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GEW-Forderungen zur Bundestagswahl 2025

Eine andere Bildungspolitik braucht das Land

Illustration: zplusz

Durch die vorgezogene Bundestagswahl können politische Weichen neu gestellt werden. Deutschland braucht einen klaren Kurswechsel in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Bildungspolitische Reformvorhaben wie der Ausbau des Ganztags und die Digitalisierung des Bildungssektors müssen oberste Priorität erhalten. Für mehr soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit durch Bildung sind eine deutlich bessere und sozial indizierte Finanzierung des Systems und damit eine andere Steuerpolitik sowie eine Umverteilung von oben nach unten notwendig.

Ein gut ausgestattetes, qualitativ hochwertiges Bildungswesen ist die Grundvoraussetzung, den Wandel unserer Gesellschaft und Wirtschaft erfolgreich zu gestalten sowie die Demokratie in Deutschland und die soziale Teilhabe zu stärken. Dazu braucht das Land eine nachhaltige Bildungsoffensive. Um den hohen Investitionsstau im Bildungswesen abzubauen, muss der Bund ein Sondervermögen Bildung auf den Weg bringen. Bund, Länder und Kommunen müssen an einem Strang ziehen und ihrer bildungspolitischen Verantwortung im Rahmen eines Kooperationsgebotes gerecht werden. Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und gemeinnützige Bildungsorganisationen sollen die nachhaltige Bildungsoffensive in einem Dialogformat mitgestalten. Damit Beschäftigte an Bildungseinrichtungen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die bestmögliche Bildung und Förderung ermöglichen und dabei bis zum Ruhestand gesund bleiben können, benötigen sie gute Arbeitsbedingungen.

Priorität für gute Bildung.

GEW-Forderungen für ein starkes Bildungssystem:

Bildung ist in Deutschland strukturell unterfinanziert. Allein dadurch, dass das Ziel des Dresdner Bildungsgipfels 2008, ab 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auszugeben, bis heute nicht erreicht worden ist, sind dem deutschen Bildungssystem 160 Milliarden Euro verloren gegangen. Nach aktuell verfügbaren Zahlen beläuft sich der Investitionsbedarf in Kitas, Schulen und Hochschulen auf mindestens 130 Milliarden Euro.

Der Bund muss deshalb:

  • ein mindestens 130 Milliarden Euro umfassendes „Sondervermögen Bildung“ verfassungskonform aufsetzen, um den bestehenden Investitionsstau im Bildungswesen umgehend abzubauen,
  • einen Sozialfonds einrichten, um Kitas, allgemein- und berufsbildende Schulen besser auszustatten. Für die Mittelverteilung an Länder und Kommunen schlägt die GEW einen sozial indizierten Verteilungsschlüssel vor, der die soziale Bedürftigkeit in einem Bundesland sowie die unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Situation der Menschen und deren Ausbildung berücksichtigt. Dieser Sozialindex soll den bislang angewandten Königsteiner Schlüssel ablösen. Für die Verteilung der Gelder nach Sozialindex hat die GEW ein Konzept vorgelegt, die Schuldenbremse reformieren; Kreditfinanzierung von Investitionen muss wieder möglich sein,
  • eine sozial gerechte Steuerpolitik als Grundlage einer guten, sicheren Finanzierung der Bildungsausgaben (insbesondere der Personalausgaben) in Bund, Ländern und Kommunen betreiben. Dazu gehören unter anderem die Wiedererhebung der Vermögensteuer, ein höherer Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer, eine Reform des Ehegattensplittings (Splittingverfahren abschaffen zugunsten einer Individualbesteuerung mit übertragbarem Grundfreibetrag),
  • das Kooperationsverbot in der Bildung zu einem Kooperationsgebot zwischen Bund, Ländern und Kommunen weiterentwickeln,
  • bei Unterstützungsleistungen vom Bund an die Kommunen die Risikolagen gemäß des nationalen Bildungsberichts berücksichtigen, um eine bessere Angleichung der Lebensverhältnisse zu erreichen,
  • die zum Teil erheblich verschuldeten Kommunen bei ihren Altschulden entlasten,
  • das BAföG grundlegend reformieren; dazu gehören unter anderem die Anhebung des Bedarfssatzes mindestens auf Bürgergeldniveau sowie die Erhöhung der Eltern- Freibeträge, die Umstellung des Studierenden-BAföG auf einen Vollzuschuss sowie die Wiedereinführung der Regelförderung aller Schülerinnen und Schüler ab Klasse 10.

