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Zukunft durch gute Bildung: Sechster Weltkongress der Bildungsinternationale eröffnet

Mehr als 1.800 Personen nehmen am Weltkongress der Bildungsinternationale in Kapstadt teil. Die Bildungsinternationale verurteilt Schulrankings und fordert freie und öffentliche Bildung in demokratischer Kontrolle.

Foto: Laura Stritzke, Manfred Brinkmann

Mit der Nationalhymne „Nkosi sikelel’ iAfrica“ beginnt der erste Tag des sechsten Weltkongresses der Bildungsinternationalen unter dem Motto „Building the Future through Quality Education“ in Kapstadt. Über 1.800 Delegierte und Gäste aus aller Welt haben sich hier versammelt, um über bildungspolitische Positionen und die weitere Arbeit der Weltorganisation zu diskutieren. In ihrer Begrüßungsrede an den Kongress erinnert die Präsidentin der Bildungsinternationale, Susan Hopgood, an die Leistung Nelson Mandelas, der seine Freiheit im Kampf gegen die Apartheid und für eine bessere Welt geopfert hat und vor wenigen Tagen seinen 93. Geburtstag feiern konnte. Die Bildungsinternationale dankt auch Thulas Nxesi von der South African Democratic Teachers Union (SADTU) für seine langjährige Arbeit als Präsident der Bildungsinternationale.

Obwohl die Finanzkrise das Versagen des Neoliberalismus gezeigt hat, gibt es weder einen Paradigmenwechsel noch eine neue Gesellschaftsordnung, in der Gewerkschaftsrechte geachtet werden und soziale Gerechtigkeit und freie Bildung für alle verwirklicht sind, so die Vorsitzende Susan Hopgood. Vielmehr ist öffentliche Bildung weiterhin unter Beschuss und wird bedroht durch Public-Private-Partnerships, Privatisierung von Schulen sowie Studiengebühren, Ausdruck der Kommerzialisierung von Bildung sind. Dazu tragen ebenfalls die Praktiken des New Public Managements mit Rankings von Schulen und Lehrkräften, Bonussystemen für Lehrkräfte, ständigen Prüfungen und Wettbewerb bei, die in den Schulen und Bildungseinrichtungen Einzug halten und die öffentliche Bildung gefährden. Die Bildungsinternationale lehnt diese Entwicklung ab und sieht in den Angriffen auf öffentliche Bildung auch eine Gefahr für die Demokratie. Dagegen stellt sie die Forderung nach öffentlich finanzierter Bildung in demokratischer Kontrolle und mit freiem Bildungszugang. Zudem werden weltweit noch immer Gewerkschafter verfolgt und Gewerkschaftsrechte eingeschränkt. Daher sind Solidaritätsaktionen der Bildungsinternationale weiterhin wichtig und notwendig. Die Botschaft von Nelson Mandela, die Welt zu verändern, bleibt aktuell und ein Auftrag auch an die Bildungsinternationale!

Die Bedeutung des öffentlichen Diensts wurde auch vom Präsidenten der Public Service International Peter Waldorf hervorgehoben, der dazu aufrief, den Wettlauf nach unten zu stoppen und den politischen Mainstream, den öffentlichen Dienst abzubauen, umzukehren. Die Qualität des öffentlichen Dienstes ist entscheidend, um eine sozial gerechtere und gleiche Gesellschaft zu erreichen. An die Eröffnungsrede schließen sich weitere Reden des Vizepräsidenten Südafrikas Motlanthe, des Ministers für tertiäre Bildung Emmanuel Nzimande sowie der Bildungsministerin Angelina Motshekga an, die alle die besondere Bedeutung der Bildung und von Lehrerinnen und Lehrern betonen und darüber hinaus auch daran erinnern, dass Südafrika sehr von der weltweiten Solidarität der Gewerkschaftsbewegung im Kampf gegen die Apartheid weltweit profitiert hat. Strittig im Vorfeld des Weltkongress war der Auftritt der Premierministerin der Provinz Westkap Hellen Zille, die versucht, die Koalitionsrechte der Lehrerinnen und Lehrer dadurch einzuschränken, indem sie die Lehrtätigkeit als „essential service“ klassifizieren möchte, für die dann nur ein eingeschränktes Streikrecht gelten würde.

Zudem will sie die Bezahlung der Lehrkräfte an die Leistung der Schülerinnen und Schüler zu koppeln. Trotz dieser gewerkschaftsfeindlichen Haltung lautete der Kompromiss, dass Helen Zille auf dem Kongress zu den Delegierten sprechen durfte. Die Lehrergewerkschaft SADTU und der Dachverband ‚Congress of South African Trade Unions_ (COSATU) verurteilten demgegenüber alle Angriffe auf Gewerkschaftsrechte in Südafrika und weltweit. COSATU-Präsident S’dumo Dlamini machte unter großem Applaus der Delegierten unmissverständlich deutlich, dass zu einer guten Qualität von Bildung auch eine gute Bezahlung der Lehrkräfte und gute Arbeitsbedingungen gehören. Auch der Generalsekretär der Bildungsinternationale Fred van Leuuwen erteilte im Geschäftsbericht Rankings von Schulen und Lehrkräften aufgrund von standardisierten Tests sowie eine Kopplung der Bezahlung der Lehrkräfte an diese Ergebnisse eine klare Absage und bezeichnete diese weltweite Entwicklung als falsch und gefährlich. Es sei vielmehr notwendig, die Profession attraktiver zu gestalten, wozu auch eine angemessene Bezahlung der Lehrkräfte gehört. Zudem forderte auch van Leuuwen, dass Umfang und Qualität öffentlicher Dienstleistungen ausgebaut und nicht gekürzt werden dürfen. Sie sind nicht nur essentiell für alle Menschen, vor allem für die Arbeitenden und Armen, sondern auch für die Demokratie. Aufgabe der Regierungen ist es nicht, zu schauen, wo gespart werden kann, sondern wie sie die öffentlichen Haushalte stärken können! Und dazu gehöre es, die Unternehmen endlich stärker am Steueraufkommen und damit der Finanzierung des öffentlichen Dienstes zu beteiligen.

Die Bildungsinternationale bekräftigte zudem die Forderung nach einer internationalen Transaktionssteuer. Nach der Finanzkrise ist einmal mehr deutlich geworden, dass die Märkte endlich reguliert und diszipliniert werden müssen. Während der Aussprache zum Geschäftsbericht fand vor dem Gebäude, in dem der Weltkongress stattfindet, eine Demonstration von Schülerinnen und Schülern von Kapstädter Schulen, organisiert von der Organisation Equal Education, statt. Equal Education hat seine Basis in Khayelitsha in Kapstadt, einem der größten Townships Südafrikas, in dem mehr als eine Million Menschen leben. Im Vorstand der Organisationen sind auch Professoren und bekannte Persönlichkeiten, wie der HIV/AIDS-Aktivist Zackie Achmat. Die Aktion vor den Türen des Kongresses wurde auch von SADTU unterstützt. Die Schülerinnen und Schülern machen auf die Bildungskrise in Südafrika aufmerksam und fordern auf Plakaten und in Redebeiträgen, dass sich die südafrikanische Regierung zu Mindeststandards für die Infrastruktur und Ausstattung aller Schulen verpflichtet und dieses Programm auch umsetzt. Denn mehr als 3.500 Schulen in Südafrika haben keinen Zugang zu Elektrizität, etwa 2.400 Schulen keinen Zugang zu Wasserversorgung. Toiletten fehlen in mehr als 900 Schulen und nur sieben Prozent der Schulen verfügen über eine Schulbücherei. Die Schülerinnen und Schüler fordern mit ihrer Protestaktion vor dem Kongresszentrum, sich für ihre Forderungen zur Verbesserung des Bildungssystem in Südafrikas, das noch immer durch große soziale Ungleichheiten gekennzeichnet ist, einzusetzen. Die Delegierten und Mitgliedsgewerkschaften werden ebenfalls gebeten, Bücher für die Schulbibliotheken zu spenden. Der erste Tag der Bildungsinternationalen ging zu Ende mit einem Willkommensabend mit südafrikanischem und indischem Essen, begleitet von südafrikanischer Musik.