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Zum Verhandlungsstand in Sachen VBL

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat auch in der dritten Verhandlungsrunde der Länder-Tarifrunde am 16./17. März darauf beharrt, die künftigen Rentenansprüche der Zusatzversorgung abzusenken. In den Verhandlungen über die VBL während der dritten Verhandlungsrunde lagen alle strittigen Punkte auf dem Tisch.

Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes erscheint vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst als Buch mit sieben Siegeln. Gleichzeitig genießt die VBL-Betriebsrente ein hohes Ansehen bei den Kolleginnen und Kollegen. Die Drohung der TdL, die VBL-Renten kürzen zu wollen, löst Wut und Angst aus. Deshalb sollen hier die Hintergründe der Auseinandersetzung beleuchtet werden.

  • Im Punktesystem werden in jedem Jahr Rentenansprüche (auch "Anwartschaften" genannt) in Form von Versorgungspunkten erworben. Die Höhe der jährlichen Punktgutschrift richtet sich nach der Höhe des versicherten Entgelts und einer "Altersfaktorentabelle". Um die künftige Höhe dieser Punktegutschrift geht es.

    Die Altersfaktoren sind tarifvertraglich festgeschrieben. Sie wurden im Jahr 2001 aus einer damals in der betrieblichen Altersversorgung gebräuchlichen Sterbetafel (Heubeck 1998), einer damals marktüblichen Verzinsung (durchschnittlich rund vier Prozent) und einem fiktiven Beitrag von vier Prozent des Entgelts errechnet. Je jünger die Beschäftigten, desto mehr Punkte gibt es (bei gleichem Entgelt), weil eine fiktive Verzinsung während der Ansparphase und während der Rentenbezugsphase schon in die Punktwerte eingerechnet ist. Diese Berechnung der zugesagten Leistungen erfolgt unabhängig von der Art der Finanzierung des Betriebsrentensystems und gilt in Ost und West gleichermaßen für alle Beschäftigten von Bund, Ländern und Kommunen sowie bei den Kirchen und vielen weiteren Arbeitgebern.
    Die meisten Zusatzversorgungskassen des öffentlichen Dienstes verwenden eine Mischung aus Umlage (laufende Einnahmen finanzieren laufende Renten) und Kapitaldeckung (laufende Einnahmen werden angespart für spätere Renten). Faktisch ist die Summe aus Beiträgen, Umlagen und Sanierungsgeldern (Arbeitgeberzahlungen zur Finanzierung von Mehrbedarfen aus der Zeit des 2001 geschlossenen Gesamtversorgungssystems) in allen Kassen höher als vier Prozent. Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist mit knapp 1,9 Mio. Versicherten die größte Kasse. Dort gibt es zwei getrennte "Abrechnungsverbände" mit unterschiedlichem Finanzierungsverfahren: Die umlagefinanzierte VBL West und die kapitalgedeckte VBL Ost.

    In einem (teilweise oder vollständig) umlagefinanzierten Rentensystem hängt der aktuelle Finanzbedarf von den aktuell gezahlten Rentenleistungen ab. In der VBL West sind 6,45 Prozent Arbeitgeberumlage, 1,41 Prozent Arbeitnehmerumlage und durchschnittlich zwei Prozent "Sanierungsgeld" tarifvertraglich festgeschrieben worden. In der VBL Ost wurde ab 2004 schrittweise die volle Kapitaldeckung eingeführt. Der Beitrag liegt seit 2010 bei vier Prozent (je zwei Prozent Arbeitgeber und Arbeitnehmer). Die Arbeitgeber zahlen zusätzlich ein Prozent Umlage zur Abdeckung der Anwartschaften, die vor der Einführung der Kapitaldeckung entstanden sind.
  • Unstrittig ist, dass sich aus einer steigenden Lebenserwartung in der umlagefinanzierten VBL West und der kapitalgedeckten VBL Ost ein Handlungsbedarf ergibt. Strittig ist die Höhe dieser "Mehrbelastung" und die Art der "Gegenfinanzierung" - über die Finanzierungsseite oder über die von den Arbeitgebern geforderten Leistungseinschnitte.

    Die Arbeitgeber fordern von den Gewerkschaften, einer Absenkung der künftig zugesagten Leistungen zuzustimmen. Das betrifft alle Beschäftigten, die heute noch nicht in Rente sind. Die Gewerkschaften haben immer deutlich gemacht, dass sie eine Absenkung der Rentenleistungen ablehnen. Die Beschäftigten - insbesondere die Jüngeren! - werden angesichts der sinkenden gesetzlichen Renten auf die Rente aus der Zusatzversorgung immer dringender angewiesen sein. Das weiß auch die Bundesregierung, die noch in diesem Jahr Gesetze zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung plant. Jetzt fast zeitgleich die Betriebsrenten im öffentlichen Dienst kürzen zu wollen ist sozialpolitisch unverantwortlich. Eine Gegenfinanzierung steigender Lebenserwartung über die Rentenhöhe ist zudem in einem Umlagesystem gleichbedeutend mit einer reinen "Beitragszusage" - die Risiken wären alleine von den Beschäftigten zu schultern. Das widerspricht dem Geist des solidarischen Zusatzversorgungssystems.
  • Entscheidend für die Kosten der Zusatzversorgung ist nicht die Lebenserwartung, sondern die Laufzeit der Renten. Deswegen ist es entscheidend, von welchem Renteneintrittsalter man ausgeht.

