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Videos

Auf die wichtigen politischen Themen des Gewerkschaftstages macht die GEW auch mit Videoclips aufmerksam.

Unter dem Hashtag #GEWTAG25 findest du in den sozialen Medien alle Videos – wir freuen uns, wenn du sie teilst!

Samstag, 24. Mai 2025

Freitag, 23. Mai 2025

Interview mit Barbara, die älteste Delegierte auf dem Gewerkschaftstag

Donnerstag, 22. Mai 2025

GEWTAG25 kompakt - Tag zwei, Donnerstag, 22. Mai

Interview mit Vlad, dem jüngsten Delegierten auf dem Gewerkschaftstag

Doreen Sieberik, Rede zur Kandidatur als Vorstandsmitglied für den Organisationsbereich Jugendhilfe und Sozialarbeit

Andreas Keller, Rede zur Kandidatur als Vorstandsmitglied für den Organisationsbereich Hochschule und Forschung

Ralf Becker, Rede zur Kandidatur als Vorstandsmitglied für den Organisationsbereichs Berufliche Bildung und Weiterbildung

Mittwoch, 21. Mai 2025

GEWTAG25 kompakt - Tag eins, Mittwoch, 21. Mai

Kurzinterview mit Maike Finnern, GEW-Vorsitzende

Maike Finnern zur Wahl als Vorsitzende der GEW

Ich bin Maike Findern, 56 Jahre alt und durfte die GEW in den letzten vier Jahren als Vorsitzende nach innen und nach außen vertreten. Heute trete ich zur Wiederwahl an.

Demokratie beginnt mit Bildung, so das Motto unseres diesjährigen Gewerkschaftstages. Gestern Abend haben wir die internationale Solidarität unter uns Gewerkschafter*innen in den Vordergrund gestellt und es ist sehr deutlich geworden, welche Kraft und Motivation sie uns gibt, wie viel Mut sie macht und dass Demokratie mit Bildung beginnt. 

Weltweit, liebe Kolleg*innen. Die politische und gesellschaftliche Situation ist von Krisen geprägt Kriege, autoritäre Regime, der Rechtsruck, die soziale Spaltung, der immer deutlicher spürbar werdende Klimawandel, deutliche Einschränkungen von Minderheitenrechten, sich zunehmend gegenüber Migrant*innen verschließende Gesellschaften, die massive Aufrüstung: All das beeinflusst unser Leben. 

Über diese Veränderungen und gesellschaftlichen Entwicklungen setzen die Rechten ein Narrativ. Sie leugnen den Klimawandel, verharmlosen ihn zumindest. Sie setzen den Kulturkampf als das beherrschende Thema. Sie inszenieren jeden Verteilungskampf als Kulturkampf. Materielle Verteilungsdebatten in der Gesellschaft werden als Kampf zwischen Kulturen, zwischen Geschlechtern beziehungsweise um geschlechtliche und sexuelle Identität als Kampf zwischen Generationen geführt. Dadurch, dass Medien und politisch Verantwortliche darauf anspringen und einstimmen, beteiligen sie sich an der Normalisierung des Hasses und der Hetze, die Rechtsextreme und Faschisten auf allen Ebenen, besonders aber in den sozialen Medien, verbreiten. All das, liebe Kolleg*innen, macht die unbedingte Notwendigkeit unseres gemeinsamen solidarischen Kampfes gegen Rechts, für soziale Gerechtigkeit, für gute und Chancengleichheit, Bildung und für gute Arbeitsbedingungen deutlich.

Demokratie beginnt mit Bildung. Was folgt für uns Gewerkschaften? Was folgt für uns Gewerkschaften, für uns als GEW daraus? 

Erstens: Wir sind nicht neutral, liebe Kolleg*innen, wir sind nicht neutral. Demokratie beginnt mit Bildung und Demokratie ist nicht neutral. Die Werte unserer Demokratie bilden den Zusammenhalt für unsere Gesellschaft und sind deswegen unverzichtbar. Immer. 

Zweitens: Wir müssen unsere gewerkschaftliche Rolle und unsere Werte leben. Das bedeutet, dass wir unser Narrativ dagegensetzen müssen. In jeder Gesellschaft gibt es Verteilungskämpfe, aber sie finden statt zwischen Arm und Reich, zwischen mächtig und ohnmächtig, zwischen Arbeiter*innen und Arbeitgeber*innen. Es ist und bleibt unsere Aufgabe, diese Kämpfe mit den und für die Beschäftigten, für die Schwächeren in unserer Gesellschaft zu führen, liebe Kolleg*innen. 

Dafür brauchen wir Bündnispartner*innen. Das zeigt das Bündnis "Gemeinsam für Demokratie" auf der Didacta in Stuttgart, das jetzt weiter belebt wird. Das zeigt das Bündnis "Superreiche besteuern", in dem wir unter anderem eine Vermögenssteuer fordern und von den Reichen verlangen, dass sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und mehr Steuern zahlen. Es kann doch nicht sein, dass eine Normalverdiener*in im Schnitt 47 Prozent Steuern und Abgaben bezahlt, Superreiche aber nur 27 Prozent. Das meint die Arbeit im DGB, die aus meiner Sicht unglaublich wichtig ist. Der DGB hat 5,7 Millionen Mitgliedern, ist damit die größte Mitgliederorganisation in Deutschland. Das zeigt nicht zuletzt die gemeinsame Resolution von ver.di, GEW und den Sozialverbänden zu einem starken Sozialstaat.

Es gibt viel zu tun in den Kommunen, den Ländern, im Bund und in unserer internationalen Gewerkschaftsbewegung. Dafür brauchen wir einen langen Atem und Mut, liebe Kolleg*innen. Beides haben wir. 

Die Aufgabe der neuen Bundesregierung und letztlich aller politisch Verantwortlichen ist es, das Vertrauen in den Staat und in unsere Demokratie zu stärken, die soziale Spaltung zu überwinden und die Gesellschaft zusammenzuführen. Demokratie beginnt mit Bildung. Die Demokratie zu stärken, heißt, die Bildung zu stärken. Es heißt aber auch, den Sozialstaat zu stärken, Straßen und Schienen zu reparieren, das Gesundheitssystem gerecht und bezahlbar zu machen, eine gute Rente zu sichern, in Sicherheit zu investieren, wirksamen Klimaschutz umzusetzen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. 

