Kommentar zu 50 Jahre BAföG
Zweifel an Verfassungsmäßigkeit
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hält die Feststellung der Bedarfssätze nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für nicht verfassungskonform. Dies geht aus einem Urteil des Leipziger Gerichts von Ende Mai hervor.
Geklagt hatte eine Studentin. Die GEW sieht sich in ihrer Forderung nach einer BAföG-Reform bestärkt und rät zum Widerspruch gegen den letzten BAföG-Bescheid.
Nach Überzeugung des BVerwG ist die Festlegung des BAföG-Bedarfssatzes nicht mit dem „verfassungsrechtlichen Teilhaberecht auf gleichberechtigten Zugang zu staatlichen Ausbildungsangeboten“ vereinbar, heißt es in dem Urteil. Da das BVerwG selbst Gesetze nicht für verfassungswidrig erklären darf, hat es eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beschlossen. Das letzte Wort haben jetzt die obersten Richterinnen und Richter in Karlsruhe.
Widerspruch einlegen und Ansprüche sichern
Konkret zweifelt das BVerwG an, dass der Gesetzgeber im BAföG „ein taugliches Berechnungsverfahren“ für die Höhe der Bedarfssätze gewählt, die dafür relevanten Tatsachen „vollständig und zutreffend ermittelt“ und dies „mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk“ dargelegt hat. Im Ergebnis könnten die BAföG-Sätze als so niedrig angesehen werden, dass sie das über das Grundrecht der Berufswahlfreiheit -garantierte ausbildungsbezogene Existenzminium verletzen. Ihren studentischen Mitgliedern empfiehlt die GEW, Widerspruch gegen ihren letzten BAföG-Bewilligungsbescheid einzulegen.
So können Ansprüche auf BAföG-Nachzahlungen für den Fall gesichert werden, dass das BVerfG der Argumentation des BVerwG folgt und das Gesetz in seiner jetzigen Fassung kippt. GEW-Mitglieder können auf der GEW-Website ein Musterschreiben für einen Widerspruch an die zuständige BAföG-Behörde herunterladen: www.gew.de/bafoeg-widerspruch-pdf. Darüber hinaus können sie sich kostenlos von der Rechtsstelle ihres Landesverbands beraten lassen.
Politik muss jetzt handeln
Die Entscheidung des BVerwG ist eine schallende Ohrfeige für die Hochschulpolitik der Bundesregierung, die jetzt schnell reagieren muss. Seit seinem Inkrafttreten vor 50 Jahren wurde die Ausbildungsförderung regelrecht heruntergewirtschaftet. Eine umfassende BAföG-Reform gehört daher in das 100-Tage-Programm der neuen Bundesregierung.
Eine vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebene Studie hatte den Grundbedarf nach dem BAföG bereits 2016 mit 500 bis 550 Euro beziffert. Heute liegt der Grundbedarfssatz mit 427 Euro immer noch deutlich darunter. Auch mit der Wohnpauschale in Höhe von 325 Euro kann selbst in preiswerten Hochschulstädten eine Wohnung oder ein WG-Zimmer kaum finanziert werden. Das BAföG muss daher in einem ersten Schritt um mindestens 150 Euro angehoben und künftig regelmäßig an Preissteigerungen angepasst werden. Analog zu den Regelungen fürs Wohngeld muss es höhere Wohnzuschüsse in Städten mit besonders hohen Immobilienpreisen geben.
„Langfristig muss das BAföG familienunabhängig und wieder als Vollzuschuss gestaltet werden. Es braucht ein BAföG, das zum Leben reicht.“ (Nathalie Schäfer)
Weitere Forderungen der GEW zielen auf eine kräftige Erhöhung der Elternfreibeträge, die Wiedereinführung der Regelförderung von Schülerinnen und Schülern, die Verlängerung der Förderungshöchstdauer um zwei Semester je Studiengang, die Abschaffung von Altersgrenzen und die Umwandlung des BAföG in einen Vollzuschuss, der nicht zurückbezahlt werden muss. Perspektivisch tritt die Bildungsgewerkschaft für ein elternunabhängiges Studienhonorar ein.
Der Bundesausschuss GEW-Studierende hat außerdem gemeinsam mit Jugend- und Studierendenorganisationen die Petition „50 Jahre BAföG – (k)ein Grund zu feiern!“ initiiert, die unter www.bafoeg50.de online unterzeichnet werden kann. „Langfristig muss das BAföG familienunabhängig und wieder als Vollzuschuss gestaltet werden. Es braucht ein BAföG, das zum Leben reicht“, erklärte Sprecherin Nathalie Schäfer.