Der massive Fachkräftemangel überlagert alle Reformbestrebungen im Bildungswesen, gefährdet die Qualität des Angebots und führt zu Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Bei den Erzieherinnen und Erziehern ist der Krankenstand höher als in allen anderen Beschäftigtengruppen: knapp 30 Tage Arbeitsunfähigkeit, gegenüber rund 20 Tagen im Schnitt aller Branchen. Im aktuellen DGB-Index „Gute Arbeit“ berichten 73 Prozent der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen über Engpässe aufgrund fehlenden Personals; im Bereich Kita- und Sozialarbeit liegt der Anteil bei 54 Prozent. 66 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher sowie 71 Prozent der Lehrkräfte gaben an, dass der Personalengpass bereits 18 Monate und länger dauert. Bereits in den ersten Berufsjahren verlassen zu viele gut ausgebildete Fachkräfte das Arbeitsfeld der frühkindlichen Bildung. Durch den ab August 2026 geltenden Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung in der Grundschule wird der Fachkräftebedarf weiter steigen; bundesweit werden bis 2030 für eine flächendeckende und personell gut ausgestattete Ganztagsschule über 100.000 pädagogische Fachkräfte mehr benötigt, als nach derzeitigem Stand bis dahin zur Verfügung stehen. Der Druck im System darf jedoch nicht zu einer breiten Dequalifizierung des Fachkräftenachwuchses führen.

Der Bund muss deshalb:

  • die Länder beim Ausbau der Ausbildungskapazitäten in der Lehrkräftebildung unterstützen, etwa durch eine Fortschreibung und Weiterentwicklung der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ sowie des „Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken“,
  • Schulen in herausfordernden sozialen Lagen mit zusätzlichen Bundesgeldern unterstützen. Mit diesen Mitteln können beispielsweise Doppelbesetzungen finanziert und bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden. Das macht Schulen für Lehrkräfte, aber auch andere Professionen attraktiver,
  • ein Kita-Qualitätsgesetz auf den Weg bringen, das bundeseinheitliche Strukturen schafft und so die Rahmenbedingungen für alle Beschäftigten nachhaltig verbessert und den Arbeitsbereich der frühkindlichen Bildung attraktiv macht,
  • den Fachkräftezuzug, die Arbeitsmarktintegration und Einbürgerung erleichtern. Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung und Integrationspolitik sollten regelmäßig evaluiert werden,
  • klare und verbindliche Strukturen in der Weiterbildung schaffen; dazu gehören einheitliche Rahmenbedingungen für Arbeitsverhältnisse, Finanzierung und Qualitätssicherung, um für die Beschäftigten in der Weiterbildung verlässliche und planbare berufliche Perspektiven zu schaffen.

Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung ist durch den Fachkräftemangel und eine nicht ausreichende Finanzierung stark gefährdet. Es braucht mehr Anstrengungen, dem entgegenzuwirken. Gleichzeitig müssen verbindliche Qualitätskriterien des Ganztags garantiert werden. Für die gelingende Umsetzung eines guten Ganztags hat die GEW ein 15-Punkte-Programm veröffentlicht.

Der Bund muss deshalb:

  • den Rechtsanspruch auf Ganztagsbildung und -betreuung quantitativ und qualitativ umsetzen,
  • eine langfristige Finanzierung über das Jahr 2027 hinaus gewährleisten, um Ländern und Kommunen Planungssicherheit zu geben,
  • die Finanzierung nach sozialen Indikatoren umsetzen, statt die Mittel nach dem Königsteiner Schlüssel zu verteilen.

Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe müssen ihrem gesetzlichen Auftrag professionell und unter guten Bedingungen nachkommen können. Das Investitionsvolumen für Personal beläuft sich auf rund 14 Milliarden Euro, hinzu kommen 10 Milliarden Euro für die bauliche Infrastruktur. Dafür braucht es ein Kita-Qualitätsgesetz, durch das eine pädagogisch hochwertige Bildung, Betreuung und Erziehung in den Einrichtungen gewährleistet sowie die Attraktivität der Berufe in der frühkindlichen Bildung gesteigert wird. Die GEW hat dazu ein 15-Punkte-Programm „Mehr Pädagoginnen und Pädagogen für die Frühe Bildung“ vorgelegt.

Der Bund muss deshalb:

  • sich dauerhaft zur Hälfte an den jährlichen Kosten guter Kindertageseinrichtungen in Höhe von 12 Milliarden Euro beteiligen,
  • den demografischen Wandel gemeinsam mit den Ländern dafür nutzen, die Strukturqualität in den Kitas zu stärken,
  • Standards wie eine bessere Fachkraft-Kind-Relation (für Kinder, die jünger als ein Jahr sind, von 1:2, für Ein- bis Dreijährige von 1:3 und für Dreijährige bis zum Schulbeginn 1:8) garantieren.

