Polnische Lehrkräfte werden schlecht bezahlt
„1.000 netto“ heißt das Postulat, dem neunzig Prozent des pädagogischen Personals bei der landesweiten Abstimmung am 25. März zugestimmt hatten. Eintausend polnische Zloty, gut 200 Euro mehr will die Lehrerschaft also, die zu den am schlechtesten bezahlten Berufsgruppen in Polen gehört. Brutto 2.538 Zloty (ca. 600€, netto 450€) erhält eine Lehrkraft mit abgeschlossenem Hochschulstudium und anschließender pädagogischer Ausbildung. Am Ende der Karriere kann sie auf 3.484 Zloty Brutto (2.492 Zloty Netto) kommen. Damit liegen die Lehrer weit unter dem polnischen Durchschnittseinkommen von 4.521 Zloty und knapp über dem Mindestlohn von 2.250 Zloty. Die Lehrergehälter in Polen zählen heute zu den niedrigsten in den OECD-Ländern. Kein Wunder, dass der Lehrerberuf in Polen nicht attraktiv für junge Menschen ist.
Kein Geld für die Bildung
In den Verhandlungen der Lehrergewerkschaften mit der Regierung kam es zu keiner Einigung: Zwar hatte die führende Lehrergewerkschaft ZNP ihre Forderung auf dreißig Prozent Lohnerhöhung in 2 Schritten reduziert, die Regierung bot aber nur 14 Prozent an. Bildungsministerin Zalewska hatte im Januar gerade einmal fünf Prozent zugestehen wollen, nachdem sich als erste Protestaktion massenhaft Lehrer krank gemeldet hatten. Die Regierung behauptet, für weitere Gehaltserhöhungen sei kein Geld da. Darüber sind nicht nur die Lehrer verwundert, denn der heimliche Chef des Landes, Jaros?aw Kaczynski, Vorsitzender der rechten Regierungspartei PiS, hatte gerade noch Wahlgeschenke verkündet, die nächstes Jahr 40 Milliarden kosten könnten.
Streik während der Prüfungen
Nach dem Scheitern der Gespräche begann am 8. April der Streik, von dem 78 Prozent der Schulen betroffen sein sollen. Der Streik wurde zeitlich so platziert, dass er enorm spürbar ist: „Nur ein Streik während der Prüfungsphase kann bewirken, dass die Regierung beginnt, die Bildung ernst zu nehmen“, erklärte der ZNP-Vorsitzende Slawomir Broniarz. Die Prüfungen zum Abschluss der Sekundarstufe 1 haben letzte Woche trotzdem stattgefunden, weil die Regierung kurzerhand die Prüfungsregularien lockerte, nicht streikende Lehrer an andere Schulen delegierte, externe Personen akquirierte. Außerdem standen KollegInnen der kleineren Gewerkschaft Solidarnosc zur Verfügung, deren Führung kurz vor Beginn des Streiks das Angebot der Regierung angenommen hatte. Der Solidarnosc laufen nun die Mitglieder davon.
Scharfe Angriffe gegen die ZNP
Am Sonntag schaltete sich Ministerpräsident Morawiecki in den Konflikt ein und bat die Lehrer, in der Karwoche den Streik auszusetzen und nach Ostern einen Runden Tisch zu bilden. ZNP-Chef Broniarz dazu: „Wir ermutigen den Premier dazu, in der Karwoche (polnisch „Große Woche“) große Taten zu vollbringen“. Der Streik ginge selbstverständlich weiter. Der Konflikt wird sich dann dramatisch zuspitzen, wenn die Abiturprüfungen Anfang Mai betroffen sind. Dann wird sich zeigen, ob die Stimmung in der Bevölkerung kippt. Noch zeigt gut die Hälfte Sympathien für den Streik und macht die Regierung verantwortlich für den Konflikt. Gegenüber Lehrern bestehen ähnlich tief verwurzelte Vorurteile wie in anderen Ländern (lange Ferien etc). Und die Angriffe der Politiker und konservativen Medien werden schärfer werden. Schon im März wurde der ZNP-Vorsitzende Broniarz auf dem Titelblatt der Gazeta Polska als Terrorist mit Maschinengewehr im Klassenzimmer gezeigt unter dem Titel „ZNP nimmt Kinder als Geiseln“.
Regierung spielt auf Zeit
Andererseits hat die immer noch auflagenstärkste Zeitung des Landes, die linksliberale Gazeta wyborcza, eine Spendenkampagne für die Lehrer initiiert, die bis Montag bereits 5 Mio Zloty gesammelt hatte. Die Regierung spielt auf Zeit und hofft, dass die Lehrer den Arbeitskampf nicht durchhalten werden und sich die finanziellen Mittel der Gewerkschaft erschöpfen. ZNP, die kürzlich ihr 100-jähriges Bestehen feierte, hat ungefähr so viele Mitglieder wie die GEW (knapp 300 000), organisiert damit fast die Hälfte der polnischen LehrerInnen. Die einst so starke NSZZ Solidarnosc hat lediglich 40 000 Mitglieder.