In all diesen Bereichen brauchen wir in Deutschland massive Investitionen und eine Fachkräfteoffensive. Deswegen ist das Sondervermögen richtig. Aber wir brauchen eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse, eine Steuerreform, die endlich gerecht Steuern einträgt und die die Reichen in diesem Land angemessen beteiligt. Nur das ist eine gute und nachhaltige Lösung. Wir brauchen Geld und Personal, liebe Kolleg*innen. Denn einen armen Staat können sich nur die Reichen leisten. 

Demokratie beginnt mit Bildung. Das bedeutet erstens: Wir brauchen mehr Geld für Bildung. 130 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen haben wir gefordert. Das reicht aber nicht aus. Wir brauchen dauerhafte Investitionen in Bildung in Höhe von mindestens 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Weil Deutschland von dieser Marke so weit entfernt ist, konnten seit 2015 circa 200 Milliarden Euro nicht in Bildung investiert werden.

Deswegen muss es die Aufgabe der neuen Bund-Länder Kommission sein, eine Lösung für das Kooperationsverbot in der Bildung zu finden, das zu massiven Einschränkungen führt. Auch wenn das eine der schwierigsten Aufgaben sein dürfte. Wir benötigen ein Kooperationsgebot, liebe Kolleg*innen. 

Zweitens: Wir brauchen gute Arbeitsbedingungen im Bildungswesen. Unbedingt notwendig ist die Verbesserung des Personalschlüssels in den Kitas. Das geht. In Island liegt er durchgängig und real bei eins zu sechs. Es geht. 

Unbedingt notwendig sind echte multiprofessionelle Teams in den Schulen mit Zeit für Kooperation und gemeinsame Arbeit auf Augenhöhe. Unbedingt notwendig ist eine gesetzliche Regelung für eine gute Qualität im Ganztag. Unbedingt notwendig ist die Erfassung der Arbeitszeit der Beschäftigten und Lehrenden in Schulen und Hochschulen. Dass Lehrkräfte regelhaft zu viel arbeiten und hoch belastet sind, weisen wir mit einer Vielzahl von Studien nach. 

Es ärgert mich maßlos, dass die KMK den Kopf kollektiv in den Sand steckt; jetzt muss man sagen Bildungsämter. Stattdessen erleben wir die Erhöhung der Pflichtstunden, womit angeblich die Arbeitszeit nicht erhöht wird. Das, liebe Kolleg*innen, ist zynisch. Man erfasst diese ja gar nicht. Wir erleben Einschnitte in der Altersermäßigung, eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die Weigerung, über kleinere Klassen auch nur zu reden. Der Berliner Landesverband weiß, wovon ich rede. 

So, liebe Kolleg*innen, geht die Bekämpfung des Fachkräftemangels nicht. Auf gar keinen Fall darf es wie geplant dazu kommen, dass die tägliche durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzt wird. Denn damit würde man 13-Stunden-Tage legalisieren. Arbeitgeber*innen freuen sich jetzt schon auf diese Flexibilität. Wir hören das in den Nachrichten. Die nutzt allerdings nur ihnen und nicht den Beschäftigten. Das heißt dagegen, liebe Kolleg*innen, werden wir uns massiv wehren. 

Entfristung an den Hochschulen und dauerhafte gute Arbeitsverträge sind genauso wichtig wie verlässliche und auskömmliche Arbeitsverhältnisse in der Erwachsenen- und Weiterbildung. Das, liebe Kolleg*innen, fordert uns alles ab. Diese Aufgaben können wir nur gemeinsam und mit einer starken GEW bewältigen. Daher ist es so wichtig, dass wir viele sind und dass wir mehr werden und wachsen und dass wir in den Tarifrunden viele Mitglieder auf die Straße bekommen und Stärke zeigen. 

Demokratie beginnt mit Bildung. Mehr noch Demokratie ist nichts weniger als das Versprechen in eine gute Bildung für alle. Die Umsetzung dieses Versprechens wird zurzeit mit Füßen getreten. Und doch ist sie so essenziell für die Überwindung sozialer Ungerechtigkeit und Ungleichheit und damit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. 

Ich weiß, dass ihr dabei seid, und das macht mich zuversichtlich, liebe Kolleg*innen. Daher trete ich erneut zur Wahl zur Vorsitzenden der GEW an und bitte um euer Vertrauen. Vielen Dank.

Annett Lindner, Rede zur Wahl für den Vorstandsbereich Tarif- und Beamtenpolitik

Tina Breidenich, Rede zur Kandidatur als Vorstandsmitglied für den Arbeitsbereich Frauen-, Geschlechter- und Gleichstellungspolitik

Dienstag, 20. Mai

GEWTAG25 kompakt, der Eröffnungsabend, Dienstag, 20. Mai

Rede von Maike Finnern, GEW-Vorsitzende

Liebe Kolleg*innen, liebe Mitarbeiter*innen der GEW. An dieser Stelle schon mal - und ganz prominent: ganz herzlichen Dank für euren Einsatz in den letzten Wochen und Monaten, damit dieses Ereignis so stattfinden kann in dieser Woche. Ihr seid großartig! Liebe Kolleg*innen, liebe Gäste! Ich begrüße Sie und Euch ganz herzlich zum feierlichen Eröffnungsabend unseres Gewerkschaftstages 2025 in Berlin. 

Vor vier Jahren steckten wir noch mitten in der Pandemie, und unser Gewerkschaftstag fand deutlich abgespeckt und online statt. Ich erinnere mich gut an die leere Messehalle in Leipzig. Solidarität kann man aber am besten live erleben. Daher haben wir dann 2022 einen außerordentlichen Gewerkschaftstag in Präsenz in Leipzig dazwischengeschoben. Umso schöner, dass dieser 30. Ordentliche Gewerkschaftstag wieder vollkommen in Präsenz stattfinden kann.

Liebe Delegierte, liebe Gäste, herzlich willkommen! In Berlin sind wir mit unserem Gewerkschaftstag tatsächlich zum ersten Mal, und ich freue mich sehr, dass viele Vertretungen aus der Bundespolitik und von unseren verbündeten Organisationen den Weg zu uns gefunden haben und morgen Abend finden werden. Hiermit begrüße ich stellvertretend für alle politischen Gäste, und ich freue mich, dass sie so kurzfristig zugesagt hat: Frau Prien, die neue Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Saskia Esken, die Parteivorsitzende der SPD. Ein herzliches Willkommen an unsere gewerkschaftlichen Gäste! Stellvertretend für den DGB und die Einzelgewerkschaften begrüße ich Yasmin Fahimi, die Vorsitzende des DGB, und Frank Werneke, den Vorsitzenden der ver.di. 

