Lehrkräften aus, von damals über 30.000 pro Jahr auf rund 20.000 im Jahr 2025. Diese Prognosen haben sich sehr schnell als unrealistisch herausgestellt. Steigende Geburtenzahlen und hohe Zuwanderung (auch) von jungen Menschen haben die Schülerzahlen weit über die 2014 erwarteten Werte hinaus ansteigen lassen, außerdem arbeiten immer mehr Lehrkräfte in Teilzeit.
Die letzte KMK-Prognose vom März 2022 ermittelte für 2025 einen voraussichtlichen Einstellungsbedarf von über 37.000, für 2030 immer noch 32.000 und für 2035 von 28.000 Lehrkräften. Aber auch dieser von der KMK prognostizierte Rückgang – der Basis für die Ausbildungsplanung der Bundesländer ist – wird von vielen Expert*innen bereits heute für unrealistisch gehalten.
Der markanteste Unterschied in den Einstellungschancen besteht zwischen Ost und West: Hier ergibt sich schon aus der Alterszusammensetzung der Lehrerschaft (siehe oben) ein unterschiedlicher Bedarf an Neueinstellungen. Aber auch innerhalb der alten Bundesrepublik lässt sich ein Nord-Süd-Gefälle ausmachen: Während im Süden manche Absolvent*innen leer ausgehen, sind die Aussichten im Norden weitaus besser. Generell gilt, dass in ländlichen Regionen und an „Problemschulen“ in den Großstädten eher Stellen unbesetzt bleiben, während es in und um die Universitätsstädte mehr Bewerbungen als freie Stellen gibt. Wer räumlich flexibel und offen für Neues ist, erhöht daher seine individuellen Einstellungschancen erheblich.
Darüber hinaus bestehen Unterschiede zwischen den Schulformen. Nach der Prognose der KMK ist mittelfristig ein Überangebot an Lehrkräften vor allem im Bereich Gymnasium zu erwarten. Dagegen werden für gewerbliche Fächer an Berufsschulen und in den sonderpädagogischen Fächern weiterhin zu wenige Lehrkräfte ausgebildet. Aus demografischen Gründen folgt dem aktuell besonders großen Mangel an Grundschullehrkräften schon in wenigen Jahren ein ausgeprägter Mangel im Bereich der nicht-gymnasialen Schulen der Sekundarstufe I. Die GEW fordert daher schon lange, Lehrkräfte nicht mehr für Schulformen, sondern für Schulstufen auszubilden. Das in vielen Bundesländern immer noch an Schulformen orientierte Laufbahnrecht erweist sich nämlich oft als Mobilitätsbremse und Einstellungshemmnis.
Überlagert wird diese Tendenz durch fächerspezifische Mangellagen: In den MINT-Fächern (Mathe/Informatik/Naturwissenschaft/Technik), in denen sich auch außerhalb von Schule sehr gute Einkommensperspektiven bieten, besteht traditionell ein besonders ausgeprägter Lehrkräftemangel, ebenso im Bereich Musik und Kunst. Wer nach dem Abitur mit dem Berufswunsch „Lehrerin/Lehrer“ an die Uni kommt, sollte sich also die Fächerwahl gut überlegen.
Alle Bundesländer haben im Internet Bewerbungsportale oder Informationsseiten veröffentlicht. Die GEW-Landesverbände beraten ihre Mitglieder umfassend, auch in Fragen der Bezahlung und der Verbeamtung . Schon während der Ausbildung, spätestens aber beim Berufsstart ist jeder gut beraten, eine starke Gewerkschaft an seiner Seite zu haben!