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Folgen der Föderalisierung

Mit der Föderalismusreform erhielten die Länder die alleinige Gesetzgebungskompetenz für Besoldung, Versorgung und Laufbahnrecht. Außerdem gibt es seit der Grundgesetzänderung keine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes mehr. Was sich zunächst sehr abstrakt anhörte, hatte für die Arbeitsbedingungen der Beamtinnen und Beamten, aber auch für die Arbeit der GEW weitreichende Konsequenzen, wie die GEW schon damals - im Jahr 2006 - prognostizierte.

Was sich zunächst sehr abstrakt anhörte, hatte für die Arbeitsbedingungen der Beamtinnen und Beamten, aber auch für die Arbeit der GEW weitreichende Konsequenzen, wie die GEW schon damals - im Jahr 2006 - prognostizierte.

Ausgerechnet der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) machte den Aufschlag: In seiner Regierungserklärung kündigte er ein ehrgeiziges bildungspolitisches Programm mit mehr Ganztagsschulen, kostenlosen Kitaplätzen und gebührenfreiem Studium an. Er sagte auch gleich, wie er das Ganze finanzieren will: Durch eine Absenkung der Eingangsbesoldung um eine Besoldungsgruppe für alle neu einzustellenden Beamtinnen und Beamten (außer Grund- und Hauptschullehrern) und durch eine Absenkung der Realeinkommen der vorhandenen Beamtinnen und Beamten.

So hat er das natürlich nicht ausgedrückt. Vielmehr kündigte er an, die Besoldung in den nächsten zwei Jahren jeweils um ein halbes Prozent zu erhöhen – was bei Inflationsraten um die zwei Prozent und der kommenden Mehrwertsteuererhöhung um drei Prozentpunkte auf eine Reallohnsenkung hinausläuft.

CDU-Ministerpräsidenten reiben sich die Hände

Damit offenbart – noch vor Verabschiedung der Föderalismusreform – der erste Ministerpräsident, was er sich unter eigenständiger Politik in Sachen Besoldung und Laufbahn vorstellt. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass die SPD nur in Rheinland-Pfalz mit absoluter Mehrheit regiert und dass Beck kurz zuvor zum SPD-Vorsitzenden gewählt worden war. Manch ein CDU-Ministerpräsident wird sich die Hände gerieben haben.

Ausgerechnet Beck, der sich noch kurz vor der Landtagswahl in einem Schreiben an die Landesvorsitzenden von GEW, ver.di und GdP gegen die Föderalisierung des Dienstrechts ausgesprochen hatte: „Es steht zu befürchten, dass es durch die Öffnung der Beamtenbesoldung und -versorgung zu unterschiedlichen Bezahlungsstrukturen mit nachteiligen Effekten für sogenannte ‚finanzschwache Länder’ kommen kann.“

Mit dieser Diagnose hatte er Recht, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. Bund und Länder hatten die einheitliche Beamtenbesoldung Mitte der 70er Jahre eingeführt, um den Besoldungswettlauf zu beenden, den die Suche nach qualifiziertem Personal vor allem für das expandierende Bildungswesen ausgelöst hatte. Das wird auch künftig nicht anders sein. Lehramtsstudierende und andere Beamtenanwärter werden sich gut überlegen, ob sie mit abgesenkter Besoldung in Rheinland-Pfalz anfangen oder lieber nach Hessen oder Nordrhein-Westfalen abwandern.

Besoldung nach Kassenlage

Aber der Umkehrschluss ist leider auch richtig: Dort wo es sich die Dienstherren glauben erlauben zu können, gibt ihnen die Föderalismusreform jetzt das Werkzeug für eine Besoldung nach Kassenlage in die Hand. Über kurz oder lang werden die Beamtinnen und Beamten, die keine Alternative haben, die Besoldungszuschläge derer mitfinanzieren, um die der Dienstherr konkurrieren muss. Dass das Auseinanderlaufen laufbahnrechtlicher Vorschriften zwischen den Ländern die sonst stets eingeforderte Mobilität der Beschäftigten behindert, kommt da gerade recht.

Noch beunruhigender sind die Aussichten bei der Föderalisierung der Beamtenversorgung. Hier muss sich der Dienstherr keine Sorgen machen, dass er nicht mehr konkurrenzfähig ist – die Versorgungsempfänger laufen ihm schon nicht weg. Einen Vorgeschmack haben die Pensionäre bekommen, als den Bundesländern 2003 die Entscheidung über Urlaubs- und Weihnachtsgeld überlassen wurde. In den meisten Bundesländern wurden die Sonderzahlungen für Versorgungsempfänger noch stärker abgesenkt als für aktive Beamtinnen und Beamte.

