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Anerkennung und Beschäftigung ukrainischer Lehrkräfte

In fast allen Bundesländern sind bereits neu zugewanderte Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte aus der Ukraine beschäftigt. Bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen und den Bedingungen ihrer Beschäftigung ist aber noch vieles ungeklärt.

„Wir brauchen die zugewanderten Lehrkräfte und Pädagog*innen mehr denn je und fordern Erleichterungen bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen. (...) Viele scheitern an formalen Hürden oder erhalten befristete Verträge als pädagogische Aushilfen und werden schlechter bezahlt. Das ist weder fair noch zielführend.“ (Maike Finnern)

Die GEW gibt Antworten auf häufige Fragen

Mit Blick auf die Anerkennung internationaler Berufsabschlüsse und -qualifikationen und die Arbeitsmarktintegration im Ausland ausgebildeter Lehr- und pädagogischen Fachkräfte gibt es sehr unterschiedliche Regelungen und damit verbundene Unklarheiten. Das betrifft etwa Voraussetzungen oder Verfahren zur Anerkennung und Möglichkeiten zur Nachqualifizierung, aber auch Beschäftigungsbedingungen sowie Eingruppierung und Gehalt.

Anerkennung in Deutschland ist das zentrale Informationsportal der Bundesregierung zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Fachkräften, die in Deutschland in ihrem im Ausland erlernten Beruf arbeiten möchten, steht ein Online-Angebot in elf Sprachen zur Verfügung. Das Portal „Make it in Germany“ der Bundesregierung bietet darüber hinaus Informationen zum Arbeiten, Studium und Leben in Deutschland.

Mit dem Anerkennungs-Finder (auf Englisch und Deutsch) erfahren Ratsuchende, ob sie eine offizielle Anerkennung ihrer ausländischen Berufsqualifikation brauchen, und welche Stelle für ihr Verfahren zuständig ist. Außerdem finden sie wichtige Informationen zur Vorbereitung auf das Anerkennungsverfahren und die Antragstellung.

Schnelle Hilfe gibt es unter der Hotline „Arbeiten und Leben in Deutschland“: 030 1815-1111. Diese ist Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr erreichbar.

Ein Info-Flyer beschreibt Wege zur Anerkennung und nennt kostenfreie Quellen für Information und Beratung. Die Publikation steht in drei Sprachen zur Verfügung:

Darüber hinaus informiert die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen der Kultusministerkonferenz (KMK) über die Anerkennung von Bildungsnachweisen. Sie ist allerdings nicht zuständig für die akademische und/oder berufliche Anerkennung.

Die Berufe Erzieher*in, Lehrer*in, Sozialpädagoge/Sozialpädagogin und Sozialarbeiter*in sind in Deutschland landesrechtlich reglementiert. Dies bedeutet, dass jedes Bundesland eigene Regelungen für das notwendige Verfahren zur Berufsanerkennung hat und es verschiedene zuständige Behörden und Beratungsstellen für die Anerkennung gibt. Diese können über den Anerkennungs-Finder gefunden werden.

Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens wird eine sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung durchgeführt, bei der die ausländische Berufsqualifikation mit dem deutschen Referenzberuf verglichen wird. Auch die Berufserfahrung und informell erworbene Kompetenzen sollten dabei berücksichtigt werden. Häufig ist zur vollen Gleichwertigkeit eine Anpassungsqualifizierung erforderlich.

Die GEW empfiehlt

Bevor Sie einen Antrag zur Anerkennung Ihrer ausländischen Berufsqualifikation stellen, sollten Sie sich an eine Beratungsstelle wenden. Eine kostenlose Beratung wird im Rahmen des Förderprogramms „Integration durch Qualifizierung“ (IQ) angeboten, das Menschen mit ausländischen Qualifikationen bei der Integration in den deutschen Arbeitsmarkt unterstützt und ihnen dabei hilft – unabhängig vom Aufenthaltstitel – eine bildungs- und qualifikationsadäquate Beschäftigung zu finden. Sie informieren über passende Anpassungsqualifizierungen bzw. Ausgleichsmaßnahmen sowie berufsbezogene Deutsch-Sprachkurse.

Zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse unterstützen bundesweit mehr als 70 feste und weitere 100 mobile IQ-Beratungsstellen die Ratsuchenden auf ihrem Weg in und durch das Anerkennungsverfahren. Sie helfen auch dabei, Dokumente zusammenstellen und Formulare auszufüllen sowie Kosten einzuschätzen und finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten auszuloten. Ist eine (Nach-) Qualifizierung nötig, hilft die Qualifizierungsberatung, ein geeignetes Angebot zu finden.

Weitere Informationen zur Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung finden Sie hier.

Die Anerkennung eines im Ausland erworbenen Lehramtsabschlusses erfolgt über die Kultusministerien der Länder beziehungsweise die im jeweiligen Bundesland zuständigen Behörden. Grundsätzlich muss die Anerkennung in dem Bundesland beantragt werden, in dem Sie aktuell wohnen und/oder zukünftig beruflich tätig werden möchten. Liegt eine offizielle schriftliche Antwort vor, darf die Anerkennung in einem anderen Bundesland beantragt werden. Eventuell kostet das Verfahren eine Gebühr. Diese ist abhängig von den länderspezifischen Voraussetzungen.

Hinweise zu den zuständigen Stellen und den allgemeinen Voraussetzungen für die Antragstellung finden Sie in den Länderkapiteln der GEW-Studie „Verschenkte Chancen?!“ zur Anerkennungs- und Beschäftigungspraxis migrierter Lehrkräfte in Deutschland.

Bei den landesspezifischen rechtlichen Regelungen und Verfahrensweisen zur Anerkennung internationaler Lehramtsqualifikationen wird in der Regel zwischen Ausbildungen und Nachweisen aus der EU und solchen aus sogenannten Drittstaaten (außerhalb der EU) unterschieden.

Besonders kostenaufwändig sind Übersetzungen und beglaubigten Kopien, welche von Originalzeugnissen über Lehramtsprüfungen bzw. Lehrerdiplome vorgelegt werden müssen. Informieren Sie sich gut, was genau erwartet wird. Nicht immer braucht es beglaubigte Übersetzungen. Auch bei erforderlichen Deutsch-Sprachnachweisen für die Anerkennung gibt es verschiedene Regelungen!

Die IQ-Beratungsstellen informieren Sie entsprechend – auch über finanzielle Fördermöglichkeiten. Häufig gibt es Anerkennungszuschüsse und finanzielle Förderung von der Bundesagentur für Arbeit, allerdings müssen Sie diese beantragen, bevor sie den Antrag auf Anerkennung stellen. Nur dann können die Kosten übernommen werden. Wer keine finanzielle Förderung erhält, kann die Kosten für ein Anerkennungsverfahren oder eine (Nach-)Qualifizierung in der Steuererklärung als Werbungskosten angeben.

Mitglieder der GEW erhalten bei rechtlichen Fragen, die sich direkt aus der beruflichen Tätigkeit als Lehrkraft oder pädagogische Fachkraft ergeben, Beratung und Unterstützung durch den GEW-Rechtsschutz. Die zuständigen GEW-Rechtsschutzstellen auf Bundes- und auf Landesebene helfen bei Fragen zum Arbeitsvertrag – etwa bei der Einstufung in die richtige Besoldungs- bzw. Entgeltgruppe, bei der auch Berufserfahrung berücksichtigt werden sollte, oder bei einer vereinbarten Befristung.

Wichtige Ansprechpartner*innen sind zudem die Personalräte als Interessensvertretung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Sie haben weitreichende Mitbestimmungsrechte – etwa bei Einstellungen, Vertragsverlängerungen und Eingruppierungen. Zu ihren Aufgaben gehört auch, Anregungen und Beschwerden von Beschäftigten entgegenzunehmen. Viele GEW-Kolleginnen und Kollegen engagieren sich in den Personalvertretungen vor Ort, direkt an den Bildungseinrichtungen und/oder in den übergeordneten Bezirks- und Hauptpersonalräten.

