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Fragen und Antworten zu den Meldeportalen der AfD

Die AfD will in einigen Bundesländern Meldeportale gegen Lehrkräfte etablieren. Die GEW ermutigt ihre Mitglieder, sich nicht einschüchtern zu lassen. Was du über die Denunziationsplattformen wissen solltest.

Nach Medienberichten planen weitere Landesverbände der rechtspopulistischen Partei AfD Meldeplattformen gegen Lehrerinnen und Lehrer zu etablieren. Ein solches Portal ging bereits im September in Hamburg online. Dort können Nutzerinnen und Nutzer der AfD-Fraktion melden, wenn sich Lehrkräfte oder andere Beschäftigte an Schulen ihrer Meinung nach nicht neutral verhalten. Aus den Bundesländern kommt heftige Kritik. Für die GEW steht fest: „Da sollen Lehrerinnen und Lehrer eingeschüchtert werden, das ist schon eine beängstigende Entwicklung. Es passt ins Bild, dass eine Partei, die Andersdenkende ausgrenzen will, jetzt Plattformen schafft, auf denen man Leute mit anderen Meinungen denunzieren kann“, sagte GEW-Vorstandsmitglied und Schulexpertin Ilka Hoffmann.

Die AfD argumentiert mit dem Neutralitätsgebot, das sich aus dem für Lehrerinnen und Lehrer geltenden sogenannten „Beutelsbacher Konsens“ ableitet. Das Neutralitätsgebot darf jedoch nicht mit Wertneutralität verwechselt werden. Schule hat den klaren Auftrag, Schülerinnen und Schülern die freiheitlichen und demokratischen Grund- und Menschenrechte zu vermitteln und fußt mit ihrem gesetzlichen Bildungsauftrag auf den Werten des Grundgesetzes. „Den Müttern und Vätern des Beutelsbacher Konsens war es wichtig, dass in der Schule Demokratie befördert und auch über Politik gesprochen wird, und dass das auf Grundlage des Grundgesetzes passiert“, erklärt Hoffmann.

Inzwischen richtet sich die Meldeplattform der AfD in Baden-Württemberg nicht mehr nur gegen Lehrerinnen und Lehrer an Schulen, sondern auch gegen Lehrende an Hochschulen. Sämtliche Empfehlungen der GEW sowie die Grundlagen zur Demokratiebildung gelten jedoch nicht nur für Schulen und damit für Lehrkräfte, sondern auch für Hochschulen und die dort Lehrenden.

Die GEW beleuchtet die gesetzlichen Grundlagen für politische Bildung in der Schule, den Sinn und Zweck des Beutelsbacher Konsens und gibt eine Handlungsorientierung für Lehrerinnen und Lehrer.

Ja. Neutralität bedeutet nicht, sich nicht mehr politisch äußern zu dürfen. Lehrkräfte haben einen demokratischen Bildungsauftrag, sie sollen Schülerinnen und Schülern die freiheitlichen und demokratischen Grund- und Menschenrechte vermitteln. Die an Schulen geforderte „parteipolitische Neutralität“ verbietet es, in den Schulen Werbung für wirtschaftliche, politische, weltanschauliche und sonstige Interessen zu betreiben. Aber selbstverständlich können sich Lehrkräfte im Unterricht kritisch mit den Positionen aller Parteien auseinanderzusetzen. Dazu gehören auch die Positionen der AfD. Dasselbe gilt auch für Lehrende an Hochschulen.

In Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) wird bestimmt:

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Die Schulgesetze der Länder beziehen sich auf diese Grundsätze des GG. Die AfD verfolgt dagegen politische Ziele, die sowohl dem Grundgesetz als auch den allgemeinen Menschenrechten widersprechen. Die AfD vertritt unter anderem diskriminierende, xenophobe, rassistische, sexistische, frauenfeindliche Positionen und versucht, diese in der gesellschaftlichen Mitte zu verankern. Das bedeutet für Lehrkräfte, die ihre Aufgabe und die Schulgesetze ernst nehmen, dass der kritische Umgang mit den Positionen der AfD ein Teil der politischen Bildung ist. Dazu gehört es, die Positionen der AfD als diskriminierend darzustellen, wenn sie es sind.

Dem Beutelsbacher Konsens liegen drei Leitprinzipien zu Grunde:

  • Überwältigungsverbot (keine Indoktrination)
  • Beachtung kontroverser Positionen in Wissenschaft und Politik im Unterricht
  • Befähigung der Schüler, in politischen Situationen ihre eigenen Interessen zu analysieren.

„Menschenverachtende Positionierungen klar als solche zu benennen und zurückzuweisen. Das ist dann keine Überwältigung, sondern Einsatz für die Demokratie.“

So schreibt Ansgar Drücker, Geschäftsführer des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in seiner Abhandlung über den Beutelsbacher Konsens.