Ich möchte besonders unsere internationalen Gäste begrüßen. A very warm welcome to all our international Union guests. I would like to extend a warm welcome to David Edwards, General Secretary of Education International, and John McGovern, President of Our European Confederation. Herzlich willkommen. 

Stellvertretend für alle Organisationen und Verbände begrüße ich Fabian Schön, den Generalsekretär der Bundesschüler*innenkonferenz, Gerhard Brand, den Vorsitzenden des VBE, Michaela Engelmeier, die Vorstandsvorsitzende des SoVD, und Emmi Kraft, Vorstandsmitglied des fzs, und Thiemo Fojkar, Vorsitzender des Internationalen Bundes. Herzlich willkommen!

Schön, dass Ihr alle, dass Sie alle hier sind! 

Großereignisse, und dazu zählt unser Gewerkschaftstag ohne Zweifel, verlangen rechtzeitige Planungen. Schon vor deutlich mehr als einem Jahr haben wir damit intensiv begonnen. Wir hatten noch eine andere Bundesregierung. Neuwahlen waren nicht in Sicht. Daher haben wir bei der Planung des Eröffnungsabends bis zuletzt jonglieren müssen und viele Bälle in der Luft gehalten. Wir haben dann entschieden, dass wir unsere internationale Arbeit als einen Schwerpunkt für den heutigen Abend nehmen. Seit Sonntag sind circa 35 Gäste, Gewerkschaftsvertreter*innen aus aller Welt bei uns hier in Berlin. Auf unserem internationalen Seminar haben wir uns intensiv zu unseren weltweiten Aktivitäten gegen Rechts, zu unseren Kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen und Chancengleichheit in der Bildung ausgetauscht. Wir haben intensiv miteinander diskutiert, aber auch gelacht, gemeinsam gegessen und sind gestern Abend gemeinsam Boot gefahren. 

In vielen Ländern der Welt haben Rechtspopulisten die Macht übernommen oder führen Koalitionen an. Das gilt für Europa, aber auch für Argentinien und die USA. Sie sind gewählt worden, genauso wie hier in Deutschland die AfD. Eine inzwischen als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei, die bei der Bundestagswahl im Februar circa 20 Prozent der Stimmen bekommen hat. 

Dort, wo diese Parteien und ihre rechtspopulistischen beziehungsweise faschistischen Anführer*innen an der Macht sind, wie Milei in Argentinien, wie Donald Trump in den USA, wie Viktor Orbán in Ungarn und Giorgia Meloni in Italien, ist leicht erkennbar, welche Folgen das hat. 

Geschichtsklitterung in Argentinien: Milei streicht Gelder für das Museum ESMA, das an die schreckliche Folterherrschaft der Militärdiktatur erinnert, und mahnt, er möchte die Erinnerung an den Staatsterrorismus der Diktatur verdrängen. Während unseres Weltkongresses im letzten Jahr haben wir dieses Museum besucht und wieder einmal erfahren müssen, wozu Menschen fähig sind. 

Seit der Amtsübernahme des rechtspopulistischen Präsidenten Donald Trump in den USA können wir fast täglich erleben, in welch unglaublicher Geschwindigkeit und Rücksichtslosigkeit der amerikanische Präsident demokratische Rechte und Institutionen zensiert und einstampft, ein Klima der Angst im Land schafft. Er schafft das Bildungsministerium ab und greift die öffentliche Bildung an. Er setzt Elon Musk als seinen Statthalter ein, der nahezu frei walten und schalten kann und massenhaft wie grundlos Menschen in US-Behörden kündigt und ersetzt. Ein Präsident, der sich von Techmilliardären und Scheichs korrumpieren lässt und nichts dabei findet. Ein Präsident, der USAID schließt und sich an kolonialen Fantasien ergötzt. Ein Präsident, der Beschäftigte und Gewerkschaften verhöhnt und mit Repression und dem Streichen von Fördergeldern leider zu oft erfolgreich ist, wie sich beispielsweise an dem Abschaffen von Vielfaltszielen zeigt.

Wie Viktor Orbán die EU vor sich hertreibt und Stimmung gegen Migrant*innen, Gewerkschafter*innen und queere Menschen macht, spüren wir hautnah. Unsere Solidarität gilt unseren Kolleg*innen, die in ihren Ländern mutig für die Demokratie und gegen den Rechtspopulismus, gegen Faschismus eintreten. Wir stehen an Eurer Seite. 

Auch hier in Deutschland erleben wir, dass es den Rechten gelingt, Diskurse zu verschieben, Verteilungskämpfe als Kulturkämpfe zu führen, menschenfeindlich zu argumentieren. Nicht Sagbares, Hass wird offen ausgespuckt und damit normalisiert.

Ich möchte mich den Worten von Margot Friedländer, der bewundernswerten, mutigen und starken Frau, deren Stimme leider verstummt ist, anschließen. Bleibt Menschen. Für mich beinhaltet das die Aufforderung: Nehmt jeden einzelnen Menschen wahr, so wie er ist. Seid empathisch. 

Daher formuliere ich eine klare Erwartung an die neue Bundesregierung: Das, was Ende Januar in der Abstimmung zu dem Entschließungsantrag der CDU durch ein Akzeptieren von Mehrheiten mit der AfD provoziert worden ist, darf nie, ich wiederhole, nie wieder passieren, Herr Bundeskanzler. Wem diese Abstimmung genützt hat, konnte man in den Gesichtern von Vertreter*innen der AfD sehen.

Zugleich leben wir in einer Zeit, in der Kriege und Waffengewalt den Frieden zu häufig verdrängen. Nicht nur in der Ukraine, im Sudan, im Nahen Osten und in der Kaschmirregion herrscht Krieg. Zusammen mit unserem globalen Dachverband Education International beteiligen wir uns daran, humanitäre Hilfe und Unterstützung für die gewerkschaftliche Arbeit in Krisenzeiten zu leisten. 

Wir Gewerkschaften leben Solidarität, die nicht im Betrieb oder an den Landesgrenzen endet. Wir leben internationale Solidarität. Wir setzen uns gemeinsam für Frieden und gute öffentliche Bildung ein. 

Demokratie beginnt mit Bildung. Und ich füge hinzu: Frieden beginnt mit Bildung, davon bin ich überzeugt. Davon sind wir Gewerkschaften überzeugt. Daher haben wir uns hier und heute und auch die nächsten Tage unter diesem Motto versammelt. 

Wir kämpfen gemeinsam für gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne. Daraus ziehen wir Gewerkschafter*innen unsere Kraft und Zuversicht. Wir gemeinsam können etwas ändern. Wir sind nicht hilflos ausgeliefert. Gemeinsam sind wir stark. 

