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GEW: „Kraftvolles Ausrufezeichen vor der dritten Verhandlungsrunde: 60.000 Beschäftigte in sieben Bundesländern folgen Warnstreikaufruf der Gewerkschaften“

Bildungsgewerkschaft zur Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder: 6,5 Prozent mehr Gehalt und Tarifvertrag für Lehrkräfte – mehr als 155.000 Kollegen beteiligten sich an Warnstreikwochen

Berlin/Dresden/Düsseldorf/Schwerin/Erfurt/Potsdam/Frankfurt a.M. – 60.000 im öffentlichen Dienst der Länder Beschäftigte aus sieben Bundesländern sind am Mittwoch dem Warnstreikaufruf der Gewerkschaften gefolgt. Damit haben sie einen Tag vor der letzten Verhandlungsrunde noch einmal ein kraftvolles Ausrufezeichen gesetzt. In den knapp drei Warnstreikwochen nahmen mehr als 155.000 Kolleginnen und Kollegen an den Aktionen teil.

In Berlin beteiligten sich über 12.000 Beschäftigte an der Demonstration und der Abschlusskundgebung auf dem Alexanderplatz. Mehr als 7.500 Lehrkräfte und Erzieherinnen an rund 600 Schulen legten die Arbeit in der Hauptstadt nieder. Über 25.000 Unterrichtsstunden fielen aus. In Sachsen streikten 8.000 Lehrkräfte ganztägig; über 6.500 Landesbeschäftigte, überwiegend Lehrkräfte, kamen zur Kundgebung nach Dresden. An der dreitägigen Warnstreikwelle im Freistaat beteiligten sich über 20.000 Lehrkräfte und Hochschulbeschäftigte. Nach Düsseldorf kamen 13.000 Kolleginnen und Kollegen. In Mecklenburg-Vorpommern versammelten sich 10.000 Beschäftigte zu der zentralen Streikversammlung in Schwerin. Weit über die Hälfte aller Schulen im Land ist bestreikt worden. In Thüringen nahmen rund 1.000 Kollegen an der Kundgebung in Erfurt teil. Die GEW erwartet, dass in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam 12.000 Beschäftigte, davon rund 8.000 Lehrkräfte auf die Straße gehen. Die Protestdemonstration beginnt um 15.30 Uhr. In Hessen beteiligten sich gut 4.000 Beschäftigte an den Warnstreikaktivitäten. Hessen ist nicht Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), verhandelt aber fast parallel zu der bundesweiten Tarifrunde mit den Gewerkschaften. Das teilte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit.

GEW-Verhandlungsführerin Ilse Schaad hob insbesondere die Bedeutung einer tariflichen Entgeltordnung für Lehrkräfte hervor und machte mit Blick auf die hohe Streikbeteiligung für die dritte Verhandlungsrunde während der Kundgebung in Düsseldorf deutlich: „Wir sagen den Arbeitgebern klipp und klar: Ohne Entgeltordnung für Lehrkräfte wird es keinen Arbeitsfrieden in den Schulen geben. Die Arbeitgeber haben kein Angebot vorgelegt. Es ist gut, dass die Beschäftigten auch heute noch einmal so nachdrücklich Flagge gezeigt haben! Die Arbeitgeber sollten sich gut überlegen, ob sie an ihrer Blockadehaltung festhalten.“ Die GEW wolle den „Schwarzmarkt der Eingruppierung der Lehrkräfte“ beenden. 6,5 Prozent mehr Gehalt für alle Beschäftigten der Länder seien völlig gerechtfertigt, bekräftigte Schaad die Gehaltsforderung der Gewerkschaften. Für die allgemeine Stagnation der Löhne sei auch der öffentliche Dienst mit seiner bescheidenen Lohnentwicklung verantwortlich. Außerdem sei hier seit 1990 jede fünfte Stelle weggefallen, auch in der Bildung: „Seit 1992 ist die Arbeitszeit der Lehrkräfte um 20 Prozent erhöht worden – die Arbeitgeber haben damit gigantische Summen gespart. Ebenso wie mit der einseitig festgelegten Eingruppierung der Lehrkräfte.“

Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW Nordrhein-Westfalen, sagte auf derselben Veranstaltung: „Wie schon in der vergangenen Woche zeigen wir auch heute eindrucksvoll, wie ernst es uns ist. Wenn die Tarifverhandlungen morgen fortgesetzt werden, erwarten wir ein verhandlungsfähiges Angebot. Mit unserer Geduld sind wir am Ende!“

„Die Streikbereitschaft ist ungebrochen", unterstrich die Vorsitzende der GEW Mecklenburg-Vorpommern, Annett Lindner, in Schwerin vor der Staatskanzlei. „Für uns geht es darum, zum ersten Mal einen Eingruppierungstarifvertrag für Lehrkräfte abzuschließen. Nur so können wir der Arbeitgeberwillkür ein Ende setzen!“ Lehrkräfte brauchten genauso wie alle anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst einen Tarifvertrag, der ihre Eingruppierung regelt. Seit Jahren läge diese Forderung der GEW auf dem Tisch. Alle Argumente seien genannt: von der Neuordnung der Lehrerausbildung bis zum Europarecht, vom Verbot, Frauen zu diskriminieren, bis zur Verantwortung auch der Arbeitgeber für den Bildungserfolg aller Kinder, vom Wirtschaftsfaktor Bildung bis zu den Folgekosten eines unterfinanzierten Bildungssystems. „Jetzt müssen sich die Arbeitgeber endlich bewegen“, sagte Lindner.

