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Europawahl 2024: Erstarken rechter Bewegungen

Zwischen Hoffnung und Resignation

Bei der Europawahl am 9. Juni kann die AfD laut Prognosen vor allem im Osten Deutschlands mit deutlichen Stimmenzuwächsen rechnen. Dennoch sind viele junge Menschen europafreundlich, tolerant und demokratisch eingestellt.

Die Chemnitzerin Julia Palarz sieht in Europa vor allem Verbindendes. Ein Auslandssemester in Estland hat die Studentin zur Erkenntnis geführt: „Man redet am Anfang über die Unterschiede zwischen den Herkunftsländern. Und dann schnell über die Gemeinsamkeiten, die Parallelen zwischen den Sprachen.“ (Foto: Christoph Ruf)

Für Julia Palarz ist Europa vor allem eines: eine Tatsache. „Ich bin mit einer völligen Selbstverständlichkeit in der Europäischen Union (EU) aufgewachsen und hatte von klein auf dieses Interesse an anderen Kulturen“, berichtet die junge Frau, die im Orga-Team der Kulturhauptstadt 2025 arbeitet: also in Chemnitz. Dort betreut sie das „Team Generation“, das jüngere und ältere Menschen für das Kulturhauptstadt-Programm begeistern soll. Es gibt viele deutsch-polnisch-tschechische Projekte, mit der polnischen Partnerstadt Lodz wollen viele junge Chemnitzer Kontakt aufnehmen. Geplant ist unter anderem ein großes europäisches Jugend-Kultur-Event.

Palarz, deren Eltern aus Polen stammen, hat in Chemnitz Europastudien studiert. Das Auslandssemester, unterstützt vom europäischen Austauschprogramm Erasmus, führte sie nach Tartu in Estland. Und zu der Erkenntnis, wie klein die Unterschiede zwischen den europäischen Ländern manchmal sind: „Man redet am Anfang über die Unterschiede zwischen den Herkunftsländern. Und dann schnell über die Gemeinsamkeiten, die Parallelen zwischen den Sprachen.“

„Bei vielen mag das Wissen nicht sehr ausgeprägt sein, aber ich habe noch nie einen Jugendlichen getroffen, der prinzipiell gegen Europa oder die europäischen Werte wäre.“ (Ludwig Sontag)

Auch die 19-jährige Emma Kirmse hat eine lupenreine europäische Sozialisation hinter sich. Im westsächsischen Glauchau mit seinen knapp 22.000 Einwohnern besuchte sie eine internationale Grundschule: „Bei mir war Europa deshalb schon früh ein großes Thema“, berichtet die junge Frau, die bei „Chemnitz 2025“ ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert: „Wir hatten Lehrerinnen aus Ghana und Kanada, oft wurde Englisch gesprochen. Das war eine tolle Erfahrung.“ Viel hänge von den Lehrkräften ab, findet sie: „Die Jüngeren haben Europa als Unterrichtsgegenstand viel stärker im Blick als manche Ältere.“

Überhaupt sei die Idee von Europa ziemlich unumstritten in seiner Generation, meint Ludwig Sontag (20) vom „Team Generation“: „Bei vielen mag das Wissen nicht sehr ausgeprägt sein, aber ich habe noch nie einen Jugendlichen getroffen, der prinzipiell gegen Europa oder die europäischen Werte wäre. Insbesondere nicht, wenn sie Europa bewusst erlebt haben.“ Das deckt sich mit einem Befund der Konrad-Adenauer-Stiftung, nach der die 16- bis 22-Jährigen deutlich europafreundlicher sind als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Gemeinsames Feindbild Islam

Aber wie passt das zu den Umfragen, die für die anstehende Europawahl sowie die Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen -Rekordergebnisse für die AfD prognostizieren, sowie dazu, dass die Rechtsaußen-Partei bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern überdurchschnittlich gut bei Jung- und Erstwählerinnen und -wählern abgeschnitten hat? Und wie zur Anfang April publizierten Warnung der Landesschülerräte in Berlin und den ostdeutschen Ländern, wonach „völkische Narrative, antisemitische Verschwörungstheorien und extremistisches Gedankengut auch im Raum Schule immer häufiger zutage treten?