Uns Bildungsgewerkschafter*innen eint der Kampf um gute Bildung und gute Arbeit in der Bildung, der Kampf um chancengleiche Bildung. Denn sie ist Menschenrecht. Und auch hier formuliere ich eine klare Erwartung an Sie, Frau Bundesministerin Prien, liebe Karin. Wir brauchen einen Neustart in der Bildung. Wir brauchen Mut zu echten Veränderungen und Durchhaltevermögen. Denn dass es Widerstände gibt, das wissen wir. Aber gute Bildung ist es wert. Chancengleiche Bildung eröffnet Perspektiven. Sie stärkt die Demokratie. Sie verringert soziale Spaltung. 

You can make a difference. So sagte Jill Biden, selbst Lehrerin und Gewerkschaftsmitglied, auf dem Internationalen Lehrkräftegipfel ISTP in Washington. Wir Pädagog*innen wissen, dass das die Kraft ist, die uns antreibt. Ich sage es mit den Worten unseres südafrikanischen Kollegen und des Präsidenten von Education International, Mugwena Maluleke, der leider verhindert ist: "I believe, I really believe in the power of education for democracy and peace."

Lasst uns das heute Abend gemeinsam feiern. Vielen Dank.

Rede von Yasmin Fahimi, DGB-Vorsitzende

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Prien, vielen Dank, dass Sie uns, dass Sie der GEW die Wertschätzung entgegenbringen, so kurzfristig zuzusagen und hier auch noch eine Weile mit uns zu verweilen. Herzlichen Dank auch für den Aufschlag. Es gibt genug zu diskutieren. Erst einmal Dankeschön, dass Sie da sind.

Dann sage ich natürlich auch liebe Maike, lieber David, schön, dass ihr hier so einen wunderbaren Aufschlag gemacht habt. Ich glaube, das hat auf jeden Fall schon mal den Saal abgeholt und ist eine wunderbare Vorbereitung auch für die nächsten Tage. Und jetzt natürlich, liebe Kolleginnen und Kollegen und alle dazwischen und daneben: Ich begrüße euch recht herzlich im Namen des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Geschäftsführerin. Der Hauptvorstand des DGB ist heute auch vollständig anwesend. Ich darf in diesem Namen, auch für unsere Mitgliedsgewerkschaften, viel Erfolg und gute Beratungen für euren 30. Gewerkschaftstag übermitteln. 

Ich muss natürlich – liebe Maike, das musst du jetzt ertragen – diese Gelegenheit auch nutzen, um euch ein bisschen zu loben. Ihr seid, das will ich jetzt schon sagen – ein Gewerkschaftstag ist noch mal ein besonderer Tag – ihr seid schon wirklich ein wichtiger Teil unserer Gewerkschaftsfamilie. Und es ist mir eine Freude, das immer wieder zu erleben. Das kann ich jetzt natürlich auch auf jedem Gewerkschaftskongress sagen, aber es ist schon so, dass ich das noch mal deutlich sagen will.

Erstens seid ihr verdammt treu. Die GEW ist nämlich Gründungsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes – wir haben im letzten Jahr das 75. Jubiläum gefeiert – ihr seid schon so lange Teil dieses gemeinsamen Dachverbandes. Dafür herzlichen Dank.

Dann geht es natürlich um das, was hier auch schon die ganze Zeit angeleuchtet wird. Ihr seid die Bildungsgewerkschaft. Ich will ganz deutlich sagen: Ihr seid die Bildungsgewerkschaft, auch im Sinne des gesamten Spektrums der Bildung. Also von der Kita über die Schule, auch die Lehrerinnen und Lehrer der schulischen Ausbildung, aber auch die an den Berufsschulen, der dualen Ausbildung bis hin zu den Hochschulen, liebe Kolleginnen und Kollegen! 

Deswegen noch mal vorweg zwei Botschaften, liebe Frau Prien, das darf ich mitgeben: Deswegen fremdeln wir noch ein bisschen mit der Neuaufteilung der Ministerien. Aber wir sind natürlich trotzdem in jede Richtung gesprächsbereit, auch gegenüber Ihrer Kollegin, die dann die Hochschulpolitik vertritt.

Ich muss die Gelegenheit auch nutzen, um zu sagen: Liebe Maike, ich will schon sehr deutlich machen: Ihr seid die Bildungsgewerkschaft. Trotzdem ist ja immer die Frage, wie man dieses Thema auch transportiert. Und ich darf euch versichern: Ihr habt noch vieles zu beraten. Ihr habt auch Wahlen durchzuführen, aber trotzdem – ich will das einfach persönlich noch mal loswerden – Maike ist immer der Garant dafür, dass die Breite der Bildungspolitik Thema ist, wo immer wir im politischen Gespräch sind, aber auch in der Gewerkschaftsfamilie. Und sie macht das sehr, sehr klar. Und zwar in dem Sinne, nicht nur die GEW zu vertreten, sondern uns immer wieder auch deutlich zu machen: Bildungspolitik ist eben nicht nur ein Thema der GEW, sondern es geht uns alle an und es ist die Grundlage für eine gute Gesellschaft.

An euch alle und alle eure Vorgängerinnen und Vorgänger. Ihr habt ja nun auch einiges auf den Weg gebracht. Ich will uns das nur mal kurz vor Augen führen: Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule erkämpft, der dann auch ab August kommenden Jahres Realität wird. Ihr habt gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen, vor allem auch aus Ostdeutschland, sehr klar gemacht: Frühkindliche Bildung, das ist nicht nur irgend so ein Gedöns. Sondern ihr habt da sichergestellt, dass das eben auch Realität nach der deutschen Vereinigung als Anspruch in Gesamtdeutschland gilt. Ihr habt dafür gesorgt, dass frühkindliche Bildung eben eine Frage ist, die was mit Vereinbarkeit, aber auch mit fairen Startchancen zu tun hat. Dass das eben eine gerechte Gesellschaft ausmacht, nicht nur den Wissenstransfer in der allgemeinbildenden Schule mit irgendwelchen Zeugnissen zu dokumentieren. Sondern das, was hier schon Thema war und was auch die Bundesministerin angesprochen hat. Bildung ist eine gesellschaftliche Entscheidung, wie wir gemeinsam Menschen werden, die Menschen bleiben. Und die fängt eben schon im frühkindlichen Alter an! Auch das ist schon Thema gewesen und wird uns weiter begleiten. Wir brauchen in der Schule in diesem Sinne einfach auch ein breiteres Verständnis von Bildung, das eben nicht nur Wissenstransfer, sondern das eben auch das soziale Miteinander und das Vermitteln von Werten beinhaltet.

