Frauen-, Gleichstellungs-, Geschlechterpolitik
Wissen, wie es geht
Der Rechtsruck sorgt bei der Gleichstellungs- und Geschlechterpolitik für heftigen Gegenwind. Eine GEW-Konferenz Anfang März in Göttingen betonte, worauf es jetzt besonders ankommt.
Ob es um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern geht oder um die Vielfalt der Geschlechter: Was lange als selbstverständlich galt, ist aktuell heftigen Angriffen ausgesetzt. Auf einer zweitägigen Tagung mit dem Titel „Feminismus – die Reise der GEW geht weiter“ in Göttingen ging es deshalb immer wieder um die Frage: Wie aus der Defensive kommen?
„Wir müssen uns klar machen, dass wir stark sind – und etwas verändern können.“ (Frauke Gützkow)
„Eine gemeinsame Stimme ist nötiger denn je“, betonte Frauke Gützkow, GEW-Vorstandsmitglied Frauen-, Gleichstellungs-, Geschlechterpolitik. Wichtig sei, sich stärker zu vernetzen und sichtbarer zu werden. „Wir müssen uns klar machen, dass wir stark sind – und etwas verändern können.“ Die Konferenz zeigte auf, worauf es dabei ankommt: hartnäckig dranbleiben, Fachkompetenz nutzen und klare Botschaften vermitteln.
„Alles, was wir für selbstverständlich hielten, gerät gerade ins Wanken.“ (Elke Hannack)
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack berichtete, wie sie vor zehn Jahren voller Zuversicht auf Deutschland blickte: Vollständige Gleichberechtigung von Frauen und Männern – „so dachte ich damals“ – sei nur eine Frage der Zeit. Doch: „Alles, was wir für selbstverständlich hielten, gerät gerade ins Wanken.“
Mit 21 Prozent sei die AfD – eine als in Teilen gesichert rechtsextrem eingestufte Partei – im Bundestag vertreten. „Wichtig ist, dass wir uns nicht entmutigen lassen“, sagte die Gewerkschafterin. „Wir setzen einen klaren gleichstellungspolitischen Kompass entgegen.“ Solidarität – diese Botschaft gelte es, leicht verständlich zu vermitteln. Zum Beispiel, dass die Gleichstellung der Geschlechter zentral sei für die Zukunftsfähigkeit des Landes. „Und das Ziel jeder Bundesregierung sein muss.“ Auch sei vielen nicht bewusst, wie abhängig Frauen immer noch von Männern seien. So können 53 Prozent aller erwerbstätigen Frauen langfristig ihre Existenz nicht eigenständig sichern.
Gender Pay Gap weiter real
Die DGB-Vizevorsitzende verwies darauf, dass der Gender Pay Gap aktuell auf 16 Prozent gesunken ist. Neuen Berechnungen zufolge verdienen Frauen jedoch immer noch 4,10 Euro pro Stunde weniger als Männer. „Das ist eine Riesenungerechtigkeit, das müssen wir laut sagen“, betonte Hannack. Dass die Lücke kleiner werde, habe „mit uns und euch zu tun“. Grund seien gute Tarifabschlüsse in Berufen bzw. Tätigkeiten mit einem hohen Anteil weiblicher Erwerbstätiger.
Positives Beispiel: JA-13-Kampagne der GEW
Auch die Soziologin Svenja Pfahl betonte, dass es viele Handlungsmöglichkeiten gibt. „Wir können nicht sagen, dass wir nicht wissen, was wir tun sollen.“ Ein gutes Beispiel ist die vor zehn Jahren gestartete JA-13-Kampagne der GEW. Grundschullehrkräfte und teilweise auch Lehrerinnen und Lehrer in der Sekundarstufe I wurden lange Zeit schlechter eingruppiert als Kolleginnen und Kollegen anderer Schulformen.
Und jetzt: fehlen nur noch drei Bundesländer. Was zum Erfolg geführt hat? „Wir müssen den Leuten auf die Füße treten“, sagte die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende in Hessen, Heike Ackermann, „immer wieder.“ Früher hätten sie einmal pro Jahr mit Luftballons vor Schulämtern protestiert – und gemerkt: „Das reicht nicht.“ Also gingen sie auf eine Reise durch Hessen, hielten jeden 13. eines Monats eine Veranstaltung in einer anderen Stadt ab, luden Presse und Politik ein. Nach einem Jahr waren sie am Ziel.
Jetzt bietet sich erneut eine Chance, mehr Gerechtigkeit durchzusetzen: Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie muss bis Sommer nächsten Jahres in deutsches Recht umgesetzt werden. Sie sei ein „großer Fan“ des Gesetzes, sagt die Rechtsprofessorin Isabell Hensel von der Universität Kassel, denn diese Richtlinie verpflichte, alle Tätigkeiten einer Arbeitsbewertung zu unterziehen. „Damit gibt es einen Hebel.“ Jetzt gelte es, darauf zu drängen, dass die Richtlinie „nicht kaputtgemacht“ werde.
Pädagogik der Anerkennung
Ein großes Thema auf der Tagung war auch die Frage, wie mit Geschlechtervielfalt umgegangen wird. In Bayern, Sachsen und Hessen haben die Landesregierungen verboten, genderneutrale Sprache zu benutzen. Stellt sich die Frage: Worum geht es bei den Sternchenkämpfen eigentlich?
Bis vor einigen Jahren, sagte die Professorin für Schulpädagogik an der Universität Trier, Sabine Klomfaß, habe es einen gesellschaftlichen Konsens gegeben, dass Vielfalt „eine coole Sache“ sei. Daraus folgte eine Pädagogik der Anerkennung, die darauf abzielte, dass alle Menschen freundlich miteinander umgehen und Ungleichheit abgebaut wird.
„Letztlich geht es darum, dass jede Person so leben kann, wie sie möchte.“ (Frauke Gützkow)
Die Politologin Katharina Debus ermutigte Pädagoginnen dazu, die Werte hochzuhalten und selbstbewusst nach außen zu tragen. Unter anderem in den Schulen. Studien zeigten, dass sich nach einem Jahr eine Wirkung zeige. Zum Abschluss sagte Gützkow von der GEW: „Letztlich geht es darum, dass jede Person so leben kann, wie sie möchte. Dafür kämpfen wir!“