Oder ist das gar kein Widerspruch? Wer mit rechten Jugendlichen spricht, hört jedenfalls selten grundsätzliche antieuropäische Töne. Auch die Neonaziszene ist länderübergreifend vernetzt, was nur auf den ersten Blick widersprüchlich ist. Denn längst haben auch die europäischen Rechten bei allem, was sie trennt, ihr gemeinsames „europäisches“ Thema entdeckt: das Feindbild Islam. Und die Zuwanderung aus Afrika, Nahost und Südosteuropa. Die EU sehen sie deshalb als Bedrohung, weil der Wegfall der Binnengrenzen die Zuwanderung auch für Menschen außerhalb Europas erleichtert hat.

Europafreundlich – und rechts

Auch Sontag hat die Erfahrung gemacht, dass eine prinzipiell europafreundliche Haltung die Forderung nach strengeren Grenzkontrollen ebenso wenig ausschließt wie rassistische Einstellungsmuster. Bei Toleranz-Workshops für die Initiative „colored glasses“ trifft er auf Jugendliche, die wütend berichten, dass ihnen die Flüchtlinge „die Arbeitsplätze wegnehmen“, die sie als 13-, 14-Jährige noch gar nicht haben können. Sontag ahnt dann, wie die Eltern dieser Jugendlichen ticken: „Kinder sind von Natur aus neugierig und offen“, meint er. „Wenn man das fördert, anstatt sie mit vorgefertigten Meinungen zu indoktrinieren, ist das eine tolle Voraussetzung, um die Möglichkeiten zu erkunden, die die Welt bietet.“

Zittau liegt direkt an der tschechischen und der polnischen Grenze. Das „Dreiländereck“ in der Oberlausitz ist eine europäische Modellregion. Und das nicht nur in Sonntagsreden. Europa ist auch hier Teil der Alltagskultur. Im Zittauer Traditionsrestaurant „Dornspachhaus“ gibt es „Heimatgerichte aus dem Dreiländereck“, also Piroggen und Böhmischen Lendenbraten. Landesgrenzen wirken für die meisten jungen Menschen hier ähnlich antiquiert wie die deutsch-französische Grenze für junge Pfälzer und Badener. Beim Sachsenpokal-Spiel des VFC Plauen gegen Dynamo Dresden begrüßte der Stadionsprecher wie selbstverständlich auf Tschechisch die mit den Plauenern befreundeten Fans aus Cheb, so wie es der 1. FC Saarbrücken auf Französisch praktiziert, wenn die befreundeten Fans aus Nancy in die Saarbrücker „Virage Est“ kommen.

„Die wusste nicht mehr, was sie machen soll, weil die Rechten immer mehr werden an ihrer Schule.“ (Doro Schneider)

Auch Doro Schneider muss ihrer staunenden Tochter im Auto erklären, dass auf dem Weg nach Liberec früher mal Grenzposten standen. Und doch hat die Vorsitzende des Bündnisses „Augen auf – Zivilcourage zeigen“ gerade energisch genickt, als sie gehört hat, was Sontag in Chemnitz über die Indoktrination durch Erwachsene gesagt hat. Mit Jugendlichen, die kritiklos ein rechtes Weltbild reproduzieren, hat sie schließlich täglich zu tun. Und zuletzt hatte sie immer öfter den Eindruck, sie kämpfe dabei gegen eine Hydra. Kürzlich musste sie eine verzweifelte Lehrerin trösten: „Die wusste nicht mehr, was sie machen soll, weil die Rechten immer mehr werden an ihrer Schule.“