Das lernt man nicht nur aus Büchern, sondern das muss man eben auch miteinander trainieren und miteinander erleben. Deswegen ist es so wichtig, dass wir in der Kita, aber auch in den Schulen weiter für multikompetente Teams und Leitungen sorgen. Darum will ich natürlich nicht so tun, als ob nicht noch genug vor uns liegt. Das alles werdet ihr beraten. Es geht natürlich auch um die Bezahlung, um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Es geht dabei insbesondere, wie wir ja immer wieder erleben, auch um eine breitere gesellschaftliche Debatte. Also nicht nur um ganz klassische Tarifverhandlungen, sondern ihr seid ja gerade, wie man im öffentlichen Dienst sieht – gemeinsam mit ver.di, mit den Kollegen von der GdP, mit den Kollegen und Kolleginnen von der IG Bau – ihr seid natürlich immer wieder im öffentlichen Dienst, auch in dem Konflikt, dass die Frage ist: Müssen die Beschäftigten vielleicht als Stopfen für die klammen Haushaltskassen herhalten? Oder muss eigentlich der Staat seinen Job machen? Dafür zu sorgen, dass Kommunen und Länder eben auch ihre Beschäftigten ordentlich bezahlen können? Um jetzt auf das Motto eures Gewerkschaftstages zu kommen also Demokratiebildung. Hm, nochmal ganz lesen, „Demokratie beginnt mit Bildung“, regt dann noch mal so ein bisschen zum Nachdenken an. Das Positionspapier ist gerade eben schon übergeben worden und ich will dort zumindest einen Satz herausgreifen, der ich glaube, so verstehe ich euch, der rote Faden für die nächsten Tage und aber auch darüber hinaus sein soll.

Bildung ist der Schlüssel zur sozialen Gerechtigkeit, wirtschaftlicher Stabilität und einer starken inklusiven Demokratie. Ich habe es gerade eben schon angesprochen. Wissensvermittlung? Ja, soziale Kompetenzen, Wertevermittlung das alles muss auch Bestandteil sein. Ich will aber auch sagen, damit wir uns jetzt nicht zu sehr verirren, und jemand das missversteht: AfD Wählerinnen und Wähler, um es einfach mal Klartext anzusprechen. Das Problem ist glaube ich nicht so sehr, dass sie alle ungebildet wären. Also das Schlimme ist ja, dass da auch im Bundestag und woanders Leute sitzen, die haben alle einen Beruf gelernt. Das Schlimme daran ist, dass sie offensichtlich niemals gelernt haben, sich nicht nur selbst mehr zu reflektieren, sondern sich auch in die Realitäten eines anderen zu versetzen. Perspektivwechsel anzunehmen. Zu akzeptieren, dass Demokratie nicht nur eine Frage der Wahl ist, sondern der Auseinandersetzung damit, dass nicht nur ich existiere mit meinen Interessen, sondern auch andere, und dass diese Interessen ausverhandelt werden müssen und zu Ergebnissen, manchmal auch zu Kompromissen führen müssen. Aber das Wesentliche, der wesentliche Bestandteil von Demokratie ist, sich zu respektieren und niemals auch nur einen Millimeter zu weichen in der Frage, ob wir alle die gleichen Rechte haben.

Das ist der Unterschied. Hier ist ja schon einiges gesagt worden, auch zu der Frage, was ist noch zu tun gilt und wie wichtig die Priorität von Bildung ist. Deswegen noch einmal, um uns das vor Augen zu führen: Wir haben ein Bildungssystem, das faktisch eine soziale Auslese zur Folge hat, und zwar in immer deutlicherem Ausmaß, dass eben nicht gleiche Bildungschancen ermöglicht, dass wir 1/4 der Kinder und Jugendlichen haben, die nicht die notwendigen Mindeststandards erreichen beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Dass wir jedes Jahr 20.0000 junge Menschen nach der Schule in Übergangsmaßnahmen stecken und dass damit auch es eine immer weiter wachsende Anzahl von jungen Erwachsenen gibt, zwischen 20 und 34, inzwischen 2,9 Millionen jungen Erwachsene, die keine Ausbildung haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann sich ein Land wie Deutschland nicht leisten und es entspricht auch nicht unserem Anspruch des Menschenbildes und des gerechten Zugangs von Teilhabe, der mit Bildung beginnt. Alles, was dort versäumt ist, muss ich viel, viel mühseliger später nachholen oder ich schaffe es eben auch überhaupt nicht mehr. Deswegen gibt es an der Stelle immer noch ganz, ganz viel zu tun. Wir brauchen in diesem Sinne eben eine ein besseres Bildungssystem. Wir brauchen mehr Investitionen in die Bildung, nicht nur allerdings in die in die Substanz der Gebäude, sondern eben auch in das Personal, das dort beschäftigt ist. 

Es geht eben natürlich auch um viele andere weitere gesellschaftliche Herausforderungen, klimagerechter Umbau, Digitalisierung und künstliche Intelligenz und und und. Wir brauchen also mehr Investitionen auch in die Köpfe und nicht nur in den Beton. Das heißt dann, dass das kreditfinanzierte Sondervermögen auch eben darauf achten muss, dass wir jetzt einen angemessenen Anteil nicht nur in die technische Infrastruktur, sondern eben auch in die soziale Infrastruktur sicherstellen. Das wird, glaube ich – und das geht jetzt gar nicht so sehr an Sie, Frau Ministerin, sondern das wird eine Auseinandersetzung mit der gesamten Bundesregierung sein – welche Prioritäten gesetzt werden. Ich darf an der Stelle auch sagen: Wir sind froh, dass an dieser Stelle der Schritt mit der Änderung des Grundgesetzes, was das Sondervermögen angeht, gegangen worden ist. Ich will aber auch sagen, ich prognostiziere Ihnen: Wir werden wahrscheinlich relativ schnell darüber reden müssen, dass das vorne und hinten nicht reicht und dass wir eine konsequentere Reform der Schuldenbremse brauchen. Alle anderen Themen werdet ihr im Laufe des Gewerkschaftstages noch ansprechen. Das will ich euch jetzt alles gar nicht vorwegnehmen. Da gibt es noch vieles, vieles zu sagen. Ich habe den Weiterbildungsbereich noch gar nicht angesprochen und will deswegen da vielleicht noch die letzte Kurve machen, weil es auch wichtig ist. Seit längerem setzen wir uns sehr stark auch mit einer eigenen Kampagne dafür ein, dass dieses Land endlich eine Tarifwende braucht. Eine Tarifwende, die dafür sorgt, dass wieder mehr Menschen, mehr Beschäftigte unter den Schutz von Tarifverträgen fallen, weil nur darüber am Ende langfristig gute Arbeitsplätze, faire Arbeitsbedingungen, faire Entlohnung sichergestellt ist. Und auch das ist ein Prinzip, Sie, Karin Prien, haben es erwähnt, das ist eben nicht nur eine Frage der politischen Meinung, sondern es steht auch im Grundgesetz. Das ist die Vereinbarung nach dem Zweiten Weltkrieg gewesen, dass Arbeitsbedingungen und Wirtschaftsbedingungen zwischen den Sozialpartnern ausverhandelt und gestaltet werden sollen. Wenn 50 Prozent der Beschäftigten nicht mehr darunter fallen, dann sind wir an der Stelle, an der man sagt: Gilt dieses Prinzip noch? Bekennt sich die Bundesregierung eigentlich noch zu diesem Prinzip oder nicht? Das ist für mich soziale Marktwirtschaft. Jetzt kommen wir an genau den Punkt – das geht jetzt nicht an Ihre Adresse, aber Sie, Karin Prien, sitzen hier nun mal stellvertretend für die Bundesregierung – dass wir jetzt endlich das Bundestariftreuegesetz brauchen.