"Arbeitsbeschaffungsprogramm für Anwälte"

Ein Blick auf die selbstverschuldete Zunahme der Versorgungsausgaben durch die beginnende Pensionierungswelle vor allem bei Lehrkräften macht deutlich, warum die Finanzminister der Länder sehnsüchtig darauf warten, den Zugriff auf das Versorgungsrecht zu bekommen. Die einzige Schranke gegen überzogene Versorgungsabsenkungen durch die Bundesländer bleiben dann die Gerichte.

Sie werden über die Amtsangemessenheit der Alimentation entscheiden müssen, zu der auch die Versorgung der Ruhestandsbeamten gehört. Dafür hat das Bundesverfassungsgericht vor wenigen Monaten in seinem Urteil zum Versorgungsänderungsgesetz 2001 einen sehr weiten Mantel geschneidert. Die Föderalisierung des Versorgungsrechts wird sich als Arbeitsbeschaffungsprogramm für Anwälte erweisen.

Wesentlich abstrakter, aber nicht weniger einschneidend ist der Wegfall der Rahmenrechtskompetenz. Diese war eine Erfindung der 60er Jahre, um im Interesse der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik zu große Unterschiede in der Rechtsentwicklung zwischen den Bundesländern zu verhindern.

In der GEW besonders bekannt sind das Hochschulrahmengesetz HRG und das Beamtenrechtsrahmengesetz BRRG. Rahmengesetze wurden vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates erlassen und sind von den Bundesländern bei ihren eigenen Gesetzen zu beachten – sie setzen ihnen einen Rahmen. Auch in vielen Bundesgesetzen, die nicht den „Rahmen“ im Namen führen, verstecken sich Rahmenregelungen. All diese Vorschriften verlieren nach dem Wegfall der Rahmenrechtskompetenz spätestens 2011 ihre Gültigkeit. Die Länder können aber schon unmittelbar nach Inkrafttreten der Grundgesetzänderung ihre neuen gesetzgeberischen Freiräume ausnutzen.

Mitbestimmung gefährdet

Eine Rahmenregelung, deren Wegfall auf die Arbeit der Gewerkschaften spürbaren Einfluss entwickeln könnte, sind die Vorschriften für die Landesgesetzgebung im Bundespersonalvertretungsgesetz. Sie sichern derzeit einen Mindeststandard in Sachen Mitbestimmung, der manchen Landesregierungen schon lange ein Dorn im Auge ist.

Auch hier haben Landespolitiker jüngst bewiesen, wie kreativ sie sind, wenn Personalräte (und Gewerkschafter) ihnen unbequem werden: So arbeitet Hessen an einer Einschränkung der Mitbestimmung bei der Einstellung von Vertretungs-Honorarkräften. Der Grund: Die GEW hat erfolgreich gegen die sogenannte „Unterrichtsgarantie plus“ der Kultusministerin Wolf mobilisiert, bei der die Schulleitungen Geld für untertariflich bezahlte und schlecht ausgebildete „Billiglehrer“ auf Abruf bekommen sollen.

Berlins Regierender Bürgermeister wartet nur die Abgeordnetenhauswahlen ab, dann will er die Mitbestimmung bei der Einstellung von 1-Euro-Jobbern in Bildungseinrichtungen abschaffen, die die GEW vor Gericht durchgesetzt hat.

Die Themen der GEW-Arbeit in den Bundesländern werden durch die Grundgesetzänderung eine Veränderung erfahren. In den letzten dreißig Jahren waren die Entlohnungsbedingungen, üblicherweise Kerngeschäft jeder Gewerkschaftsarbeit, für die große Mehrheit der GEW-Mitglieder „von oben“ gegeben. Die GEW hat sich um Schulgesetzänderungen und andere bildungspolitische Fragen gekümmert und wird in diesen Fragen als politische Kraft ernst genommen.

Aber daneben werden die „klassischen Gewerkschaftsthemen“ für die GEW wichtiger werden (müssen). Das gilt sowohl für die Beamtinnen und Beamten als auch für den Tarifbereich. Wir werden lernen müssen, um unsere Beschäftigungsbedingungen zu kämpfen.

Text: Ilse Schaad und Gesa Bruno-Latocha (2006)