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DGB-Beschluss: „Wirtschaft in der Schule - Was sollen unsere Kinder lernen?“

Immer stärker drängen Lobbyisten an die Schulen, um je nach Interesse Bildungsinhalte zu beeinflussen. Allen voran versuchen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände die Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler von Wirtschaft und Arbeit in ihrem Sinne zu lenken. DGB und GEW positionieren sich klar dagegen.

Ihre Begründung: Zu viele Jugendliche verlassen die Schule mit Bildungsdefiziten, mangelnder Ausbildungsreife und mangelndem Wirtschaftswissen. Die Lösung, so der Tenor: mehr Wirtschaftsunterricht an allgemeinbildenden Schulen. Seit geraumer Zeit machen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände daher für ein eigenständiges Unterrichtsfach „Wirtschaft“ mobil.

Aus Sicht der Gewerkschaften ist ihre Vorstellung von wirtschaftlicher Kompetenz zu einseitig und lässt politische und soziale Zusammenhänge außen vor. Sie fordern stattdessen eine umfassende sozioökonomische Bildung.

Schule soll aufs Leben vorbereiten – darin sind sich alle einig. Doch gerade beim Thema Wirtschaft zeigt sich, wie unterschiedlich – je nach politischem Standpunkt – Inhalte und Botschaften gesetzt und bewertet werden. Müssen Beschäftigte ihre eigenen Interessen den Unternehmenszielen ihres Arbeitgebers unterordnen? Sind Betriebsräte und Gewerkschaften wichtige Institutionen für einen fairen Interessenausgleich im Betrieb? Ist das Betriebsverfassungsgesetz Stütze oder Hindernis für erfolgreiches Wirtschaften? Das sind Fragen, die je nach politischem Interesse unterschiedlich beantwortet werden. Deshalb ist es wichtig, ökonomische Fragestellungen immer im sozialen Kontext zu betrachten. Das muss ein guter Unterricht an allgemeinbildenden Schulen leisten. Weit mehr als nur Wirtschaftsunterricht.

Seine Kritik an der Meinungsbeeinflussung von Schülerinnen und Schülern und seine Ansprüche an sozioökonomische Bildung hat der DGB in einem Positionspapier dargelegt.

Der DGB und die GEW haben folgende Eckpunkte für sozioökonomische Bildung an allgemeinbildenden Schulen formuliert:

1. Der Themenbereich Wirtschaft an Schulen soll im Rahmen einer umfassenden sozioökonomischen Bildung behandelt werden, die auch die politischen, sozialen, kulturellen, ökologischen, rechtlichen und ethischen Dimensionen enthält. Dabei sind sowohl die verschiedenen wirtschaftlichen Theorien, wie auch die sozialwissenschaftlichen und pädagogischen Bezugsdisziplinen grundlegend.

2. Eine besondere Bedeutung kommt der Vorbereitung junger Menschen auf die Arbeitswelt und ihrer persönlichen Lebensplanung zu. Schülerinnen und Schüler sollen zu kritischer Urteilsbildung befähigt werden, um in einer von Interessensgegensätzen geleiteten Gesellschaft eigene Standpunkte finden und vertreten zu können. Der DGB hält an einem Bildungsanspruch fest, der die Welt als gestaltbar vermittelt und junge Menschen zu kritischer Partizipation und Mitbestimmung befähigt und ermuntert.

3. Einem solch umfassenden Bildungsanspruch wird ein separates Fach Wirtschaft nicht gerecht. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften wenden sich insbesondere gegen die derzeitigen Bestrebungen aus den Kreisen der Wirtschaft, ein monodisziplinäres ökonomistisches Fach einzuführen. Sozioökonomische Bildung soll vielmehr interdisziplinär, fächerübergreifend und -verbindend, lebens-, welt-, problem- und handlungsorientiert gestaltet werden.

4. Unterrichtsmaterialien dürfen nicht zur Selbstdarstellung und für die eigene Interessenspolitik missbraucht werden. Der Grundkonsens3 politischer Bildung darf nicht aufgegeben werden und muss auch Maßstab zur Beurteilung von Unterrichtsmaterialien sein: Unterricht darf Schülerinnen und Schüler nicht manipulieren, sondern muss verschiedene Positionen und Perspektiven aufgreifen, schülerorientiert sein und die Schülerinnen und Schüler befähigen, ein eigenständiges Urteil zu entwickeln.

5. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften stehen für das Primat der Politik gegenüber der Ökonomie. Für den Bildungsauftrag der Schulen bedeutet dies, die dienende Funktion der Wirtschaft für die Gesellschaft und die Menschen zu betonen. Wir fordern von den politischen Verantwortungsträgern, dass dem Lobbyismus an Schulen und der Dominanz wirtschaftlicher Interessen – etwa bei der Belieferung von Schulen mit einschlägigen Unterrichtsmaterialien oder auf dem Feld der Praxiskontakte und Lernpartnerschaften – Einhalt geboten wird. Die Förderung von Bildungsmaterialien und Initiativen von Seiten der Wirtschaftsverbände und Unternehmen durch Kooperationsverträge mit Schulbehörden und Kultusministerien muss gestoppt werden. Es ist nicht vertretbar, dass einseitige Sichtweisen über wirtschaftliche Abläufe und Strukturen staatlich gefördert werden.

6. Der DGB regt in einem ersten Schritt eine staatlich verantwortete Monitoringstelle an, die einschlägige Materialien, Schulbücher, Kooperationen und Angebote der Lehrerfortbildung im Bereich der ökonomischen Bildung auf ihre Qualität, Ausgewogenheit und Multiperspektivität hin prüfen und Empfehlungen für Lehrende und Lernende im Bildungsbereich ausspricht. Die Kosten einer Prüfung und eine etwaige Zertifizierung sind vom jeweiligen Anbieter zu tragen. Darüber hinaus soll offengelegt werden, wer in welchem Umfang die jeweiligen Materialien und Aktivitäten finanziert.

7. Die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern muss einen interdisziplinären Ansatz sozioökonomischer Bildung realisieren. Sozioökonomische Kompetenzen lassen sich nicht einseitig aus der Betriebs- oder Volkswirtschaftslehre ableiten. Andererseits benötigen Lehrerinnen und Lehrer die Fähigkeit, die unterschiedlichen wirtschaftswissenschaftlichen Lehrmeinungen zu verstehen und sie im Hinblick auf den Bildungsauftrag der Schule im Unterricht zu thematisieren. Lehrerinnen und Lehrer müssen durch eine auch praxisorientierte Ausbildung befähigt werden, die komplexen Zusammenhänge von Wirtschaft und Gesellschaft in einer schülerorientierten Unterrichtspraxis zu übersetzen.

8. Der DGB und die Gewerkschaften treten ein für eine gerechte und zukunftsfähige Schulpolitik im Sinne der Kinder der Beschäftigten und Arbeitslosen. Unser Ziel ist ein am Individuum orientiertes Bildungswesen, das allen Kindern die gleichen Chancen auf gute Bildung ermöglicht. Dabei setzen wir auf die Zusammenarbeit mit Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern sowie allen am Schulleben Beteiligten. Im Rahmen der gewerkschaftsübergreifenden Initiative Schule und Arbeitswelt machen wir Schulen unterstützende Angebote und fördern schulpolitische Aktivitäten vor Ort.