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Wissenschaftszeitvertragsgesetz bleibt verbesserungswürdig

Der Bundesrat forderte Verbesserungen, die Bundesregierung winkte ab. In der ersten Lesung des Wissenschaftszeitvertragsgesetztes waren die Regierungsparteien nun darum bemüht, die Erwartungen an das neue Gesetz zu dämpfen.

Am Donnerstag, 5. November fand nach langem Hin- und Her zwischen Bundesrat, Bundeskabinett und Bundesregierung die erste Lesung des novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) statt. Der Bundesrat hatte zuvor deutliche Verbesserungen gefordert und dabei eine Reihe von Kritikpunkten der GEW aufgegriffen–die von der Bundesregierung aber blockiert wurden. Bei der Bundestagssitzung am Donnerstag waren die Regierungsparteien nun um Schadensbegrenzung bemüht.

Befristete Stellen seien ein originärer Bestandteil des flexiblen Wissenschaftssystems und ein neues WissZeitVG könne nicht für mehr Dauerstellen schaffen, versuchte Bildungsministerin Johanna Wanka schon zu Beginn der Lesung der Kritik am Gesetzentwurf den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dass der Entwurf zu weich formuliert sei und so der gängigen Befristungspraxis nicht wirksam Einhalt gebieten könne, wurde schon in den letzten Monaten von der GEW und zuletzt auch vom Bundesrat kritisiert. Auch die Vertreter*innen der Opposition äußerten vehement Bedenken an der unverbindlichen (Nicole Gohkle/Die Linke) und wachsweichen (Kai Gehring/Grüne) Formulierung des Gesetzes, die weiterhin Tür und Tor für Kurzzeit- und Kettenverträge offen lässt.

Flexibilität der Hochschulen soll nicht gefährdet werden

Die Regierungsparteien hingegen verteidigten einhellig den Gesetzentwurf. Denn insgesamt habe sich das Wissenschaftssystem in den letzten Jahren hervorragend entwickelt, es müssten lediglich einige Fehlentwicklungen behoben werden. Und dabei dürfe die positive Bilanz der letzten Jahre nicht durch ein überambitioniertes und zu restriktives WissZeitVG gefährdet werden – darin war man sich einig. Mit dem Gesetzentwurf sei es gelungen, zwischen den Anforderungen des Wissenschaftsbetriebs und guten Beschäftigungsbedingungen zu vermitteln. Wiederholt wurde vor allem von CDU/CSU aber auch von SPD deutlich gemacht, dass es sich bei den Anforderungen des Wissenschaftsbetriebs vor allem um eines handelt: um möglichst flexible arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen. Wanka stellte daher noch einmal klar, dass die von der GEW und der Opposition geforderten Mindestvertragslaufzeiten von 24 Monaten eine Katastrophe für die Hochschulen wären – ebenso klare Berufsperspektiven. Wissenschaft brauche stets neue Anreize und Ideen, so die Begründung – weshalb das aber auf Kosten der Zukunftsperspektiven des erfahrenen und lang ausgebildeten wissenschaftlichen Personals gehen muss, blieb offen.

Die Forderungen der Linken und vom Bündnis90/die Grünen, die Lebens- und Berufsperspektive von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im WissZeitVG besser zu schützen, stießen daher auf weitgehend taube Ohren. Dabei sind sich Regierung und Opposition sogar einig: eine Wissenschaftskarriere in Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern momentan wenig verlockend. Angesichts der Sorgen um den Wissenschaftsstandort Deutschland, verwundert es umso mehr, dass die Regierung die Gelegenheit verstreichen lässt, mit der Gesetzesnovelle für bessere Verhältnisse zu sorgen.

Die Zukunft soll es richten

Die Regierung scheint in diesem Punkt ihrem Entwurf selbst nicht viel zuzutrauen. So hieß es im Plenum, dass das WissZeitVG nur ein Baustein zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen sei, laut Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU) sogar nur ein kleiner. Zwar bemühte sich Ernst Dieter Rossmann (SPD), die gefundene Lösung doch noch als großen Beitrag darzustellen. Aber während der Debatte wurde deutlich, dass die Koalitionsparteien einer anderen Maßnahme eher zutraut, etwas verändern zu können: dem geplante Bund-Länder-Programm für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ab 2017 sollen etwa eine Milliarde Euro in die Verbesserung der Berufsaussichten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fließen. Hier wurden dann auch die größten Differenzen zwischen den Unionsparteien und der SPD deutlich. Während die Union das Geld hauptsächlich in Tenure-Track-Modelle investieren möchte, sieht die SPD vor, damit auch den sogenannten Mittelbau, also Dauerstellen neben der Professur, zu fördern.

Damit fiel ein Wort, das seitens der Regierungsparteien nur mit Bedacht benutzt wurde: Dauerstellen. Mehrfach wurde in der Debatte klargestellt, dass langfristige und dauerhafte Perspektiven nicht durch das WissZeitVG geschaffen werden können. Dabei legt das WissZeitVG die Konditionen fest, unter denen Arbeitsverträge befristet werden können – und lassen diese zu viel Freiheit, werden gerade keine Dauerstellen vergeben, wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen. Die Bundesregierung unterließ es, diesen Missstand zielstrebig anzugehen und vertröstete in der Lesung stattdessen auf das geplante Bund-Länder-Programm. Ob dieses die Hoffnungen erfüllen kann, ist aber fraglich. Die Redner*innen der CDU/CSU ließen jedenfalls keinen Zweifel daran, dass die Schaffung von Dauerstellen vorwiegend die Aufgabe der Länder und Hochschulen sei. Die SPD war hier zwar anderer Meinung, doch wie Ernst Dieter Rossmann betonte: Regierungsarbeit bestehe darin Kompromisse zu finden. Die heutige Sitzung gab Anlass zur Sorge, dass eine nachhaltige Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft letztlich jenem geopfert wird: einem Kompromiss.

Was Dauerstellen für das wissenschaftsunterstützende Personal angeht, plant die Große Koalition eine wichtige Änderung des Gesetzes: Das WissZeitVG soll nicht mehr auf Kolleg*innen in Technik und Verwaltung angewandt werden würfen, auch nicht, wenn sie in Drittmittelstellen eingesetzt werden. Dagegen waren die Wissenschaftsarbeitgeber vor der Sommerpause Sturm gelaufen – vergeblich. Überraschend hat sich nun Grünen-MdB Kai Gehring die Arbeitgeberkritik zu eigen gemacht und dafür plädiert, das nichtwissenschaftliche Personal im Geltungsbereich des Gesetzes zu lassen. Kurz zuvor hatte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) ins selbe Horn gestoßen.

Für die vielen Kolleginnen und Kollegen, die sich während der Aktionswoche für den „Traumjob Wissenschaft“ eingesetzt haben, ist klar, dass Verbesserungen nicht auf die lange Bank geschoben oder delegiert werden dürfen. Der Bund muss jetzt eindeutige Rahmenbedingungen schaffen, mit denen der aktuelle Missbrauch der Befristungsmöglichkeiten gestoppt wird.