Mit der IQ-Programmlinie „Faire Integration“ gibt es außerdem in allen Bundesländern Beratungsstellen, die Geflüchtete und Migrant*innen, die nicht aus der EU kommen, bei sozial- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen beraten und unterstützen. Das Beratungsangebot ist kostenlos, kann anonym stattfinden und wird in verschiedenen Sprachen angeboten. Es umfasst alle Themen, die direkt mit dem Beschäftigungsverhältnis zusammenhängen, zum Beispiel Lohn, Arbeitszeit, Urlaub, Kündigung, Krankenversicherung usw.

Die GEW als Bildungsgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vertritt die Interessen von Beschäftigten in pädagogischen Berufen sowohl am Arbeitsplatz als auch gegenüber der Politik. Wir unterstützen nicht nur bei konkreten Fragestellungen rund um die berufliche Tätigkeit oder einer erforderlichen Weiterqualifizierung, sondern setzen uns auf verschiedenen Ebenen für ein gerechtes Bildungssystem und die Chancengleichheit von jungen Menschen sowie Kolleg*innen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte in Deutschland ein. Hierzu bieten wir viele Veranstaltungen und Publikationen sowie Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden. GEW-Mitglied werden lohnt sich!

Neben GEW-Ansprechpartner*innen in den Bildungseinrichtungen und den Personalräten vor Ort gibt es in den Landesverbänden der GEW für verschiedene Bildungsbereiche spezifische Angebote und Informationen. Das Referat Antidiskriminierung, Migration und Internationales der GEW Sachsen hat zum Beispiel in Kooperation mit dem IQ Netzwerk Sachsen eine Übersicht zu Unterstützungsangeboten für Lehrkräfte im Anerkennungsverfahren erarbeitet.

Der Heinrich-Rodenstein-Fonds der GEW hilft geflüchteten Kolleginnen und Kollegen, um ihnen das Ankommen in Deutschland zu erleichtern. Auch bei Fragen zur Anerkennung von Qualifikationen als Lehrerin oder Lehrer hilft die GEW. Hier geht es zum Kontaktformular sowie zu weiteren Informationen. Falls wir nicht direkt helfen können, vermitteln wir gerne an zuständige Stellen oder Kontakte in den GEW-Landesverbänden weiter.

 

GEW macht sich für migrierte Fachkräfte stark

Unter den eine Million Menschen, die inzwischen aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, befinden sich zahlreiche Lehrerinnen und pädagogische Fachkräfte. Sie sind für die vielen ukrainischen Kinder und Jugendlichen und angesichts des akuten Lehrkräftemangels für das deutsche Bildungssystem enorm wichtig.

„Unser Bildungssystem muss ihnen verlässliche Perspektiven und gleichberechtigte Teilhabechancen bieten.“ (Maike Finnern)

Die GEW macht sich grundsätzlich dafür stark, dass mehr migrierte Lehrkräfte an die Schulen in Deutschland kommen. „Wir brauchen die zugewanderten Lehrkräfte und Pädagog*innen mehr denn je und fordern Erleichterungen bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen. Die Bereitschaft der KMK, geflüchtete Kolleginnen aus der Ukraine schnell in den Schuldienst zu integrieren, begrüßen wir“, sagt die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. „Allerdings scheitern viele an formalen Hürden oder erhalten befristete Verträge als pädagogische Aushilfen und werden schlechter bezahlt. Das ist weder fair noch zielführend.“

Die größtenteils gut ausgebildeten Ukrainerinnen stellten sich angesichts des andauernden Krieges vermehrt darauf ein, länger in Deutschland zu bleiben. „Sie wollen in ihren erlernten Berufen (weiter) arbeiten und melden ihre Kinder in den Kitas und Schulen an. Unser Bildungssystem muss ihnen verlässliche Perspektiven und gleichberechtigte Teilhabechancen bieten. Dafür braucht es mehr Unterstützungsangebote und Investitionen“, so Finnern.

Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) kam Ende Mai 2022 zu dem Schluss, mindestens 13.500 zusätzliche Lehrkräfte seien nötig, um die neuen Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine zu unterrichten. Bei einem engeren Betreuungsschlüssel läge die Zahl bei mindestens 20.200 zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern.

Der zusätzliche Betreuungsbedarf im Kitabereich läge bei mindestens 11.400 pädagogischen Fachkräften in Vollzeit. Auch der Mehrbedarf für Ganztagsangebote an Grundschulen sowie in anderen Bildungsbereichen werden beleuchtet. Die Realität hat diese Prognosen inzwischen eingeholt: Rund 350.000 geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine wurden seit Kriegsbeginn bis Ende August 2022 in Deutschland registriert (Quelle: Mediendienst Integration); die meisten von ihnen im Grundschulalter. Die wöchentliche Statistik der KMK dokumentiert, wie viele bereits an den allgemein- und berufsbildenden Schulen aufgenommen wurden – Stand Anfang November sind es knapp 200.000.

 „Wir brauchen die zugewanderten Lehrkräfte und Pädagog*innen mehr denn je und fordern Erleichterungen bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen.“ (Maike Finnern)

„Wir brauchen die zugewanderten Lehrkräfte und Pädagog*innen mehr denn je und fordern Erleichterungen bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen“, fordert die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Auch Anja Bensinger-Stolze, GEW-Vorstandsmitglied Schule, sagt mit Blick auf die aktuelle Situation: „In den meisten Bundesländern sind die Verfahren zur Integration zu bürokratisch und die Anforderungen an Deutsch-Zertifikate zu hoch.“

Nach Ansicht der GEW ist es nicht sinnvoll, Lehrkräfte mit jahrelanger Berufserfahrung wegen des Fehlens eines Referendariats oder Vorbereitungsdienstes abzulehnen. Qualifikationen für ein zweites Fach oder Deutschkenntnisse auf dem erforderlichen Niveau können parallel zur Beschäftigung an Schulen, also berufsbegleitend, erworben werden. Zielgruppengerechte Anpassungslehrgänge und Mentoringangebote sollten hierzu ausgebaut werden.

„Die neuen Kolleginnen und Kollegen dürfen keine Lehrkräfte zweiter Klasse werden.“ (Anja Bensinger-Stolze)

Außerdem müssen gleichwertig ausgebildete Lehrkräfte gleichwertig bezahlt werden. „Viele scheitern viele an formalen Hürden oder erhalten befristete Verträge als pädagogische Aushilfen und werden schlechter bezahlt. Das ist weder fair noch zielführend“, sagt GEW-Chefin Finnern. „Die neuen Kolleginnen und Kollegen dürfen keine Lehrkräfte zweiter Klasse werden“, warnt auch Bensinger-Stolze.

 „Wir dürfen sie nicht als Hilfskräfte bezahlen, sonst werden sie in anderen Branchen tätig.“ (Doreen Siebernik)

Vergleichbar ist die Lage an den Kitas. „Natürlich müssen Erzieherinnen aus der Ukraine in einer Kita Deutsch sprechen können, und einige von ihnen bringen ja gute Deutschkompetenzen mit“, sagt Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied Jugendhilfe und Sozialarbeit. „Aber formelle Zertifikate können sie nachholen. Solche Hürden müssen schnell abgebaut werden.“ Viele (früh)pädagogischen Fachkräfte aus der Ukraine brächten sogar akademische Abschlüsse mit. „Wir dürfen sie nicht als Hilfskräfte bezahlen, sonst werden sie in anderen Branchen tätig“, mahnt Siebernik.