Lehrkräfte dürfen Schülerinnen und Schüler also ihre eigene (politische) Meinung nicht aufdrücken, sie nicht indoktrinieren. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich nicht politisch äußern dürfen. Im Gegenteil, Lehrerinnen und Lehrer sind durch das Grundgesetz und die Landesschulgesetze dazu verpflichtet, für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Sie sollen Kinder im Geiste der Menschenwürde, Demokratie, Toleranz und Gleichberechtigung erziehen.

Quellen:

  • Wortlaut des Beutelsbacher Konsens: http://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-konsens
  • (Drücker, Ansgar (2016): Der Beutelsbacher Konsens und die politische Bildung in der schwierigen Abgrenzung zum Rechtspopulismus, in: Widmaier, Benedikt/Zorn, Peter (Hrsg.): Brauchen wir den Beutelsbacher Konsens? Eine Debatte der politischen Bildung, Bonn, S. 123-130)

1. Überwältigungsverbot

Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern . Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.

2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.

Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. Zu fragen ist, ob der Lehrer nicht sogar eine Korrekturfunktion haben sollte, d. h. ob er nicht solche Standpunkte und Alternativen besonders herausarbeiten muss, die den Schülern (und anderen Teilnehmern politischer Bildungsveranstaltungen) von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft her fremd sind.

Bei der Konstatierung dieses zweiten Grundprinzips wird deutlich, warum der persönliche Standpunkt des Lehrers, seine wissenschaftstheoretische Herkunft und seine politische Meinung verhältnismäßig uninteressant werden. Um ein bereits genanntes Beispiel erneut aufzugreifen: Sein Demokratieverständnis stellt kein Problem dar, denn auch dem entgegenstehende andere Ansichten kommen ja zum Zuge.

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren,

sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Eine solche Zielsetzung schließt in sehr starkem Maße die Betonung operationaler Fähigkeiten ein, was eine logische Konsequenz aus den beiden vorgenannten Prinzipien ist. Der in diesem Zusammenhang gelegentlich erhobene Vorwurf einer „Rückkehr zur Formalität“, um die eigenen Inhalte nicht korrigieren zu müssen, trifft insofern nicht, als es hier nicht um die Suche nach einem Maximal-, sondern nach einem Minimalkonsens geht.

Quelle: http://www.bpb.de/die-bpb/51310/beutelsbacher-konsens

Für den Unterricht ist es wichtig, den Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Positionen – von ganz links bis ganz rechts – darzustellen und durch kontroverse Diskussionen zu einem eigenen Urteil zu befähigen. Konkret kann das bedeuten, verschiedene parteipolitischen Standpunkte beim Thema „Asyl“ so darzustellen, dass die Lernenden sie nachvollziehen, analysieren und für die eigene Position abwägen können. Die Schülerinnen und Schüler dürfen dabei keiner Angst ausgesetzt sein, sie müssen ihren Standpunkt frei äußern dürfen.

Die Lehrkraft kann dabei sehr wohl im Unterricht ihre eigene Position deutlich machen, zum Beispiel wenn sie eine Position der AfD nicht teilt oder ablehnt. Das ist keine Verletzung des Neutralitätsgebots, solange diese Sichtweise nicht absolut gesetzt wird und die Schülerinnen und Schüler dadurch indoktriniert werden.

Darüber herrscht derzeit keine rechtliche Klarheit. Werden Lehrerinnen und Lehrer im Internet an den Pranger gestellt oder beleidigt, können sie zivilrechtlich dagegen vorgehen. Die GEW und ihre Landesverbände werden ihre Mitglieder dahingehend beraten und stehen mit Rechtsschutz zur Seite. Zudem sind personenbezogene Daten nach der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) grundsätzlich schützenswert. Sollte die AfD den Datenschutz nicht einhalten und ohne Einwilligung personenbezogene Daten von Lehrerinnen und Lehrern speichern und/oder weitergeben, so wäre dies rechtswidrig und muss durch den jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten geprüft werden.

Die AfD gibt an, dass die an sie übermittelten Daten vertraulich behandelt werden. Überprüfen lässt sich das allerdings nicht. Betroffene Lehrkräfte haben aber die Möglichkeit, auf die Einhaltung des Datenschutzes nach EU-DSGVO zu bestehen und bei der jeweiligen AfD-Fraktion eine Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten zu Verlangen. Ebenfalls nach EU-DSGVO kann veranlasst werden, ggf. gespeicherte Daten löschen zu lassen. Zudem können sie sich beim jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragen darüber beschweren, wenn der Datenschutz nicht eingehalten wird.

Sollten sich aus einer Meldung bei der AfD konkrete dienstrechtliche Beschwerden ergeben, stehen GEW und Landesverbände mit Rechtsschutz zur Seite.

Die GEW empfiehlt ihren Mitgliedern, sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern stattdessen Haltung und Engagement zu zeigen. Auch Die GEW-Landesverbände Baden-Württemberg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen haben sich bereits mit den Meldeplattformen der AfD beschäftigt zeigen klare Kante:

GEW Baden-Württemberg

GEW Hamburg

GEW Rheinland-Pfalz

GEW Sachsen