In der Logik, dass das auch für nachgelagerte Behörden gelten muss, wie zum Beispiel die BA, die ja massenhaft eben auch entsprechende Weiterbildungsträger engagiert und selber in der Not ist, das oftmals gar nicht nach Qualität entscheiden zu können, sondern nur nach „wer bietet am billigsten an.“ Was passiert dann in der Weiterbildung? Derjenige bietet am billigsten an, der natürlich seine Fachkräfte, seine Lehrerinnen und Lehrer am schlechtesten bezahlt. Damit muss Schluss sein, dass man Steuergelder hier benutzt, um solche Geschäftsmodelle auch noch zu fördern. 

In diesem Sinne habe ich hoffentlich nicht nur Grüße übermittelt, sondern euch auch versichert, dass wir nach wie vor solidarisch an eurer Seite stehen und das auch weiter so machen werden. Dass wir das Bildungsthema auch voranbringen wollen. Natürlich wünsche ich euch einen erfolgreichen Gewerkschaftstag und gute Gespräche, auch ein bisschen Spaß und vor allem, dass neben dem Motto auch von diesem Gewerkschaftstag an all eure anderen Kolleginnen und Kollegen da draußen die Botschaft rausgeht vom 1. Mai: „Macht euch stark mit uns.“ Macht euch stark mit der GEW.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

David Edwards, Generalsekretär der Education International (EI)

Internationale Gäste auf dem Gewerkschaftstag

Rede von Karin Prien (CDU) auf dem Eröffnungsabend

Sehr geehrte Frau Finnern, liebe Maike, liebe Gäste aus dem Deutschen Bundestag. Ich darf stellvertretend Sie, liebe Saskia Esken, begrüßen. Vertreterinnen und Vertreter der Gewerkschaften und Verbände, dear International Guests. Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich habe mich sehr gefreut über die Einladung zum 30. Ordentlichen Gewerkschaftstag der GEW. Es ist ja ein bisschen auch ein Geburtstag. Man darf, glaube ich, auch herzlichen Glückwunsch zu diesem Jubiläum sagen. 

Ich bin natürlich insbesondere deshalb auch gerne gekommen, weil Sie sich das Thema Demokratiebildung heute zum großen Thema gemacht haben. Ich darf Ihnen verraten, dass das heute schon meine zweite Tagung zum Thema Demokratiebildung ist. Für mich sind freie und unabhängige Gewerkschaften - und übrigens auch Arbeitgeberverbände - unverzichtbare Bestandteile einer lebendigen Demokratie. Das würde ich Ihnen gerne heute Abend sagen. 

In diesem Sinne habe ich große, große Bewunderung und großen Respekt vor den Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, die wir heute Abend hier gehört haben. Ich will heute Abend zu Ihnen sprechen, was wir uns in der neuen Koalition, in unserer Arbeits-Koalition, vorgenommen haben. In Deutschland leben 22 Millionen Kinder und Jugendliche und junge Erwachsene. Und ja, tatsächlich ist gute Bildung - und übrigens auch Erziehung - notwendige Voraussetzung für echte Teilhabe. Das, meine Damen und Herren, liegt im Interesse unserer gesamten Gesellschaft, dass wir das schaffen, dass wir das auch vielleicht ein Stück weit besser schaffen als bisher. Es liegt übrigens auch im Interesse von Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Denn ehrlich gesagt: Es gibt kaum ein Problem in unserer Gesellschaft, was sich lösen ließe, ohne dass man nicht im Bildungsbereich ansetzt.

Insofern haben wir insgesamt ein sehr breites Interesse daran, dass Bildung und Erziehung einen größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft und damit auch in der Politik einnehmen können. Und ja, es geht um Fachkräfte. Das ist auch für die GEW ein ganz großes Thema, wie ich aus meiner bisherigen Tätigkeit sehr gut weiß. 

Aber es geht natürlich auch darum, mündige und demokratisch handelnde Bürgerinnen und Bürger in jeder Generation aufs Neue zu gewinnen. Bildung befähigt Menschen, auch das ist schon gesagt worden, sich eine eigene Meinung zu bilden, sie auch zu vertreten. Sie fördert das Selbstbewusstsein und sie fördert auch die Lust, sich einzumischen und Gesellschaft mitzugestalten. Ich finde deshalb, dass es entscheidend ist, Demokratie von klein auf zu erlernen, zu praktizieren und auch zu erleben. Dass es einen Unterschied macht, ob ich mich engagiere oder eben nicht. 

Es gibt ein sehr schönes Zitat des ehemaligen UN Generalsekretärs Kofi Annan, der - ich darf das zitieren - zu Recht dafür berühmt ist, gesagt zu haben: "Niemand wird als guter Bürger geboren. Keine Demokratie, keine Nation wird als Demokratie geboren. Vielmehr sind beides Prozesse, die sich ein ganzes Leben lang weiterentwickeln. Junge Menschen müssen von Geburt an mit einbezogen werden." Recht hat er. 