Doro Schneider, Vorsitzende des Bündnisses „Augen auf – Zivilcourage zeigen“ in Zittau, mahnt: „Wir sind nicht mehr in der Prävention. Wir löschen nur noch Feuer.“ (Foto: Christoph Ruf)

„Du bist hier schnell linksextrem. Eigentlich reicht es schon, eine klare Meinung zu haben.“

Abends kommen wieder etwa 300 Bürgerinnen und Bürger zum Marktplatz – wie jeden Montag hat das „Bündnis Grüner Ring“ dazu aufgerufen. Vorher gibt es einen Autokorso mit vielen schwarz-rot-gelben Fahnen und Slogans wie „Schluss mit dem Ge(h)ampel“ oder „Deutschland zuerst“. Das ist nicht die Veranstaltung der Neonaziszene vor Ort, aber welche Partei hier hoch im Kurs steht, ist nach den Redebeiträgen gegen Zuwanderung, Klimapolitik und „rot-grüne Klientelpolitik“ nicht schwer zu erraten. Auf der anderen Seite des Rathauses stellt sich eine Gruppe Menschen dem „Ring“ entgegen, die nur zusammenkommt, weil ein paar Jugendliche sich auflehnen gegen den rechten Mainstream. Für viele sind sie deshalb die „Antifa“, was definitiv nicht als Kompliment gemeint ist. „Du bist hier schnell linksextrem“, sagt Schneider. „Eigentlich reicht es schon, eine klare Meinung zu haben.“

Zwei Stunden vor der Demo. In den letzten Minuten hat Schneider immer wieder etwas nervös aus dem Fenster geschaut. Gerne würde sie verhindern, dass ihr junges „Orga-Team hier durch die Straßen gejagt wird“, wie es schon so oft passiert sei. Und das ist nicht das einzige Problem für Jugendliche, die gegen rechts sind. Die Jugendclubs auf den Dörfern seien häufig unterwandert, „die Rechten sind halt entweder auch da, oder sie haben den Club gleich ganz gekapert“. Dann läuft Rechtsrock. „Die Strukturen waren nie weg“, sagt Schneider, die den Schlägern aus den 1990er-Jahren nun bei Elternabenden gegenübersitzt, „sie sind heute nur ausdifferenzierter“: In Zittau hat der „Nationale Jugendblock“ ein eigenes Haus, im nahen Bautzen residiert das rechte Medienkollektiv „Balaklava Graphics“, das auf der heutigen Demo linke Jugendliche abfilmen wird. Auch die Rekrutierung über den Kampfsport und die rechte Rap-Szene funktionieren bestens. „Was Jugendarbeit angeht, sind die uns total voraus, die haben Kohle, die haben Strukturen“, sagt Schneider.

„Links“ steht für viele nicht mehr für Fortschritt

Sekunden später hellt sich ihr Blick auf: Auf der anderen Seite des Fensters geht gerade die „Antifa“ vorbei, Schneiders „Orga-Team“. Kurz darauf sitzen vier freundliche Jugendliche mit am Tisch, die sich nach all den Anfeindungen einen gehörigen Sarkasmus zugelegt haben. „Wir verraten das Land und treiben die Umvolkung voran“, referiert Jan und lacht bitter. „Umvolkung“ ist ein Begriff aus der neonazistischen Szene, er geht von einem durch finstere Mächte betriebenen Masterplan aus, der die angestammte Bevölkerung durch willfährige Zuwanderer ersetzen will.

Natürlich halten das auch die meisten Teenager aus Zittau für Unsinn, aber zu wenige sagen das auch so vehement wie die vier von Schneiders „Orga-Team“. Und das ist ein ziemliches Dilemma. Denn wer sich raushält, hilft den Rechten. Wer sich aber gegen sie zur Wehr setzt, gilt als „Zecke“, als „Antifa“. Als links eben. Und „links“ steht für viele Jugendliche nicht mehr für Fortschritt, sondern für ein Leben als verspießerte Spaßbremse mit schwer nachvollziehbarem Vokabular und Hang zu Verboten.