Doreen Siebernik, Vorsitzende der GEW Berlin, betonte auf dem Alexanderplatz: „Am letzten und entscheidenden Streiktag vor der dritten Verhandlungsrunde haben die GEW und ver.di eine fünfstellige Zahl Streikender auf die Straße gebracht – ein klares Signal an die Arbeitgeber. Wir stärken damit GEW-Verhandlungsführerin Ilse Schaad deutlich. TdL-Chefverhandler, Jens Bullerjahn (SPD), muss endlich ein Angebot vorlegen. Wir fordern weiterhin 6,5 Prozent mehr Lohn und einen Tarifvertrag für Lehrkräfte. Hände weg vom Jahresurlaub, Kürzungen sind nicht verhandelbar.“

Während der Streikkundgebung am Finanzministerium in Dresden forderte die stellvertretende sächsische GEW-Vorsitzende, Uschi Kruse, Finanzminister Georg Unland (CDU) mit Nachdruck auf, seine Verantwortung am Verhandlungstisch in Potsdam wahrzunehmen und sich für eine tarifliche Lehrer-Entgeltordnung einzusetzen, mit der endlich auch die Benachteiligung der Lehrkräfte in Sachsen bei der Eingruppierung überwunden werde. „Bildung wird von Menschen gemacht“, betonte sie. „Und diese Menschen haben es verdient, mit ihren Forderungen gehört zu werden. Auch Lehrkräfte sind mündige Bürger und keine Untertanen, denen man die Arbeitsbedingungen per Richtlinie oder Ukas einseitig verordnet. Wir erwarten faire Verhandlungen auf Augenhöhe.“

Torsten Wolf, Vorsitzender der GEW Thüringen, hob in Erfurt hervor: „Die Landesbeschäftigten aus Hochschulen und Schulen zeigen Finanzminister Wolfgang Voß (CDU) klare Kante: ‚Wer am Personal spart, spart an der Zukunft.‘ Wir erwarten, dass die Arbeitgeber ihre Blockadehaltung aufgeben und den Lehrkräften geben, was ihnen zusteht: gute Arbeitsbedingungen und faire Entlohnung. Das muss durch die tarifliche Eingruppierung und die Beendigung des Befristungsunwesens geregelt werden.“

Günther Fuchs, Vorsitzender der GEW Brandenburg, unterstrich in Potsdam: „Wir demonstrieren, weil wir Anerkennung und Wertschätzung für unsere tägliche Arbeit erwarten und einfordern! Wertschätzung bedeutet nicht salbungsvolle Worte über die Bedeutung der Bildung. Wertschätzung heißt: attraktive Einkommen und keine Pensionskürzungen. Wertschätzung bedeutet für uns beispielsweise höhere Einkommen der Angestellten, die Tarifierung einer Entgeltordnung zur Eingruppierung der Lehrkräfte sowie zusätzliche Beförderungs- und Funktionsstellen. Jetzt müssen tragfähige Lösungen für die Lehrkräfte verhandelt und vereinbart werden. Wir werden für unsere Einkommen und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen kämpfen und wir werden wieder kommen – und wir werden dann noch mehr sein.“

Jochen Nagel, Vorsitzender der GEW Hessen, betonte in Frankfurt a.M.: „Seit 2003 hat sich die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse an hessischen Schulen auf das Zweieinhalbfache, auf rund 6.300 erhöht. Es ist ein Skandal erster Güte, dass das Land Hessen den betroffenen Lehrkräften, die Jahr für Jahr erneut befristet werden, eine Berufsperspektive vorenthält, um einen vermeintlichen ‚Schülerberg‘ personalpolitisch zu untertunneln - und immer noch in vielen Fällen die Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen in den Sommerferien ihnen selbst oder den Arbeitsagenturen aufzuhalsen.“

Die Streikenden setzten sich unter anderem für eine Erhöhung der Gehälter um 6,5 Prozent und einen Tarifvertrag für angestellte Lehrerinnen und Lehrer ein. Die Beschäftigten machten ihrem Unmut darüber Luft, dass die Arbeitgeber auch in der zweiten Verhandlungsrunde, die vor drei Wochen in Potsdam ohne Ergebnis zu Ende gegangen war, kein Angebot gemacht hatten. Sie verlangten ein verhandlungsfähiges Angebot der Arbeitgeber. ver.di, GEW, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die dbb-Tarifunion hatten zu den Warnstreiks aufgerufen.
Die Bildungsgewerkschaft hatte in der zweiten Verhandlungsrunde ein Papier vorgelegt, in dem sie einen Lösungsvorschlag für eine Tarifierung der Eingruppierung der Lehrkräfte erarbeitet hat. Bisher bestimmen die Arbeitgeber einseitig über die Eingruppierung der bundesweit 200.000 angestellten Lehrkräfte – ohne Verhandlungen mit den Gewerkschaften. „Diesen vordemokratischen Zustand wollen wir endlich beenden“, betonte GEW-Verhandlungsführerin Schaad.

Info: Die dritte und letzte Verhandlungsrunde für die rund 800.000 Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder findet am 7./8. März in Potsdam statt. Für Medieninformationen erreichen Sie GEW-Pressesprecher Ulf Rödde während der Verhandlungen per Handy unter: 0160/90557232.

Kontakt
Ulf Rödde
Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands, Pressesprecher / Redaktionsleiter E&W
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