Demokratie braucht also Bildung von Anfang an. Das fängt in der Familie an und setzt sich in der Kita und entlang der Bildungsbiographie fort. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass in diesem neu zugeschnittenen Ministerium - wir alle üben noch ein bisschen: BMFSFJ - wir Politik aus einem Guss und viel stärker als bisher über die Schnittstellen hinweg machen können. Bildung ganzheitlich denken und zwar vom Kind her denken, vom Jugendlichen her denken. Beginnend in der frühkindlichen Bildung, und das heißt eben in Familie und Kita über die allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, über die außerschulische Bildung bis zum lebenslangen Lernen. Das ist der richtige Zuschnitt für dieses neue Ministerium. Das ist eine strukturelle Veränderung, mit der auch ein echter Aufbruch in der Bildungspolitik verbunden sein soll.

Meine Damen und Herren, es wird Sie vielleicht wundern, aber ich freue mich darauf, diesen Aufbruch auch mit Ihnen, gemeinsam mit den Gewerkschaften, namentlich der GEW, gestalten zu können. Ich habe das übrigens in meinem Bundesland, in dem ich bisher tätig war, auch getan. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es immer besser geht, wenn Politik und Gewerkschaften miteinander im Gespräch sind. Wir werden uns nie in allem einig sein, das verspreche ich Ihnen auch. Aber ich glaube, wir sind Partner und wir sollten versuchen, miteinander in einem guten Diskurs - und ich scheue auch den Konflikt nicht - die Dinge zum Besseren zu bewegen. 

So haben wir es, liebe Maike Finnern - wir kennen uns seit längerem - miteinander gehalten und ich finde, wir haben damit gute gemeinsame Erfolge erzielt. Bildung ist auch für mich der zentrale Schlüssel zu mehr sozialer Gerechtigkeit und für Aufstieg. Ich bin mir sicher, dass wir uns zumindest in dieser Herangehensweise einig sind. Wir werden über viele Wege diskutieren. 

Ich habe mich über Ihr Positionspapier "Neustart in der Bildungspolitik" gefreut. Sie greifen viele Themen auf, die mir wichtig sind. In vielen Bereichen stimmen wir in den Wegen durchaus überein. Ich freue mich darauf, das im Detail mit Ihnen zu diskutieren. Ich will ein paar Aspekte nennen, die mir besonders wichtig sind. Ja, Kinder haben ein Recht auf Bildung. Das ist übrigens auch etwas, was nicht nur Ausdruck einer Meinung ist, sondern das hat uns das Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben. Das steht dort schwarz auf weiß. Ich glaube, dass es stärker als bisher gelingen muss, im Alter zwischen null und zehn Jahren in den Familien, in den Kitas, in der Kindertagespflege und in den Grundschulen entscheidende Weichen zu stellen, die besser aufeinander abgestimmt sind. 

Hier bessere Rahmenbedingungen in dieser entscheidenden Bildungsetappe zu schaffen, damit jedes Kind - und zwar egal welcher Herkunft - sein volles Potenzial, seine Begabungen, seine Neigungen besser entfalten kann. Das sollte unser gemeinsames Ziel sein. 

Ich bin nun wahrlich jemand, der weiß, wie die föderalistische Kompetenzverteilung ist. Aber wir müssen das Miteinander schaffen, jeder in seiner Zuständigkeit, und zwar in einer besseren Kooperation. Vertikal und horizontal. Eine bessere Kooperation, das ist mein Ziel. Das ist auch mein Ansatz. 

Wenn uns das gelingt, eine gute Kinderförderung von Kindern von früh an gemeinsam noch besser aufzusetzen - und ich würdige sehr wohl das, was heute schon geleistet wird in unseren Kitas, in unseren Grundschulen, in unseren Familien - dann haben wir viel gewonnen. Dabei geht es um faire Start- und Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen. Meine feste Überzeugung ist, dass das dann gelingen wird, wenn wir sehr früh ansetzen. Wenn wir uns anschauen, wie wir  Eltern darin unterstützen können, dass sie ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag gegenüber ihren Kindern besser gerecht werden können. Das setzt in der Schwangerschaft an und zieht sich im Grunde durch die ganze Kindheit.

Auch da, bei den frühen Hilfen, haben wir uns mehr vorgenommen, Saskia Esken. Das halte ich für einen richtigen Ansatz. Aber es geht natürlich weiter. Es geht natürlich um die Kitas, und da ist viel zu tun. Da ist viel zu tun, was den Neubau, was den Ausbau, was die Sanierung und die Modernisierung von Kitas und Krippen angeht. Da sind die Bedarfe in den Bundesländern unterschiedlich. Auch dieser Unterschiedlichkeit muss man gerecht werden. Es geht in den westlichen Flächenländern nach wie vor darum, ein bedarfsgerechtes Angebot zu schaffen. 

Da ist viel passiert seit 2008. Der Bund hat immerhin in den Ausbau der Kindertagesbetreuung mehr als 5,4 Milliarden Euro investiert. Seitdem, trotz dieses massiven Ausbaus, meine Damen und Herren, reichen die geschaffenen Plätze nicht aus. Immerhin haben wir heute eine Betreuungsquote für die unter 3-Jährigen von 37,4 Prozent, die 2008 noch 17,6 Prozent betragen hat. Das ist schön, aber es reicht natürlich nicht. 

Gleichzeitig ist es aber so, dass wir in den ostdeutschen Flächenländern beobachten, dass die Kinderzahlen deutlich rückläufig sind. Der Bedarf ist absehbar gedeckt oder wird sogar zurückgehen. Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, das besser miteinander in Einklang zu bringen. Dass wir für die schwierige Fachkräftesituation - da weiß ich auch aus meinem Bundesland, wovon ich rede -  gute Antworten finden. Die sind nicht einfach. 

Meine Damen und Herren, es gibt auch nicht die eine große Antwort und den einen Hebel. Aber es gibt vieles, was wir gemeinsam tun können. Wir werden das KiTa-Qualitätsgesetz zu einem KiTa-Qualitätsentwicklungsgesetz ausbauen. Wir wollen uns noch einmal an bundesweite Standards für die Qualität von Kitas und Kindertagespflege heranwagen. Ich will deutlich sagen: Es geht in Kita, es geht im Ganztag natürlich um die Betreuung von Kindern. Aber es geht eben immer auch um Bildung. 

Bildung braucht Qualität. Wenn wir über Qualität sprechen, dann sprechen wir eben auch über die besondere Förderung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit schlechteren Startchancen. Wir sprechen über die besondere Förderung und Begleitung von Kindern, die besonderen Sprachförderbedarf haben. Denn es ist nun einmal leider so: Wer die Sprache nicht erlernt in sehr frühen Jahren, der hat solche Nachteile in unserem Bildungssystem, dass es immer schwerer wird, das aufzuholen. 