    Unstrittig ist, dass die Beschäftigten heute schon mehr als zwei Jahre später in Rente gehen als bei Einführung der Betriebsrente nach dem Punktesystem im Jahr 2001. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Trend sich fortsetzt. Das gesetzliche Rentenalter wird bis 2031 auf 67 angehoben. Die meisten Möglichkeiten, vorzeitig in Rente zu gehen, wurden schrittweise abgeschafft, z.B. die Altersrente für Frauen, die es früher schon ab 60 gab. Hinzu kommt, dass die Altersteilzeit, die in der Vergangenheit zu dem relativ frühen Rentenbeginn im öffentlichen Dienst beigetragen hat, in den nächsten Jahren schrittweise ausläuft. Die Gewerkschaften wollen das in den Berechnungen berücksichtigt haben. Je höher das durchschnittliche Rentenalter in den Berechnungen ausfällt, desto niedriger ist die rechnerische Mehrbelastung aus einem längeren Leben.
  • Für die VBL West, die umlagefinanziert ist, muss entschieden werden, über welchen Zeitraum gerechnet werden soll. Davon hängt ab, wie hoch die "Mehrbelastung" aus einer gestiegenen Lebenserwartung ist, die "gegenfinanziert" werden müsste.

    Je länger der Berechnungszeitraum, desto stärker schlägt die steigende Lebenserwartung zu Buche. Je länger der Betrechnungszeitraum, desto größer sind aber auch die Unsicherheiten, ob die der Berechnung zugrunde liegenden Annahmen überhaupt eintreffen. Für die Länge des Berechnungszeitraumes gibt es keine allgemein gültigen Vorschriften. Darüber muss politisch entscheiden werden. Stellt man Mehrausgaben, die erst in 40 Jahren anfallen, heute schon den Beschäftigten in Rechnung, so wird die Belastung zeitlich anders verteilt als wenn lediglich die Mehrausgaben der nächsten 20 oder 30 Jahre berücksichtigt werden. Eine andere zeitliche Verteilung bedeutet auch, dass unterschiedliche Jahrgänge der Beschäftigten betroffen sind. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass die heute Älteren bereits 2001, bei der Schließung des Gesamtversorgungssystems, spürbare Einschnitte in ihre Rentenanwartschaft hinnehmen mussten.
  • Die tatsächlichen Einnahmen in der VBL West übersteigen seit vielen Jahren die laufenden Ausgaben. Deshalb haben sich inzwischen hohe Rücklagen angesammelt, Ende des Jahres 2015 werden es voraussichtlich rd. 6 Mrd. Euro sein. Strittig ist, in wie weit diese zur Deckung der Mehrbelastung eingesetzt werden sollen.

    Die Umlagen und damit die Einnahmen der VBL sind tarifvertraglich festgeschrieben. Nach derzeitiger Satzungslage muss die VBL West die Ausgabenentwicklung der nächsten fünf Jahre bei ihren Finanzierungsentscheidungen berücksichtigen und die Umlagehöhe daran ausrichten (man spricht hier von "Deckungsabschnitten"). Theoretisch müssten die Umlagen gesenkt werden, wenn am Ende eines Fünf-Jahres-Zeitraums mehr Rücklagen vorhanden sind als die Satzung vorschreibt. Mit Verweis auf die Tarifgespräche zur Zusatzversorgung, die seit Jahren laufen, fand eine Senkung nicht statt. Das Ergebnis ist in der Bilanz der VBL ablesbar: Die "Rückstellungen für Pflichtleistungen" überstiegen bereits Ende 2014 die von der Satzung geforderte Höhe (6 Monatsausgaben plus Kapitalbestände aus der Zeit vor 1978) um rd. 4,9 Mrd. Euro.