In nahezu allen Lebensbereichen gibt es digitale Veränderungsprozesse. Eine besondere Herausforderung ist die Entwicklung von Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Daher müssen Medienpädagogik und digitale Schulentwicklung qualitativ und quantitativ ausgebaut und sichergestellt werden. Die dafür notwendigen Strukturen und Ressourcen sind dauerhaft bereitzustellen. Dies setzt eine schnelle Weiterführung des Digitalpakts 2.0 voraus.

Der Bund muss deshalb:

  • den Digitalpakt 2.0 sozial gerecht und an den Bedarfen der einzelnen Schule orientiert mitfinanzieren, seinen Beitrag aufstocken und den Pakt auf weitere Bildungsbereiche wie die frühkindliche Bildung, Hochschule und Weiterbildung ausweiten,
  • die Medienbildung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen durch pädagogische Projekte fördern, diese dazu befähigen, sich kritisch mit Themen wie Falschinformationen, Algorithmen und KI sowie Hass im Netz auseinanderzusetzen,
  • KI-gestützte Anwendungen und automatisierte Lernsysteme an Schulen vor dem Hintergrund der KI-Verordnung der Europäischen Union (AI Act) streng auf Transparenz, Datenschutz und Wahrung der Grundrechte prüfen. Die GEW verlangt eine Technikfolgeabschätzung vor der Einführung von Technologien wie Learning Analytics.
     

Die Politik hat gerade in Zeiten multipler Krisen die Verantwortung, das Recht auf Bildung für alle Menschen zu erfüllen sowie strukturellen Benachteiligungen, menschenfeindlichen Einstellungen und antidemokratischen Ressentiments entgegenzuwirken. Aktive Beteiligung an demokratischen Prozessen und gesellschaftlicher Zusammenhalt müssen durch bessere Bildungsteilhabe, mehr politische Bildung und verlässliche Demokratieförderung vor Ort gestärkt werden.

Der Bund muss deshalb:

  • die Angebote der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) absichern und ausbauen,
  • ein nachhaltiges Demokratiefördergesetz beschließen und das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ ausbauen, um verlässliche Strukturen für politische Bildung, zivilgesellschaftliches Engagement und Präventionsarbeit, insbesondere auch in ländlichen Räumen zu schaffen,
  • die ressortübergreifende Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Rechtsextremismus verstärken,
  • Schutzlücken im rechtlichen Diskriminierungsschutz schließen und die Kommunen dabei unterstützen, Beratungs- und Unterstützungsstrukturen für Betroffene und Opfer rechter Gewalt auszubauen.

Zugewanderte und/oder geflüchtete Kinder, Jugendliche und Erwachsene müssen sowohl in die Gesellschaft als auch in das Bildungssystem integriert werden. Dabei sind die Anerkennung der im Ausland erworbenen Schul- und Berufsabschlüsse sowie der schnelle Zugang zu Deutsch-Sprachkursangeboten notwendige Grundlagen.

Der Bund muss deshalb:

  • das Recht auf Schulzugang für Geflüchtete und neu Zugewanderte nach spätestens drei Monaten umsetzen,
  • Länder und Kommunen bei den Integrationskosten im Bereich Bildung unterstützen,
  • den Zugang zu Integrationskursen und deren Rahmenbedingungen wie Kursgrößen, Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Lehrkräfte verbessern,
  • die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass ausländische Bildungs- und Berufsabschlüsse einfacher anerkannt werden,
  • den Fachkräftezuzug, die Arbeitsmarktintegration und Einbürgerungen erleichtern.

Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Laufzeiten sowie lange und komplizierte Karrierewege an den Hochschulen sind nicht nur unfair gegenüber hoch qualifizierten und engagierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Hire-and- Fire-Prinzip unterminiert auch die Qualität von Lehre und Forschung sowie die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung. Es braucht Dauerstellen für Daueraufgaben in Lehre, Forschung und Wissenschaftsmanagement. Insbesondere die Weiterbildung ist von prekärer Beschäftigung geprägt. Es braucht klarere und verbindlichere Strukturen, um die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte und die Qualität der Angebote in der Weiterbildung zu verbessern.

Der Bund muss deshalb:

  • das Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft (aktuell Wissenschaftszeitvertragsgesetz) reformieren,
  • die Finanzierung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch durch Drittmittelgeber an die Bedingung knüpfen, dass für alle Beschäftigten eine Tarifbindung gilt und Dauerstellen auch aus Drittmitteln und Projektgeldern finanziert werden,
  • die sachgrundlose Befristung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) streichen,
  • die Nationale Weiterbildungsstrategie mit verbindlichen Zusagen und mit dem Ziel eines Nationales Weiterbildungsgesetzes weiterführen,
  • sich dafür einsetzen, dass Lehrkräfte in der Weiterbildung tariflich abgesichert und orientiert am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen (TVöD) bezahlt werden.