Ich glaube, das ist ein guter Ansatz, die Sprach-Kitas wieder einzuführen, sie weiterzuentwickeln, Startchancen-Kitas einzuführen. Das heißt, wir kümmern uns insbesondere um die Kitas im Umfeld der Startchancen-Schulen. Wir haben den Sozialindex inzwischen in allen Bundesländern. Ich freue mich sehr, liebe Saskia Esken, dass wir uns gerade darauf schon in den Sondierungsverhandlungen haben verständigen können. 

Ich will einige andere Punkte benennen. Der Ganztagsausbau ist ein weiterer wichtiger Teil von mehr Bildungsgerechtigkeit. Der Ganztag hat die ganz große Chance, Kinder und Jugendliche auch über die rein formale Bildung hinaus zu fördern. Dabei geht es natürlich um weit mehr als nur um Kompetenz und Wissensvermittlung. Da geht es um Persönlichkeitsentwicklung. 

Wir sind uns immer einig gewesen, Maike Finnern, dass das beides Aufgabe des Ganztags ist. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, zum Ganztag gute Lösungen zu finden. Dass wir ihn einerseits nicht verschieben, aber dass wir auch bereit sind, mehr zu investieren. Ich kann noch aus meiner Erfahrung als Landesministerin sagen: Das ist ein riesiger Kraftakt für die Kommunen, für die Schulträger, für die Länder. Es ist die richtige Entscheidung, dass der Bund auch bei den Investitionen noch mal nachlegen wird. 

Richtig ist im Übrigen auch, dass wir sowohl den Kommunen als auch den freien Trägern mehr Flexibilität einräumen werden. Ich freue mich sehr, dass eines der ersten Gesetze - ich glaube sogar das allererste -, das wir jetzt im Deutschen Bundestag beraten und verabschieden werden, das Gesetz zur Flexibilisierung und zur Verlängerung der Fristen für Investitionen im Ganztag sein wird. Das ist doch mal eine Nachricht. Das erste Gesetz, das diese neue Bundesregierung mit den regierungstragenden Fraktionen auf den Weg bringt, ist ein Gesetz zur Bildung, eine Damen und Herren. 

Ich will noch etwas zum Thema Fachkräfte sagen. Meine Damen und Herren, mir ist vollkommen klar, dass ohne die Lösung unseres Fachkräftethemas all das, was wir uns vornehmen, gar nicht möglich ist. Deshalb müssen wir Wege finden. Wir haben uns ein bisschen was überlegt, was wir tun können, um noch attraktiver zu werden für junge Menschen, die Lust haben, in den Erziehungsberufen tätig zu werden. Wir werden uns in diesem Bereich in Richtung duale Ausbildung bewegen. Ich weiß, dass das nicht unumstritten ist. Nehmen Sie es als ergänzenden Weg. Auch darüber werden wir im Einzelnen sprechen. 

Ich bin auch froh, dass wir uns dazu verständigen konnten, bei der Qualitätsoffensive Lehrerbildung wieder einen neuen Anlauf zu nehmen. Denn auch das ist ein entscheidender Beitrag zur Fachkräfteentwicklung. Wir tragen dafür Sorge - übrigens auch im Kontext der Demokratiebildung -, dass wir unsere Lehrkräfte stärken, damit sie diesen Auftrag besser wahrnehmen können. 

Meine Damen und Herren, ich schaffe gar nicht, Ihnen das alles zu erzählen, worauf wir uns gemeinsam verständigt haben. Aber wir haben ein paar Jahre Zeit, um uns darüber zu unterhalten. 

Deshalb will ich zum Schluss etwas zum Thema "Schutz der Demokratie" sagen. Das ist ein Thema, was Sie sich zu Recht auf die Fahnen geschrieben haben. Ja, Demokratie steht weltweit, auch in Deutschland, unter Druck. Das ist so! Ich bin besonders betroffen davon, dass das Autoritäre, wie Anne Applebaum das beschrieben hat, eine Verlockung für so viele Menschen darstellt. 

Das ist etwas, worüber wir uns wirklich Gedanken machen müssen: Warum Menschen inzwischen mehr in autoritären Modellen sehen. Wir müssen unsere Kinder und Jugendlichen empowern, würde man im Englischen sagen, ertüchtigen. Wir müssen sie stark machen. Wir müssen ihnen so viel Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen vermitteln, dass sie sich zutrauen, in unserer liberalen Demokratie etwas zu verändern. Da gibt es Luft nach oben.

Es gibt auch an unseren Schulen Luft nach oben. Das wird nur mit einer politisch historischen neben der klassischen politischen Bildung gelingen. Denn ohne Faktenkenntnisse funktioniert das alles nicht. Aber das reicht nicht. Es ist am Ende entscheidend, dass Kinder und Jugendliche früh, in der Familie, in der Kita und in der Schule, die Erfahrung machen: Es macht einen Unterschied, ob man sich einmischt und ob man sich engagiert oder eben nicht. Das ist etwas, was Schule heute leisten muss. Dafür müssen Kinder und Jugendliche mitreden dürfen. Natürlich immer altersgerecht. Aber mitreden ist unverzichtbar. 

Das werden wir als Ministerium im Rahmen des Programms "Demokratie leben!" leben. Dieses werden wir fortsetzen. Wir werden es uns mit Blick auf Schwerpunkte, auf Mittel, auf Wirksamkeit von Programmen anschauen. 

Mir persönlich ist wichtig, dass wir besonderes Augenmerk auf die Demokratiebildung im digitalen Raum legen. Alles, was wir im analogen Raum machen, wird nicht wirksam sein, wenn wir nicht auch die Entwicklung im digitalen Raum nicht nur im Blick haben, sondern auch in den Griff kriegen. Das haben wir im Augenblick ehrlicherweise nicht. Auch das haben wir uns gemeinsam vorgenommen, meine Damen und Herren.

In diesem Sinne freue ich mich darauf, mit Ihnen, mit dir, liebe Maike, und auch mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Gewerkschaften in den nächsten vier Jahren ins Gespräch zu kommen und gemeinsamen an guten Lösungen zu arbeiten. Ich glaube fest an das bessere Argument und ich glaube auch fest an den Kompromiss. In diesem Sinne freue ich mich auf die Zusammenarbeit und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Gökhan Akgün, Vorsitzender des GEW-Landesverbandes Berlin