Rechte Einstellungen via Social Media

Wenn man die vier fragt, warum die rechten Einstellungsmuster so zugenommen haben, müssen sie nicht lange überlegen: Social Media. „Das funktioniert über die Algorithmen“, sagt Xenia, „die kriegen dann nur noch das rechte Zeug und halten das für die Realität. Und dann wird pauschalisiert.“ Das wiederum hat auch mit Unterlassungssünden der demokratischen Parteien zu tun. Auch die linken Jugendlichen attestieren dem AfD-Spitzenkandidaten zur Europawahl, Maximilian Krah, nicht ohne Bitterkeit, dass er die Zeichen der Zeit erkannt habe und „TikTok“ ebenso infam wie meisterhaft bediene. Die anderen Parteien? Peinlich. Und deswegen ohne jede Reichweite.

Was denn ansonsten die Themen der rechten Mitschüler seien, will der Reporter nun wissen: „Das Gendern triggert die total“, sagt Martha (15), die eine „krasse Queerfeindlichkeit“ ausgemacht hat. Und natürlich die Migration, ergänzt Xenia: „Überall kriminelle Ausländer, alle Vergewaltiger“, sagt sie. Und präzisiert: „Die meinen wirklich, dass ALLE Ausländer kriminell sind.“ In ihrer Klasse, berichtet die 14-Jährige, seien 20 von 26 Schülern „sehr konservativ oder richtig rechts“. In der Klasse von Yannick (14) ist das Verhältnis nicht ganz so krass. Bei einer fiktiven Schülerwahl war die AfD zwar stärkste Partei, aber die Linke, die in der Region als aktivste Gegnerin der Rechten gilt, war fast gleichauf. In vielen anderen Klassen wurde das Ergebnis dagegen gar nicht erst publik gemacht – es hätte einen Durchmarsch der AfD dokumentiert. Und den prognostizieren die vier hier auch für die Europawahl.

„Wir sind nicht mehr in der Prävention. Wir löschen nur noch Feuer.“ 

Xenia weiß jetzt schon, dass sie nicht den nächsten Bus nach der Kundgebung nehmen wird, einigen der Leute, die sie vorhin gesehen hat, will sie definitiv nicht begegnen. Zu gefährlich. Überhaupt schauen sie und Yannick jetzt in immer kürzeren Abständen aus dem Fenster. Aber vorher müssen sie noch die Frage beantworten, wo sie wohl in fünf Jahren leben werden: „Man überlegt, ob man hier wegzieht oder bleibt, um das alles nicht zurückzulassen, was wir hier mit Doro aufgebaut haben“, sagt Xenia. „Aber vielleicht ist es einfach sicherer zu gehen.“

Noch überwiegt indes der Glaube, hier etwas bewegen zu können. Und tatsächlich wird die Demo gegen rechts mit etwa 180 Menschen zwar die kleinere der beiden Kundgebungen. Doch während dort graue Bärte und Funktionskleidung dominieren, sind hier viele junge Familien und Jugendliche. Als die Rechten von „Balaklava Graphics“ auftauchen, wird skandiert: „Ein Blatt, ein Stift, Geschichtsunterricht.“ Schneider, die vor dem Rathaus Waffeln backt, lacht kurz auf, als sie den Slogan hört. Auch heute Abend hat sie wieder vieles erlebt, das Mut macht. Sie wird nicht wegziehen. Sie hätte nur gerne, dass die Politik begreift, was gerade passiert: „Wir sind nicht mehr in der Prävention. Wir löschen nur noch Feuer.“ 

Das hat der Beutelsbacher Konsens damit zu tun

Demokratiebildung ist zentraler Bestandteil des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule. Die Landesschulgesetze beschreiben die Ziele. Lehrkräfte sollen demokratische Werte wie Würde und Gleichheit aller Menschen, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität vermitteln.

