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Inklusion und Sprache

Ziel verschiedener UN-Konvention ist es, für alle Menschen gleiche Chancen der Teilhabe in Bildung und Wissenschaft, in Wirtschaft und Arbeit, in Gesellschaft und Kultur zu gewährleisten. Voraussetzung für Teilhabe ist Kommunikation. Das wichtigste Medium von Kommunikation ist Sprache.

1. Allgemeine Grundlagen

Inklusion ist der völkerrechtliche Maßstab für ein Leben in Würde und Freiheit aller Menschen.

"Da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet", hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" verkündet und postuliert: "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied." Die Achtung vor diesen Rechten und Freiheiten ist durch Unterricht und Erziehung zu fördern.

Die UN-Kinderrechtskonvention aus dem Jahr 1998 und die UN-Behindertenrechts-konvention aus dem Jahr 2008 nehmen darauf Bezug und konkretisieren Ziele und Maßnahmen. Dabei werden Erziehung und Bildung in besonderer Weise hervorgehoben.

Inklusion wird umfassend verstanden als Recht für alle Menschen. Wenn auch die UN-Behindertenrechtskonvention insbesondere auf die Rechte einer besonderen Gruppe von Menschen abstellt, so ist Inklusion keine Maßnahme nur für Menschen mit Behinderungen. Es geht darum, für alle Menschen gleiche Chancen der Teilhabe in Bildung und Wissenschaft, in Wirtschaft und Arbeit, in Gesellschaft und Kultur zu gewährleisten.

Inklusion heißt:

  • Recht auf Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichem Leben,
  • Zugang zu allen Bereichen der Wirtschaft, der Arbeit, des Bildungswesens,
  • Beteiligung und Mitwirkung in allen Fragen des Gemeinwesens und der Politik.

Voraussetzung für Teilhabe ist Kommunikation. Das wichtigste Medium von Kommunikation ist Sprache.

2. Grundbegriffe der Inklusion (nach Tony Booth)

Inklusion hat eine eigene, andere Sprache. Es geht nicht um Förderung, Ausgleich von Benachteiligung, Kompetenz, Qualifikation, Leistung, Sprachstandsermittlung, Schuleingangsuntersuchung.
Tony Booth, der Autor und Promotor des "Index for inclusion" nennt als Schlüsselbegriffe*:

  • Gleichheit
  • Rechte
  • Teilhabe
  • Respekt für Vielfalt
  • Gemeinschaft
  • Nachhaltigkeit
  • Gewaltfreiheit
  • Vertrauen
  • Ehrlichkeit
  • Mut
  • Freude
  • Mitgefühl
  • Liebe und Fürsorge
  • Optimismus und Hoffnung
  • Schönheit

* Tony Booth: "Wie sollen wir zusammen leben? Inklusion als wertebezogener Rahmen für die pädagogische Praxis", Herausgeber: GEW-Hauptvorstand, Frankfurt am Main in Zusammenarbeit mit KINDERWELTEN

3. Voraussetzungen für ein inklusives Verständnis und eine inklusive Praxis zur Unterstützung der Sprachentwicklung - Zehn Thesen

  1. Alle Kinder
    Erzieherinnen unterstützen die Sprachentwicklung aller Kinder. Jedes Kind hat ein Recht auf Entfaltung seiner Sprache(n). Dabei geht jedes Kind seinen eigenen Weg. Einzelne Kinder brauchen dabei besondere Beachtung und Begleitung.
  2. Zu jeder Zeit
    Sprachförderung ist keine zeitlich abgegrenzte Maßnahme. Kinder sind ständig in Kontakt, in Kommunikation, in sozialen Prozessen. Sie erproben ihre Sprache(n) in höchst fantasievoller Weise mit anderen Kindern. Erzieherinnen unterstützen sie dabei.
  3. An allen Orten
    Ob drinnen oder draußen, im Gruppenraum oder in der Küche, wo auch immer: überall sind Räume und Orte für Sprache.
  4. Zu jeder Gelegenheit
    Sprachförderung nutzt jede Gelegenheit, jede Situation. Sie braucht kein spezielles Arrangement, sondern gehört zum Alltag.
  5. Zu allen Themen der Kinder
    Kinder entwickeln ihre Interessen situationsspezifisch zu den verschiedensten Themen. Diese Themen der Kinder sind Inhalt der Kommunikation. An ihnen bilden sich Worte, Sätze, Sprache.
  6. In allen Sprachen
    Kinder bringen eine Menge Sprachen mit. Nicht nur Deutsch, auch die Familiensprache ist von Bedeutung und wird in Kommunikation lebendig.
  7. Mit dem ganzen Team
    Die Unterstützung der Sprachentwicklung ist keine isolierte Aufgabe für Spezialisten. Das ganze Team, jede Erzieherin - und auch die Hauswirtschaftskraft - muss darauf achten, wie sie mit ihrer Sprache umgeht. Kinder brauchen "Sprachvorbilder".
  8. Mit den Eltern
    Sprachförderung muss die Eltern einbeziehen, ihre muttersprachlichen Kompetenzen ebenso wie ihre Stärken und Begabungen.
  9. Mit allen Sinnen
    Sprache ist nicht nur eine Angelegenheit sprachlicher Artikulation. Dazu gehören auch das Zuhören, die Mimik und Gestik.
  10. Im Sozialraum, in der Kommune
    Sprachförderung ist keine Aufgabe nur für die Kita. Es ist sinnvoll und notwendig, andere Jugendhilfeeinrichtungen, Beratungsstellen und Institutionen einzubeziehen.

Vortrag von Norbert Hocke* anlässlich der Informationsveranstaltung für Multiplikatoren/-innen zur "Offensive Frühe Chancen: Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration" am 2. November 2011 in Berlin

* Norbert Hocke ist Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der GEW und Leiter des Organisationsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit