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Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine

Zu wenige Lehrkräfte und zu wenige Räume

Tausende geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine haben noch immer keinen Schulplatz in Deutschland: Lehrkräfte und Räume fehlen, wie eine Umfrage des Mediendienstes Integration zeigt. Die GEW mahnt: „Bildung kann nicht warten.“

Die GEW fordert Länder und Kommunen auf, die notwendigen Sofortprogramme auf den Weg zu bringen und Schulen deutlich besser auszustatten. (Foto: Dominik Buschardt)

Die GEW fordert mehr Anstrengungen von Ländern und Kommunen, um aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche ins deutsche Schulsystem zu integrieren. Noch immer warteten tausende schulpflichtige Geflüchtete auf einen Schulplatz, kritisiert die Bildungsgewerkschaft. Eine aktuelle Recherche des Mediendienstes Integration in den Bundesländern zeigt: Vielerorts fehlen weiterhin Lehrkräfte und Räume.

„Die zuständigen Ministerien müssen aufhören, die Situation schön zu reden und ihrer Verantwortung gerecht werden: Bildung kann nicht warten!“ (Maike Finnern)

„Der dramatische Lehrkräftemangel führt dazu, dass die Bildungseinrichtungen und die Beschäftigten bereits seit langem am Limit arbeiten. Sie tun ihr Bestes zum Wohl der Kinder und Jugendlichen, brauchen aber endlich deutlich mehr Unterstützung, um guten Unterricht anbieten zu können - ob in Vorbereitungs- und Willkommens- oder Regelklassen“, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern am Dienstag in Frankfurt am Main. „Die zuständigen Ministerien müssen aufhören, die Situation schön zu reden und ihrer Verantwortung gerecht werden: Bildung kann nicht warten!“

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs haben die Schulen hierzulande nach Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) mehr als 200.000 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine aufgenommen.

„Die soziale Kluft wird größer.“

In vielen Schulen würden Klassengrenzen überschritten, Unterrichtsausfall sei an der Tagesordnung, sagte die GEW-Vorsitzende. So könne die Bildungsteilhabe geflüchteter sowie benachteiligter Schülerinnen und Schüler nicht verbessert werden. „Die soziale Kluft wird größer.“

Damit die Schulen geflüchteten Kindern und Jugendlichen gute Bildungs- und Unterstützungsangebote machen könnten, seien multiprofessionelle Teams aus Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern, Fachkräften für Schulsozialarbeit und -psychologie sowie Pädagoginnen und Pädagogen mit Kenntnissen in Herkunftssprachen erforderlich.

Perspektiven für ukrainische Fachkräfte gefordert

Finnern begrüßte die Anstrengungen vieler Bundesländer, zusätzliches Personal einzustellen, darunter pädagogische Fach- und Lehrkräfte aus der Ukraine. „Allerdings sollten sie nicht nur kurzfristig zur Unterstützung in Klassen für Deutsch als Zweitsprache, als pädagogische Hilfen im Regelunterricht, für den Ukrainisch-Unterricht oder als Sprachmittler beschäftigt werden. Sie brauchen bessere und langfristige Anerkennungs- und Beschäftigungsperspektiven.“

Die GEW fordert verstärkte Anstrengungen, um die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufserfahrungen in pädagogischen Berufen zu erleichtern sowie zielgruppengerechte Beratungs- und (Nach)Qualifizierungsangebote für neu zugewanderte Lehrkräfte in den Ländern auszubauen.

KMK sieht „großartige Integrationsleistung“

Nach Einschätzung der KMK gelang die Aufnahme von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine in den Schulen derweil vielerorts „relativ geräuschlos“. Das deutsche Schulsystem habe eine „großartige Integrationsleistung“ gestemmt, sagte die KMK-Vorsitzende, Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) – räumte jedoch ein, dass häufig entsprechend ausgebildete Lehrkräfte und Räume an Schulen fehlten. Wie viele Kinder und Jugendliche aus der Ukraine bislang noch auf einen Schulplatz warteten, konnte sie Präsidentin nicht beziffern.

Laut der Umfrage des Mediendienstes Integration werden die aus der Ukraine geflüchteten Schülerinnen und Schülern in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich unterrichtet - mal in Regelklassen, mal in Willkommens- oder Vorbereitungsklassen.

„Es darf kein paralleles Schulsystem entstehen.“ (Karin Prien)

Die Soziologin und Migrationsforscherin Juliane Karakayali von der Evangelischen Hochschule Berlin monierte einen „bunten Flickenteppich an Maßnahmen zur Beschulung“. In vielen Willkommensklassen fehlten feste Vorgaben zu Unterrichtsinhalten sowie ausgebildete Fachkräfte. Studien zeigten, dass Schülerinnen und Schüler in diesen Klassen schlechter lernten. Seit dem Jahr 2015 habe es keine neuen Konzepte zur integrierten Beschulung gegeben: „Da hätten wir schon weiter sein müssen.“ Ukrainische Lehrerinnen und Lehrer würden zudem nicht als vollwertige Lehrkräfte eingesetzt, sondern „irgendwie als pädagogisches Personal“.

Auch Prien mahnte: „Es darf kein paralleles Schulsystem entstehen.“ Der Übergang in Regelklassen müsse so schnell wie möglich erfolgen. Willkommens- und Vorbereitungsklassen könnten aber vor allem für etwas ältere Schülerinnen und Schüler sinnvoll sein. Die Einschätzung in den Bundesländern dazu falle indes unterschiedlich aus.

„Bestimme Mindeststandards bleiben.“

Die Integration ukrainischer Fachkräfte als reguläre Lehrkräfte sei auch Thema der im März 2022 ins Leben gerufenen Task Force, sagte die KMK-Vorsitzende weiter. In vielen Ländern gebe es „Sondermaßnahmen“, denen Angebote für Anpassungsqualifizierungen folgten. Es werde daran gearbeitet, das Prozedere zu vereinfachen, aber: „Bestimme Mindeststandards bleiben.“ Viele Lehrerinnen und Lehrer aus der Ukraine hätten nur einen Bachelor- und nicht wie deutsche Lehrkräfte einen Masterabschluss und ein abgeschlossenes Referendariat.