Wenn es in der Schule um politische Bildung geht, müssen sich Lehrkräfte nicht neutral verhalten. Es ist wichtig, verschiedene Blickwinkel zu beleuchten. Lehrkräfte sollen auf Basis des Grundgesetzes eine klare Haltung gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Gewaltverherrlichung und menschenverachtende Aussagen zeigen.

Oft fällt das Stichwort ’Beutelsbacher Konsens’. Er ist ein in den 1970er-Jahren formulierter Minimalkonsens für den Politikunterricht in Deutschland. Er darf nicht mit dem parteipolitischen Neutralitätsgebot des Staates verwechselt werden. Der Konsens formuliert drei zentrale didaktische Prinzipien politischer Bildung: das Überwältigungs- bzw. Indoktrinationsverbot, das Kontroversitätsgebot sowie das Ziel, dass Schüler*innen zur politischen Teilhabe befähigt werden sollen. Lehrkräfte dürfen ihre eigene politische Meinung ausdrücken, diese aber nicht als allgemeingültig darstellen. Kontroverse Themen müssen multiperspektivisch behandelt werden.

1. Überwältigungsverbot

Es ist nicht erlaubt, den Schüler – mit welchen Mitteln auch immer – im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der „Gewinnung eines selbständigen Urteils“ zu hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der – rundum akzeptierten – Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.

2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.

Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. Zu fragen ist, ob der Lehrer nicht sogar eine Korrekturfunktion haben sollte, d. h. ob er nicht solche Standpunkte und Alternativen besonders herausarbeiten muss, die den Schülern (und anderen Teilnehmern politischer Bildungsveranstaltungen) von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft her fremd sind.

Bei der Konstatierung dieses zweiten Grundprinzips wird deutlich, warum der persönliche Standpunkt des Lehrers, seine wissenschaftstheoretische Herkunft und seine politische Meinung verhältnismäßig uninteressant werden. Um ein bereits genanntes Beispiel erneut aufzugreifen: Sein Demokratieverständnis stellt kein Problem dar, denn auch dem entgegenstehende andere Ansichten kommen ja zum Zuge.

3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren,

sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Eine solche Zielsetzung schließt in sehr starkem Maße die Betonung operationaler Fähigkeiten ein, was eine logische Konsequenz aus den beiden vorgenannten Prinzipien ist. Der in diesem Zusammenhang gelegentlich erhobene Vorwurf einer „Rückkehr zur Formalität“, um die eigenen Inhalte nicht korrigieren zu müssen, trifft insofern nicht, als es hier nicht um die Suche nach einem Maximal-, sondern nach einem Minimalkonsens geht.

Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung

Die erste Direktwahl des Europäischen Parlamentes (EP) fand zwischen dem 7. und 10. Juni 1979 statt, davor wurden die Abgeordneten von den nationalen Parlamenten entsandt. Die Bürgerinnen und Bürger aus den neun Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) – die Europäische Union (EU) wurde erst 1992 gegründet – wählten 410 Abgeordnete in das Parlament nach Straßburg. Seitdem wird das EP alle fünf Jahre neu gewählt.

Die Befugnisse des EP wurden seit 1979 allmählich ausgebaut. 1992 wurde im Vertrag von Maastricht für einige Bereiche ein Mitbestimmungsrecht des Parlaments eingeführt, bei denen das EP dem Europäischen Rat, der sich aus den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten zusammensetzt, gleichgestellt wurde. Außerdem erhielt es das Recht, eigenständig Untersuchungsausschüsse einzusetzen, was seine Kontrollmöglichkeiten stark erweiterte. In den Folgejahren wurde das Mitentscheidungsverfahren weiter ausgeweitet, sodass es nun für einen Großteil der Politikbereiche der EU gilt. 2007 erhielt das EP im Vertrag von Lissabon die volle Hoheit über die Ausgabenseite des EU-Haushalts. (jam)