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Zeitverträge in der Wissenschaft: DGB, Bund, Destatis, Leibniz

In der Auseinandersetzung um die ausufernde Praxis der Befristung von Arbeitsverträgen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) der Bildungs- und Wissenschaftsgewerkschaft GEW den Rücken gestärkt.

Bild: I vista / pixelio
Bild: I vista / pixelio

In einer Stellungnahme zur Bundesratsinitiative der Länder Nordrhein-Westfalen und Hamburg hat sich der DGB für eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) ausgesprochen. Wesentliche Vorschläge der GEW – Streichung der Tarifsperre, Verankerung von Mindestvertragslaufzeiten oder eine verbindliche Ausgestaltung der familienpolitischen Komponente des Gesetzes – wurden in die Stellungnahme mit aufgenommen.

Die GEW hat bereits am 3. Mai die Bundesratsinitiative zur Änderung des Gesetzes als „überfälligen Schritt in dir richtige Richtung“ begrüßt, zugleich aber kritisiert, dass der Gesetzentwurf in wichtigen Punkten hinter den Forderungen der GEW zurückbleibt.

Zum Thema „Wissenschaftszeitvertragsgesetz und Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ wird der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages am 12. Juni 2013 eine öffentliche Anhörung durchführen. Dazu wurde auch GEW-Vorstandsmitglied Andreas Keller als Sachverständiger eingeladen.

Das Templiner Manifest wirkt: Bundestag, Bundesregierung, Leibniz-Gemeinschaft

Unterdessen schlagen die GEW-Initiativen für den „Traumjob Wissenschaft“ (Templiner Manifest) und für einen Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ (Herrschinger Kodex) weiter Wellen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hat sich die Bundesregierung erstmals klar zum von der GEW formulierten Grundsatz der Mindestlaufzeiten für Zeitverträge bekannt. „Die Bundesregierung hält es grundsätzlich für sinnvoll, wenn sich Vertragslaufzeiten bei der sachgrundlosen Befristung in der Qualifikationsphase an dem für eine wissenschaftliche Qualifizierung erforderlichen Zeitbedarf orientieren und bei Befristungen wegen Drittmittelfinanzierung am Zeitraum der Mittelbewilligung“, heißt es in der Stellungnahme der Bundesregierung. Eine Änderung des WissZeitVG lehnt die Regierung aber weiter ab.

Dafür fordern die Fraktionen von CDU/CSU und FDP in ihrem Antrag „Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung durch kontinuierliche Impulse vorantreiben“ die Bundesregierung auf, „in den Zuwendungsbestimmungen der Projektförderung des BMBF vorzusehen, dass sich bei befristeten Arbeitsverträgen mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs, die mit der Projektfinanzierung begründet werden, die Vertragslaufzeit an der Projektlaufzeit orientiert“ (Bundestagsdrucksache 17/12845 vom 19.03.2013). Weiter soll die Bundesregierung, so CDU/CSU und FDP, „die Umsetzung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hinsichtlich einer noch besseren Vereinbarkeit von Familie und Karriere (…) überprüfen“. Damit räumen die Regierungsfraktionen ein, dass die von der GEW herausgearbeiteten Probleme der fehlenden Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Qualifizierung bestehen.

Unterdessen hat die Leibniz-Gemeinschaft „Leitlinien für die Arbeitsbedingungen und die Karriereförderung promovierender und promovierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“ vorgelegt. Zuvor hatte die GEW Hochschulen und Forschungseinrichtungen empfohlen, sich in einem Kodex „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ zu berechenbaren Karrierewegen und stabilen Beschäftigungsbedingungen zu verpflichten (Herrschinger Kodex). In Leitlinien wird den Leibniz-Instituten empfohlen, „für herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Entfristungsmöglichkeiten in Form eines Tenure Track zu ermöglichen“. Wünschenswert sei ferner ein „ausgewogenes Verhältnis zwischen befristeter und unbefristeter Beschäftigung“ an den Instituten.

Statistisches Bundesamt: Nirgendwo mehr Zeitverträge als in der Wissenschaft

Dass die Attraktivität des Arbeitsplatzes Hochschule und Forschung im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern bedroht ist, legt der heute vom Statistischen Bundesamt (Destatis) vorgelegt Bericht nahe. Im Jahr 2011 hatten an deutschen Hochschulen 80 Prozent der dort beschäftigten 25- bis 29-jährigen Akademikerinnen und Akademiker einen befristeten Arbeitsvertrag. Damit ist der wissenschaftliche Nachwuchs an Hochschulen deutlich häufiger befristet beschäftigt als andere Erwerbstätige in diesem Alter: 29 Prozent der jungen Akademikerinnen und Akademiker insgesamt hatten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes einen Zeitvertrag. Im Durchschnitt aller Erwerbstätigen dieser Altersgruppe lag die Befristungsquote bei 17 Prozent. Dagegen betrug beispielsweise im Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen die Befristungsquote der 25- bis 29-jährigen Akademikerinnen und Akademikern gerade einmal sieben Prozent, im verarbeitenden Gewerbe lag sie bei elf Prozent. Die Befristungsquote blieb bei den 30- bis 34-jährigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Hochschulen mit 71 Prozent weiterhin sehr hoch. Auch in der Altersgruppe der 35- bis 39-Jährigen hatte immer noch mehr als die Hälfte (59 Prozent) der Nachwuchswissenschaftler einen Zeitvertrag, meldet das Statistische Bundesamt.