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GEW: „Wir brauchen in den Schulen eine Initiative ‚Zeit für Demokratie‘“

Bildungsgewerkschaft zum Deutschen Schulbarometer

Frankfurt a.M. – „Demokratiebildung findet in den Schulen zu spät, zu wenig und vor allem kaum auf den Unterricht und die Schule selbst bezogen statt. Wenn über die Hälfte der Lehrkräfte sagt, dass an ihrer Schule mehr für Demokratiebildung getan werden sollte und mehr als drei Viertel als Haupthindernis hierfür die fehlende Zeit nennen, lautet das Gebot der Stunde: ‚mehr Zeit für Demokratie‘“, sagte Anja Bensinger-Stolze, Vorstandsmitglied Schule der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit Blick auf die Ergebnisse des heute vorgestellten Deutschen Schulbarometers der Robert Bosch Stiftung. 

Angesichts der politischen Entwicklung müsse Demokratiebildung zum Top-Thema der Schulpolitik werden. Nicht nur, um Rechtsextremismus, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Fake-News zu begegnen, sondern allein schon, um Frust und Konflikten in der Schule vorzubeugen. „Demokratie will nicht nur gelernt sein, sie muss auch gelebt werden. Kinder und junge Menschen müssen stark gemacht werden. Sie sollen erfahren, dass ihr Wort etwas zählt und ihr Tun etwas bewegt“, erläuterte Bensinger-Stolze. Das sei im Kleinen wie im Großen nötig, vom regelmäßigen Feedback im Unterricht bis zur paritätischen Vertretung der Schülerinnen und Schüler in der Schulkonferenz. „Auch die Rahmenbedingungen müssen bedacht werden: Demokratiebildung braucht eine stärkere Verankerung in den Lehrplänen, mehr schulische Ressourcen und Räume sowie personelle Unterstützung für eine demokratische Schulentwicklung“, betonte das GEW-Vorstandsmitglied. 

Mit Blick auf die besorgniserregenden Befunde zu „herausforderndem Verhalten“ und den psychischen Problemen der Schülerinnen und Schülern wie auch zu den Belastungen der Lehrkräfte machte sich Bensinger-Stolze für „gesunde Schulen“ stark, in denen alle Beteiligten gerne arbeiten und lernen. „Das Wohlbefinden der Lehrenden und Lernenden wie auch die Arbeitsbedingungen müssen endlich zu Kriterien für Schulqualität werden“, betonte sie. „Ein Drittel der Lehrkräfte fühlt sich mehrfach in der Woche erschöpft, zehn Prozent sogar täglich. Die gesundheitlichen Risiken sind nicht nur angesichts des eklatanten Lehrkräftemangels alarmierend. Der Dienstherr muss endlich seine gesetzliche Pflicht einlösen und flächendeckend Gefährdungsbeurteilungen durchführen. „Wir brauchen deutlich mehr Zeit im Schulalltag, also die Senkung der Unterrichtsverpflichtung sowie eine deutlich bessere personelle Ausstattung mit Lehrkräften, Erzieherinnen, Schulsozialarbeitern und -psychologen und nicht zuletzt Verwaltungspersonal. So wird mehr pädagogische Arbeit möglich“, hob die Schulexpertin hervor. 

„Die Unsicherheit und Skepsis bei der Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) in der Schule sind berechtigt“, kommentierte Bensinger-Stolze weitere Befragungsergebnisse. Die Erwartung vieler Lehrkräfte, dass die Nutzung von KI-Tools negative Folgen für soziale Fähigkeiten sowie das kritische Denken habe, werde bereits durch erste Studien bestätigt. Auch gebe es bereits zu viele Anwendungen, die pädagogisch und datenschutzrechtlich bedenklich seien. „Lehrkräfte sind offen für Digitalisierung. Sie zögern bei KI, weil viele sehr genau schauen, ob sie sich im rechtssicheren Raum bewegen, welchen pädagogischen Gewinn KI bringt und ob sich die Qualität des Lernens verbessert. Lehrkräfte achten nicht zuletzt darauf, ob KI ihre Arbeit unterstützt oder eher verdichtet“, sagte Bensinger-Stolze. „KI sollte weder überhastet noch zu früh eingeführt werden.“ Bereits im vergangenen Jahr hatte die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) vor einem Einsatz etwa in der Primarstufe gewarnt. Hier gehe es in erster Linie darum, systematisch basale Lese- und Schreibkompetenzen aufzubauen. Unter dem Strich, so Bensinger-Stolze, werde der Fokus bisher zu einseitig auf das Lernen mit KI gelegt. Das Lernen über KI komme – sowohl im Unterricht als auch in der Aus- und Fortbildung – deutlich zu kurz. „Eine souveräne Mediennutzug braucht mehr als Anwendungskompetenz. Das gilt für Lernende und Lehrende gleichermaßen“, unterstrich das GEW-Vorstandsmitglied. 

 

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