    Jetzt streiten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften darüber, ob diese Rücklagen zur Abdeckung der "biometrischen Risiken", also der längeren Lebenserwartung, verwendet werden sollen. Die Arbeitgeber lehnen das ab mit dem Argument, das sei "Geld der Arbeitgeber". Dieses Argument empfinden die Gewerkschaften als Zumutung: Zum einen haben die Beschäftigten sich direkt (über die Arbeitnehmerumlage von 1,41 Prozent, die sie nicht steuerlich geltend machen können) und indirekt (über Steuern und Sozialbeiträge auf die Arbeitgeberumlage) an der Finanzierung beteiligt. Ab Entgeltgruppe E13 aufwärts ist die zusätzliche Steuer- und Abgabenbelastung aus der Arbeitgeberumlage höher als der eigentliche Arbeitnehmerbeitrag. Zum anderen haben auch die Arbeitgeber ihre Umlagen und Sanierungsgelder ausschließlich zum Zweck einer Altersversorgung der Beschäftigten eingezahlt. Deshalb kann und muss es jetzt auch hierfür verwendet werden.
  • In der kapitalgedeckten VBL Ost entstehen durch die gesunkenen Zinsen Jahr für Jahr Defizite. Hier wird es unvermeidlich sein, die Beiträge anzuheben, um das notwendige Leistungsniveau zu sichern.

    In einem kapitalgedeckten System wie der VBL Ost werden in einem Jahr stets die Rentenansprüche ausfinanziert, die in dem gleichen Jahr erworben werden. Dabei kommt es stark auf die Verzinsung des eingezahlten Kapitals an. Diese Rendite war in den ersten Jahren nach Beginn der Kapitaldeckung 2004 relativ hoch, sie sinkt aber zunehmend und wird nach derzeitigen Prognosen auch in den nächsten Jahren niedrig bleiben. Inzwischen ist die niedriger als die Zinssätze, die bei der Kalkulation der Altersfaktorentabelle zugrunde gelegt wurden.
    Derzeit kostet die VBL Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Osten deutlich weniger als im Westen, wo durch das Umlagesystem heute die Renten der früher im öffentlichen Dienst Beschäftigten ausfinanziert werden müssen. Um trotz gesunkener Rendite die zugesagten Leistungen weiter zahlen zu können, müssen die Beiträge in der VBL Ost über die derzeitigen vier Prozent (je zwei Prozent Arbeitgeber und Arbeitnehmer) hinaus angehoben werden. Das hatten die Gewerkschaften bereits vor über einem Jahr zugesagt. Damals hatten die Arbeitgeber dieses Angebot der Gewerkschaften brüsk zurückgewiesen, weil sie den Druck in Richtung Leistungskürzungen aufrechterhalten wollten. Für die Gewerkschaften hingegen ist das Entscheidende, die guten Leistungen der VBL zu erhalten. In der aktiven Zeit können die Beschäftigten eher auf Geld verzichten als im Alter, wenn sie von ihrer Rente leben müssen.
    Wie stark die Anhebung der Beitragssätze ausfallen müsste, hängt allerdings auch in der VBL Ost von den verwendeten Berechnungsparametern ab, ist also auch hier noch umstritten und muss verhandelt werden. Die VBL-Aktuare haben für die VBL Ost einen "erforderlichen Beitragssatz" von 8,5 Prozent errechnet. Darüber wurde noch nicht entschieden.
    Im Tarifgebiet Ost fällt die Netto-Belastung der Beschäftigten durch die Steuer- und Sozialabgabenfreiheit der Beiträge zur VBL Ost deutlich geringer aus als die Höhe der Brutto-Beiträge. So beträgt der Brutto-Arbeitnehmerbeitrag von 2 Prozent in der Endstufe von Entgeltgruppe 13 rd. 113 Euro, die Nettobelastung liegt bei rd. 62 Euro. Selbst bei einem Anstieg des Arbeitnehmerbeitrags um über zwei Prozent wäre das Nettoeinkommen (Trotz unterschiedlicher Jahressonderzahlung) im Osten noch etwas höher als bei West-Kollegen der gleichen Entgeltgruppe und -stufe.
  • Pattsituation auflösen - Druck machen!

    Die Arbeitgeber beharren weiterhin auf einer "Paketlösung" - gemeint ist, dass es erst ein Lohnangebot gibt, wenn die Gewerkschaften bei der VBL einknicken. Umgekehrt können die Gewerkschaften - unabhängig von den oben dargestellten Berechnungsfragen - überhaupt erst dann darüber entscheiden, ob und ggf. welche Mehrbelastung der Beschäftigten für die VBL sie in Kauf nehmen würden, wenn das Gesamtvolumen einer Gehaltserhöhung auf dem Tisch liegt.
    Um diese Pattsituation aufzulösen bedarf es erheblichen Drucks der Beschäftigten. Es muss klar werden, dass die Arbeitgeber das Gesicht verlieren, wenn sie weiterhin kein Lohnangebot vorlegen. Sie müssen endlich einsehen, dass eine Betriebsrentenkürzung nicht in eine Zeit passt, in der alle Politiker einer Stärkung der betrieblichen Altersversorgung das Wort reden. Nur mit Druck ist wieder Bewegung in die Sache zu bringen. Deswegen sind in der Woche vor dem vierten Verhandlungstermin am 28. März weitere Warnstreiks nötig.